Leitkultur: Der Bundesinnenminister verrät dabei viel von der schwarzen Gesinnung
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Wahlen stehen an, die Union kämpft um die Rechten, ein Blick in das, was uns nach Ministergeheiß zusammenhält
Wenn ein Bundesinnenminister vor einer anstehenden Wahl der Frage nach einer Leitkultur nachgeht, geht es nicht um Nachdenken, sondern den Versuch, auf eine Stimmung der Wähler zu treffen. Thomas de Maizière will mit seinem "Diskussionsbeitrag" für die Bild-Zeitung angeblich nur etwas anstoßen, aber wenn er tiefsinnig und scheinbar philosophisch fragt, " was uns im Innersten zusammenhält", dann will er die nationalistisch und identitär Gesinnten heim ins Union-Boot holen. Es geht natürlich nicht um uns Einzelne, die auch vor und jenseits einer Nation existieren, sondern um ein Wir: "Als Gesellschaft. Als Nation."
Gesellschaften verändern sich wie Menschen auch. Nationen entstehen und können wieder vergehen - und sind überdies gesellschaftliche Gebilde, die angesichts der Menschheitsgeschichte kaum existiert, aber sich dafür in eine äußerst blutigen Geschichte niedergeschlagen haben, nicht zuletzt in zwei Weltkriegen, bei denen Deutschland und das Nationale eine entscheidende Rolle gespielt haben. Zum Nationalen und dem damit verbundenen Völkischen gehört auch, dass in deren Namen Millionen von Menschen kaltblütig wie Vieh oder Ungeziefer, so wurde auch damals wie heute gesprochen, getötet wurden und vielen weiteren unglaubliches Leid angetan wurde.
Die "tiefsten Tiefen" werden umschifft
Davon taucht beim Bundesinnenminister kaum etwas auf, man will sich die positive Stimmung für den verkündeten Patriotismus nicht nehmen. Nur höchst leise wird angedeutet, dass es mit der Nation und ihrer ehemals völkisch-arischen Leitkultur auch dunkle Seiten gegeben hat, die man aber wie die AfD auch mal hinter sich lassen will, was auch verhindert, daraus etwas lernen zu wollen.
Die Rede ist von "tiefsten Tiefen", die man aber wie den Gott-sei-bei-uns nicht beim Namen nennen will, was dann auch unverständlich macht, dass wir "auch ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels" haben müssen. Warum? Und genau wie? Reden wir nicht davon, und schon gar nicht von Roma und Sinti oder anderen Volksgruppen:
Wir sind Erben unserer Geschichte, mit all ihren Höhen und Tiefen. Unsere Vergangenheit prägt unsere Gegenwart und unsere Kultur. Wir sind Erben unserer deutschen Geschichte. Für uns ist sie ein Ringen um die Deutsche Einheit in Freiheit und Frieden mit unseren Nachbarn, das Zusammenwachsen der Länder zu einem föderalen Staat, das Ringen um Freiheit und das Bekenntnis zu den tiefsten Tiefen unserer Geschichte. Dazu gehört auch ein besonderes Verhältnis zum Existenzrecht Israels.
Kein Wort darüber auch, warum eine Leitkultur mit den "ungeschriebenen Regeln unseres Zusammenlebens" nun von unserem Bundesinnenministerium auch noch in 10 Geboten verschriftlicht werden muss. Im Grundgesetz stehen die Regeln geschrieben, die uns vereinen und verpflichten sollen. Letztlich richten sich die 10 Gebote, die de Maizière im Lutherjahr an die Website seines Ministeriums geschlagen hat, nicht nur an das "Wir" der "Staatsbürgerinnen und Staatsbürger unseres Landes", sondern an alle, die hier leben oder sich aufhalten. Das geht aber dem Bundesinnenminister zu weit.
Wir sind nur die Staatsbürger, wobei er allerdings der Frage ausweicht, dass mehr und mehr Menschen aus anderen Nationen zu deutschen Staatsbürgern geworden sind und damit die sowieso historisch nur kurze "deutsche Kultur", die mit einem Wir etikettiert wird, seit Jahrzehnten ebenso verändert wie die Europäer seit dem Kolonialismus die Kulturen der Anderen, allerdings nicht als Flüchtlinge oder Migranten, sondern als Invasoren und Profiteure verändert haben.
Natürlich richtet sich die Leitkultur an oder gegen die Menschen, "die zu uns gekommen sind". Wir, so de Maizière implizit, befolgen und leben die Leitkultur. Dass diejenigen, die Staatsbürger sind, vor allem auch die, deren Vorfahren schon lange hier leben, nicht notwendig die Leitkultur einhalten oder - in was genau? - integriert sind, wird nicht einmal gestreift. Das ist symptomatisch. Was macht der Vertreter der Leitkultur mit den Deutschen, die manche der verordneten Prinzipien nicht ohne weiteres teilen? Beispielsweise diese hier: "Wir sind Teil des Westens. Kulturell, geistig und politisch. Die NATO schützt unsere Freiheit. Sie verbindet uns mit den USA, unserem wichtigsten außereuropäischen Freund und Partner. Als Deutsche sind wir immer auch Europäer. Deutsche Interessen sind oft am besten durch Europa zu vertreten und zu verwirklichen. Umgekehrt wird Europa ohne ein starkes Deutschland nicht gedeihen." Letzteres könnten andere europäische Staaten als Drohung verstehen, dass de Maizière nur von Europa, nicht von der EU spricht, gehört ebenfalls zum Versuch, die nationalistisch Gesinnten möglichst nicht zu brüskieren.
Der Bundesinnenminister verordnet allerdings, dass der zur Leitkultur erhobene Patriotismus den Nationalismus ebenso endgültig hinter sich gelassen habe, wie die Angst, sich zu Deutschland zu bekennen: "All das ist vorbei, vor allem in der jüngeren Generation. Unsere Nationalfahne und unsere Nationalhymne sind selbstverständlicher Teil unseres Patriotismus."