Lesekompetenz von deutschen Grundschülern: Erhebliche Mängel
- Lesekompetenz von deutschen Grundschülern: Erhebliche Mängel
- Die übergroßen Vorteile der sozialen Herkunft in Deutschland
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IGLU-Test: Im Vergleich zu anderen Ländern stagnieren die Leistungen der Viertklässler beim Leseverständnis. Der Abstand zur Spitze ist weit. Die sozialen Unterschiede relevanter als anderswo
Um die Lesekompetenz deutscher Grundschüler ist es nicht besonders bestellt. Beim internationalen Vergleich des Leseverständnisses von Viertklässlern ergab sich für Deutschland ein Rangplatz im Mittelfeld. Die große Mehrheit der EU-Länder weist "signifikant bessere Leistungen" auf, wie der Bericht zur Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) gleich zu Beginn der Vorstellung der zentralen Ergebnisse notiert.
Ein Lernjahr Abstand zur Russischen Föderation
Der deutsche Leistungsmittelwert lag bei 537 Punkten. Irland schnitt besser ab (567). Finnland, Polen und Nordirland lagen ebenfalls über 560, England war mit 559 Punkten auch viel besser, ebenso Lettland, Schweden, Ungarn und Bulgarien, die alle über der 550-er Marke liegen; Litauen, Italien, Dänemark und die Niederlande hatten über 540 Punkte und waren damit noch deutlich besser als Deutschland. Der Abstand zur Spitze ist weit, er beträgt ein Lernjahr.
Dort ist die russische Föderation mit 581 Punkten, danach Singapur mit 576. Laut Bericht entspricht die Differenz von 40 Punkten "annähernd dem Leistungszuwachs in einem Lernjahr". Die Viertklässler in der russischen Föderation waren also vom Mittelwert aus gesehen eine Klasse über den deutschen Grundschülern. Aber selbst die USA, über deren Bildungsstand man sich hierzulande gerne lustig macht, war mit 549 Punkten "signifikant erfolgreicher" als Deutschland.
Soweit der sportliche Aspekt, zu dem noch nachzutragen wäre, dass 57 Staaten und Regionen an dem internationalen Vergleich (englisch mit PIRLS abgekürzt, für "Progress in International Reading Literacy") teilnahmen, 10 Staaten wurden als sogenannte Benchmark-Staaten gesondert gewertet. Der Lesekompetenzvergleich wurde 2016 durchgeführt, mit insgesamt 312.000 Schülerinnen und Schülern, aus Deutschland gab es Daten für 4.000 Schülerinnen und Schüler. Dazu wurden noch eigens Lehrer und Eltern befragt, was dann schon auf eine andere Ebene führt als den bloßen Punktespiegel.
"Massive Schwierigkeiten beim Lesen"
Die Schlagzeilen zur Iglu-Studie 2016 rückten denn auch einen anderen Aspekt, nämlich den der Sorge, in den Mittelpunkt der Berichterstattung: "Fast jeder fünfte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen", mahnt der Spiegel: " Viele Grundschüler haben massive Schwierigkeiten beim Lesen." Ähnlich wird das in der FAZ wahrgenommen und in der SZ, wo allerdings etwas entschärft die Rede davon ist, dass 20 Prozent "Probleme beim Lesen" haben.
Die Lesekompetenz wurde anhand zwei unterschiedlicher Textarten und Fragen zum Verständnis untersucht. Es gab einen fiktionalen Erzähltext, zum Beispiel "Marie und das rote Huhn", der auf Seite 95ff des Berichts samt dazu gehörigen Fragen und Einstufungen der Antworten in eine Lesekompetenzstufen präsentiert wird. Und es gab einen Sachtext, als Beispiel wird auf den Seiten 103ff des Berichts "Die grüne Meeresschildkröte und die Reise ihres Lebens" vorgestellt, samt Aufgaben (S.108) und Kompetenzstufen der Antwort (S.109).
Unterteilt wurde in fünf Kompetenzstufen ( I bis V). Wer weniger als 400 Punkte erzielt, dem wird "rudimentäres Leseverständnis" attestiert (Stufe I), wer mehr als 625 Punkte erzielt, wird in Stufe V eingeordnet. Sie oder er kann: "Unter Bezug auf Textpassagen bzw. den Gesamttext Informationen ordnen und Aussagen selbstständig interpretierend und kombinierend begründen".
Demgegenüber erfordert Stufe II, dass explizit angegebene Informationen identifiziert werden und auf lokaler Ebene Zusammenhänge (Kohärenz) hergestellt wird. Stufe II gilt von 400 bis 475 Punkte. Wer die nächste Stufe erreicht, kann "verstreute Informationen verständig miteinander verknüpfen".
18,9 Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler haben dieses Niveau (Stufe III) nicht erreicht - das sind die 20 Prozent ("jeder Fünfte"), denen der Spiegel "massive Probleme" bescheinigt. Zur Einschätzung der Schwierigkeitsgrade man sich auf S.100 und 108 des Berichts die dazu gehörigen Aufgabenstellungen anschauen. Es sind einfache Fragen zum Textverständnis, für geübte Leser ist das kein großes Problem.
Wer ein geübter Leser ist, hängt aber offensichtlich in Deutschland sehr stark davon ab, was Kindern zuhause beigebracht wird. Die Schulen sind hierzulande anscheinend nur bedingt dazu imstande, die Lesefähigkeiten allgemein auf einen höheren Stand zu bringen.