Libanon-Hilfe: Konkurrenz um Einfluss der politischen Agendas
Macron organisiert mit der UN eine Geberkonferenz für Nothilfen; Iran bleibt draußen, ebenso die libanesische Regierung
Der französische Präsident reagierte sehr schnell auf die Katastrophe in Beirut: Macron besuchte die libanesische Hauptstadt und er organisierte federführend mit Beteiligung der UN eine kurzfristige Geberkonferenz für Nothilfen. Laut Elysée-Palast sollen 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammengekommen sein.
Dringende Soforthilfe
Auch die EU zahlt in die Nothilfekasse ein, man habe bereits 33 Millionen Euro "mobilisiert" und den Beitrag nun um weitere 30 Millionen für die dringendsten Nöte im Libanon aufgestockt, gab der frühere belgische Ministerpräsident und jetzige EU-Ratspräsident Charles Michel bekannt. Nach Angaben des deutschen Außenministers Maas habe Deutschland schon vor der Geberkonferenz zehn Millionen Euro an Hilfe zugesagt. Jetzt wurde die Summe laut FAZ auf 20 Millionen verdoppelt.
Schnelle Hilfe im Libanon ist bitter nötig und sie ist nicht nur nebenbei gut fürs Prestige. Das gehört zu den Ambivalenzen der Hilfe. Man kann sich als Nothelfer präsentieren und dabei auch sich selbst helfen. Sowohl Macron wie auch die EU, speziell wenn es um ihre Nahost-Politik geht, haben einige Gründe, sich gut zu positionieren. Sie haben ziemlich an Einfluss verloren. Besonders empfindlich hat das Frankreich gespürt, die ehemalige Mandatsmacht im Nahen Osten.
Angesichts der Schadenssumme in zweistelliger Milliardenhöhe, die nach der Katastrophe z.B. vom Chef des Gouvernements Beirut genannt wurde, fällt aber auch noch der Abstand ins Auge, die Milliarden, die es braucht, um den Libanon wiederaufzubauen, und wie "wenig beeindruckend" die Nothilfe sich in diesem Rahmen ausnimmt.
Das spricht allerdings auch Macron an. Jetzt gehe es um dringende Soforthilfe - medizinische Versorgung, Krankenhäuser, Medikamente, Nahrungsmittel und dass Kinder wieder zur Schule gehen können - aber, so der französische Präsident, diese Hilfe für die libanesische Bevölkerung und die politische Führung sei "nicht das Ende der Geschichte".
Angesprochen wird damit eine längerfristige und größere Unterstützung und damit stellen sich ein paar Fragen, die weiter ins politische Feld führen.
Es geht um Einflusssphären
Man kann - um nicht gleich auf das "Weltbank-", "IWF-" und "Hisbollah-Problem" zuzusteuern -, den kurzen Kommentar des Libyen-Spezialisten Jalel Harchaoui als Anschauungsmaterial dafür nehmen, wie kompliziert es werden kann. Harchaoui stellt zwei Meldungen gegenüber.
Die eine behauptet, dass die Vereinigten Arabischen Emirate den Hafen von Beirut wieder aufbauen - und auch für dessen Betrieb verantwortlich sein wollen. Die andere behauptet, dass die Türkei ebenfalls den Hafen in Beirut wiederaufbauen will. Der Libyen-Spezialist sieht da den Konflikt im nordafrikanischen Land, wo sich die Türkei und die Emirate gegenüberstehen, als Muster für eine Entwicklung, die dem Libanon droht.
Nun sind nicht beide Meldungen gleichermaßen seriös unterlegt. Im Fall der Türkei gibt es Äußerungen aus der Regierung, die das Interesse am Wiederaufbau des Hafens als Hilfsangebot deklarieren. Im Fall der Vereinigten Arabischen Emirate gibt es dazu noch(?) keine englisch-sprachige Nachricht, die die Absicht bestätigt, sondern nur die generelle Beobachtung, dass Häfen und Meereswege ein auffallend wichtiges Element der VAE-Politik der letzten Jahre waren und die Beteiligung am Wiederaufbau des Beiruter Hafens niemanden wirklich erstaunen würde.
Das ist nur ein plakatives Beispiel dafür, dass es bei den Hilfen auch um politischen Einfluss geht, der im spannungsgeladenen Libanon in einer Region, die vom Zerfall und Umbruch geprägt ist, Konflikte weiter schüren kann - nicht umsonst ist "Einigkeit" das Zauberwort. Macron sprach von einer "Konferenz der Einigkeit".
Angesichts der Teilnehmer der von Macron initiierten Geberkonferenz fällt auf, dass Iran nicht dabei ist. Nicht dabei waren auch Russland, die Türkei und Israel. Sie werden von Macron als bereit für Hilfen erwähnt. Zu Iran äußert er sich nicht. Das ist angesichts des Anspruchs einer "Konferenz der Einigkeit" und der Rolle, die Iran in der Region und über die Hisbollah im Libanon spielt, eine auffällige Lücke: Wie ist die Solidarität gemeint, wenn ein Teil der Beziehungen ausgeschlossen wird?
Im Katastrophengebiet leistete Frankreich auch mit einer Luftbrücke schnelle Hilfe, aber auch Russland und Iran, als eines der ersten Länder, beteiligten sich mit Hilfslieferungen und Teams an Ort und Stelle. Finanzielle Hilfe dürfte für Iran zuzeiten der von US-Sanktionen erschwerten Wirtschaftskrise nicht einfach zu leisten sein.
"Glitschiges Gelände"
Man fragt sich bei Macrons Ausführungen, wer mitmacht und an wen die Milionen-Hilfe geht? Die Hisbollah, die von Iran unterstützt wird, ist ein Elefant im Raum. An ihm entzünden sich Spannungen im Libanon, die von außen geschürt werden, er gehört zu den geopolitischen Konfrontationen im Nahen Osten.
Bei westlichen Hilfen - die von arabischen Regierungen unterstützt werden, die in ihrer Mehrheit mit Saudi-Arabien auf gutem Fuß stehen, wie die Teilnehmer der Geberkonferenz - ist der Gedanke da, dass man die Gelegenheit auch dazu nutzen will, den Einfluss der Hisbollah und Irans zu schwächen und also eine strategische Absicht verfolgt. Man kann gespannt sein, was sich da noch zeigen wird.
Wie ausgeprägt das Misstrauen gegenüber einer westlich geführten Hilfe ist, zeigen Anmerkungen des Syrien-Beobachters Joshua Landis. Er kommentiert die von Macron geäußerte Absicht, wonach die Nothilfe nicht über die libanesische Regierung laufen soll, sondern an ihr vorbei als "direkte Hilfe" über NGOs, das Rote Kreuz und die libanesischen Sicherheitskräfte vergeben werden soll. Für Landis ist das ein "glitschiges Gelände", dabei fällt auch das Reizwort "Regime Change".
Er nennt die Beispiele Libyen und Syrien zur Warnung. Es gehe schnell, dass auswärtige Agenden dominant werden. Geht es um die libanesischen Sicherheitskräfte, so ist wegen deren engen Verbindungen zu den USA einige Vorsicht wegen deren Parteinahme (auch bei den Protesten) angebracht.
Im größeren wirtschaftlichen Rahmen gilt das Vorsichtsgebot auch für die weiteren Hilfspakete, die Macron in Aussicht stellt. Er knüpft sie an Bedingungen. Dabei fällt das klassische neoliberale Schlagwort von "nötigen Reformen". Die sind angesichts der wirklich desaströsen Korruption, des Banken- "Ponzi-Schemas" zugunsten der politischen Elite und der abenteuerlich hohen Schuldenlast im Libanon zwar wirklich nötig, aber Macron ruft die "üblichen Verdächtigen" zur Hilfe, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank.
Selbst die FAZ macht auf Schwierigkeiten des französischen Engagements aufmerksam: "Frankreich hat jetzt die Expertise der Banque de France und des französischen Finanzministeriums angeboten. Doch die (libanesische, Einf. d. A.) Regierung fürchtet die Einmischung von außen. Die Hizbullah sieht den IWF als Instrument der Vereinigten Staaten, welche die Organisation als Terror-Gruppe einstuft."
Die Hisbollah ist Teil der gegenwärtigen Regierung im Libanon. Die hat mit Auflösungstendenzen zu kämpfen (Tagesschau), das als Gelegenheit zu sehen, mit der Hisbollah "aufzuräumen", ist ein riskantes Manöver.