Letzte Generation: Berliner Autofahrer gehen gegen Aktivisten vor
Zeitungsbericht: Protestteilnehmer mit Lieferwagen touchiert und von Straße gezerrt. Umfragen für Gruppierung verheerend. Wie eng wird es für die "Klimakleber"?
Bei Straßenblockaden der Gruppe "Letzte Generation" ist es in Berlin zu Übergriffen von Verkehrsteilnehmern auf Aktivisten gekommen. Das berichtet die in Berlin erscheinende tageszeitung. In den vergangenen Tagen hatten sich zudem Politiker und Persönlichkeiten kritisch zu den sogenannten Klimablockaden geäußert.
Widerspruch kam selbst von der gemäßigteren Gruppe Fridays for Future – auch wenn deren Vertreter ihre Haltung später relativierten. Wendet sich die Stimmung gegen die Aktivisten?
Unmittelbar, nachdem am Mittwochmorgen eine 30-köpfige Gruppe im Berliner Westen eine Hauptverkehrsstraße blockiert habe, sei ein Auto auf die Aktivisten zugefahren und habe kurz vorher noch beschleunigt. "Nur Zentimeter vor den Blockierern habe bremst der Lieferwagen eines Unternehmens für Reinigungsleistungen abgebremst, aber einige von ihnen touchiert. "Diese setzen sich auf die Straße", heißt es in einem Korrespondentenbericht der taz.
Die beiden Männer aus dem Lieferwagen ziehen rabiat einige der Aktivst:innen von der Straße, ein Motorradfahrer sucht seinen Weg mitten durch die Blockierer:innen, ein Lkw-Fahrer entreißt laut schreiend die Transparente. Später wird er sagen, es sei seine vierte Blockade, die er miterlebe. Bei den ersten beiden habe er noch "Respekt" gehabt.
Ein Passant sei zugunsten der Blockierer eingeschritten, wenig später sei die Polizei eingetroffen.
Erst am Freitag hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" kritisiert. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte er, die Aktivisten schadeten durch ihr Handeln ihrem eigenen Anliegen. Die "Letzte Generation" habe "überzogene, aggressive Vorstellungen von der Durchsetzung ihrer Ziele". Mit Rechtsverstößen stärke man nicht den Klimaschutz.
Der FDP-Politiker verteidigte auch bestehende Gerichtsurteile gegen Klimaaktivisten. In einem Rechtsstaat gelten für alle die gleichen Regeln, so der FDP-Politiker: "Wenn wir akzeptieren würden, dass sich ein Teil der Gesellschaft unter Berufung auf ein höheres Ziel nicht an das Recht gebunden fühlt, würden das sicher immer mehr Gruppen für sich in Anspruch nehmen."
Die Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" blockieren in deutschen Städten immer wieder den Verkehr. In einigen Fällen kleben sie sich dafür auf der Fahrbahn fest. Mit ihren Aktionen wollen die Aktivistinnen und Aktivisten auf die Klimakrise aufmerksam machen.
Der Berliner Soziologe Dieter Rucht kritisierte die Gruppe allerdings in der taz. Die "Letzte Generation" stelle ein sichtbares Strategiedefizit zur Schau, so Rucht, der sich auch als Protestforscher einen Namen gemacht hat. Seiner Meinung nach mangelt es der Gruppe an einer Strategie, um Mehrheiten zu gewinnen". "Wenn das Erregen von Aufsehen aber zum Hauptzweck wird, geraten die Überzeugungsprozesse in den Hintergrund", sagte Rucht.
Tatsächlich waren die Aktionen der Gruppe, deren Folgen vor allem Pendler und einfache Verkehrsteilnehmer zu spüren bekommen, zunehmend auf große Ablehnung gestoßen. Zuspruch erhalte die "Letzte Generation" am ehesten noch unter den Jüngeren, schrieb der NDR Anfang des Jahres unter Berufung auf eine eigene Umfrage. Je älter die Befragten würden, desto häufiger hielten sie die Aktionen für falsch.
Bereits unter den ab 30-Jährigen bezeichnen deutlich mehr als die Hälfte die Proteste als unangemessen. Nur unter den 16- bis 29-Jährigen spricht sich eine Mehrheit dafür aus. Die ist zwar mit 51 Prozent hauchdünn, doch einige jüngere Befragte formulieren ihre Unterstützung deutlich.
NDR
Das Portal statista.com verweist auf eine Umfrage vom vergangenen November, nach der eine große Mehrheit die Protestaktionen der Gruppe "Letzte Generation" als falsch bewerten.
Demnach verurteilten mehr als 80 Prozent die Klimaproteste, die unter anderem Straßenblockaden durch das Festkleben auf Straßen oder das vermeintliche Beschädigen von Kunstwerken in Museen beinhalten. Zuletzt wurde auch der Flughafen in Berlin (BER) durch die Proteste der "Letzten Generation" für 90 Minuten lahmgelegt. Infolgedessen fielen Flüge aus, mussten umgeleitet werden oder waren verspätet. Neben der allgemein negativen Bewertung halten viele diese Proteste für nicht hilfreich im Sinne der Klimabewegung.
statista.com
Dennoch sprach sich der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes gegen schärfere Strafgesetze aus, um auf Rechtsverstöße im Zuge von Klima-Protesten klar und deutlich reagieren zu können. "Die bestehenden Gesetze geben den Gerichten ausreichend Spielräume, um etwa Fälle von Nötigung, Sachbeschädigung oder Eingriffe in den Straßenverkehr jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen", so Sven Rebehn im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ)
Der Richterbund stelle sich damit, so die Neuen Osnabrücker Zeitung, gegen wiederkehrende Rufe nach einer Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten gegen radikale Klimaschützer. "Jeder darf im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat öffentlich und streitbar für seine Anliegen eintreten, solange er sich dabei an die Regeln des Rechtsstaats hält." Zugleich appellierte Bundesgeschäftsführer Rebehn an die Aktivisten: "Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit enden dort, wo das Strafrecht beginnt."