Leuchtender Vogelkot weist Forschern den Weg

Mit Hilfe von phosphoreszierenden Beeren haben amerikanische Forscher das Wanderverhalten von Vögeln untersucht

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Um herauszufinden, wie Landschaftskorridore das Wanderverhalten von Tieren und Pflanzen beeinflussen, haben amerikanische Forscher frei lebende Vögel mit fluoreszierenden Beeren gefüttert – und anhand der leuchtenden Hinterlassenschaft ein Modell zur Prognose von Wanderbewegungen entwickelt.

Zerstückelte Landschaften sind für Umweltschützer ein Graus. Denn auf isolierten Grünflächen leidet die Artenvielfalt. Die Lösung sind so genannte Landschaftskorridore – auch Grüne Korridore bzw. Grünachsen genannt – die andernfalls isolierte Grünflächen miteinander verbinden.

Forscher dokumentieren die Wanderbewegungen eines Eastern Bluebirds entlang eines Waldsaumes in South Carolina (Bild: Science)

Bislang war umstritten, nach welchem Prinzip Landschaftskorridore die Verbreitung von Pflanzen und Tieren beeinflussen. Die klassische Theorie geht davon aus, dass Organismen entlang der Korridore wandern. Die ‚drift fence‘ Theorie dagegen sieht in der Grünachse eine Art Schutzwall, der – ähnlich wie ein Krötenzaun – umherstreifende Tiere auffängt und zur jeweils angrenzenden Grünfläche umleitet. Dieser Theorie zufolge werden jene Flächen bevorzugt besiedelt, die durch einen Korridor erreichbar sind. Dabei ist unerheblich, ob der Korridor zwei Grünflächen miteinander verbindet, oder wie eine Sackgasse in der Umgebung endet. Soweit die beiden Theorien, die sich gegenseitig übrigens nicht ausschließen.

In der Praxis wird die Forschung vor allem dadurch erschwert, dass das Bewegungsmuster zahlreicher Arten nur schwer nachvollziehbar ist. Wie das Magazin Science berichtet, haben amerikanische Forscher nun eine Methode entwickelt, mit der sich der Einfluss von Landschaftskorridoren auf die Verbreitung von Organismen messen lässt.

“Leuchtender Pfad“ des Vogelkots

Um das Zusammenspiel von Tier und Pflanze zu erforschen, wurde eine Vogelart gewählt, die als Hauptverbreiter einer bestimmten Beerensorte bekannt ist. Sowohl der Vogel als auch die Beere bevorzugen eine offene, steppenartige Landschaft. Durchgeführt wurde der Versuch im Winter. Der Strauch trägt nur in dieser Zeit Früchte, der Vogel brütet nicht und ist deshalb auch nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden. Durchgeführt wurden die Beobachtungen in einer ausgedehnten Waldgegend in South Carolina auf insgesamt acht Versuchsflächen. Die vorherrschende Landschaftsform dieser acht Flächen war dichter Fichtenwald, in dem sich je fünf offene Flächen mit nachwachsendem Wald verbargen. Ausgehend von der zentral gelegenen Fläche wurde beobachtet, welche der vier anderen Flächen bevorzugt angesteuert wurde.

Eine von insgesamt acht Versuchsflächen in South Carolina, wo der Einfluss von Landschaftskorridoren auf die Verbreitung von Tieren und Pflanzen weg vom zentralen Teilstück in eines der vier nahe gelegenen Gebiete untersucht wurde. (Bild: USDA Forest Service)

Da sich die Vorgehensweise des Forscherteams auch auf andere Tier- und Pflanzenarten übertragen lässt, hier eine kleine Anleitung: Man wähle eine Versuchsfläche, die hier und da den bevorzugten Lebensraum der untersuchten Arten aufweist. Einige sollen durch Korridore verbunden sein, andere nicht. Dann nehme man einen gut sichtbaren Vogel wie den Eastern Bluebird (Sialia sialis), der nicht nur einen prächtig blauen Rücken, sondern auch eine auffallend rote Kehle hat (nicht zuletzt deshalb heißt der Drosselvogel auf deutsch „Rotkehlhüttensänger“).

Als nächstes beobachte man, wie sich der Vogel auf kurzen Distanzen (unter 20 Meter) verhält: wie lange verweilt er auf Sitzwarten, welche Entfernungen legt er zwischendurch zurück, in welche Richtung fliegt er davon? Dann entwickle man eine Reihe von Vorhersagen für größere Entfernungen (mehrere hundert Meter).

Die grauen Früchte der Wachsmyrte (im Vordergrund) gehören zu den Favoriten auf dem Speisezettel vieler wilder Vögel im Osten der USA. Der Eastern Bluebird gehört zu den Hauptverbreitern der Samen im offenen Gelände, wo die Wachsmyrte besonders gut gedeiht. (Bild: Science)

Um die Vorhersage zu überprüfen, nehme man die Leibspeise dieses Vogels, die Wachsmyrte (Myrica cerifera] und versetze sie mit fluoreszierendem Pulver. Dann sammle man den Kot des Vogels in geeigneten Behältern und versichere sich mittels Mikroskopie der Richtigkeit der eigenen Vorhersagen.

Auf die Ränder kommt es an

Gesagt getan, und siehe da: mit Blick auf den Eastern Bluebird und die Wachsmyrte spricht alles für die klassische Theorie, wonach ein Landschaftskorridor auf beiden Seiten in einer Grünfläche enden sollte. Denn nach 45 Minuten – so lange dauert es in etwa, bis ein Eastern Bluebird eine Wachsbeere verdaut hat – war die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vogel in einem entsprechend angebundenen Landstück aufhielt, 31 Prozent höher als dass er in einem isolierten Stück saß.

Richtungsweisend für den blauen Vogel und die graue Beere sind vor allem die Ränder der Korridore. Das heißt, für den Eastern Bluebird ist nicht entscheidend, ob es sich bei der Grünachse um ein ausgedehntes Waldstück oder nur um eine mickrige Baumreihe handelt. Hauptsache, es gibt ein paar Bäume, an denen sich entlangfliegen lässt.

Um an die ausgeschiedenen Samen zu gelangen, haben die Forscher Blumentöpfe an das obere Ende von Stangen gehängt, zusätzlich wurden unter die Sitzstangen Bretter montiert. Da Easter Bluebirds gerne obenauf sitzen, landete die Mehrzahl der Samen in den Blumentöpfen. (Bild: Science)

Was die Studie so wertvoll macht: Die Forscher konnten ausgehend von ihren Kurzstreckenbeobachtungen tatsächlich recht genau vorhersagen, in welche Richtung der Eastern Bluebird bevorzugt abwandert. Das heißt, die Forscher konnten auf Grundlage von individuellem Verhalten Rückschlüsse auf die weitere Entwicklung der Landschaft ziehen. Freilich beeinflussen auch Straßen, Wasserläufe und andere Faktoren die Verbreitung von Tieren und Pflanzen. Aus diesem Grund sind weitere Studien erforderlich, die den Zusammenhang von individuellem Verhalten einzelner Arten und der langfristigen Entwicklung von Landschaften genauer erforschen.