Libyen: Game-Changer Russland?
Die russische Regierung lässt erkennen, dass sie mit General Haftar kooperiert
Auf der langen Heimreise von der syrischen Küste nach Seweromorsk legte der russische Flugzeugträger Admiral Kusnezow vor ein paar Tagen, am 11.Januar, einen bemerkenswerten Zwischenstopp vor der libyschen Küste (außerhalb der Hoheitsgewässer) ein, um einen bemerkenswerten Gast aufzunehmen: General Haftar, den starken Mann im Osten Libyens, Kommandeur der libyschen Nationalarmee - und möglicherweise bald auch Staatschef?
Jedenfalls regt das Treffen an Bord zu Spekulationen an. Haftar hielt an Bord eine Videokonferenz mit dem russischen Verteidigungsminister Schoigu ab. Er spricht angeblich gutes Russisch. Es ging laut Libya Observer um den "Kampf gegen internationale terroristische Gruppen im Nahen Osten". Laut Bericht habe Haftar wie auch zwei weitere seiner politischen Verbündeten zuvor um russische Luftunterstützung ähnlicher Art wie in Syrien gebeten.
Russland: Haftar sollte einen Platz in der Regierung haben
Haftar war im letzten Jahr zwei Mal in Moskau zu Besuch, im Sommer und zuletzt im November. Ende Dezember überraschte die Nummer 2 im russischen Außenministerium, Gennadi Gatilow, mit der Äußerung, dass Haftar einen Platz in der neuen Regierung haben sollte.
Überraschend war das deswegen, weil sich Russland lange Zeit sehr zurückhaltend verhalten hatte, wenn es um Libyen ging, die Fürsprache für Haftar deutete einen Kurswechsel an.
Haftar ist, um die Umstände kurz anzureißen, ein Gegner der von der UN maßgeblich zusammengestellten nationalen Einheitsregierung, deren Oberhaupt Fayez Mustafa al-Sarraj ist. Diese Regierung ist aber in Libyen noch immer nicht wirklich legitimiert, da ihr das Votum des Parlaments im Osten (Repräsentantenhaus, oft HoR genannt) fehlt.
Dass dieses Votum nicht zustande kommt, liegt an Haftar, der dort eine starke Machtposition hat. In der neuen Regierung müsste Haftar seinen Posten als Kommandeur der nationalen Armee räumen. Die Einheitsregierung ist ein ausgehandelter Kompromiss zwischen dem Parlament im Westen, in Tripolis, dem Allgemeinen Nationalkongress (GNC) und dem Parlament im Osten.
Der GNC wird dominiert von Islamisten. Haftar steht auf feindlichen Fuß mit dem GNC. Er führt seit langem Krieg gegen dessen verbündete Milizen. Daher versuchte diese Seite über den politischen Einigungsprozess mit der UN, Haftar auszumanövrieren.
Stromausfälle: Die Bevölkerung ist mit den Nerven am Ende
Im gegenwärtigen Schlamassel steht Haftar allerdings besser da denn je. Die libysche Bevölkerung ist durch eine Serie von teilweise sehr lang andauernden Stromausfällen in weiträumigen Gebieten, auch in der Hauptstadt, und anderen Versorgungsnöten mit den Nerven am Ende.
Der starke Mann in Tripolis, der Chef der nicht-anerkannten GNC-Regierung Khalifa Gwail hatte vergangene Woche die Ohnmacht der Einheitsregierung, von der er sich immer wieder entschieden distanziert, vorgeführt. Er servierte kurzerhand das Verteidigungsministerium und das Arbeitsministerium ab, um damit zu zeigen, wer die de facto Macht in Tripolis hat.
Zuvor hatte Italien die Einrichtung einer Botschaft in der Hauptstadt und eine Zusammenarbeit mit der Einheitsregierung annonciert (vgl. Italien schließt mit libyscher Regierung ein Abkommen zur Migrationskontrolle).
All dies spielt Haftar in die Hände, der mit seinen Truppen militärische Erfolge gegen Dschihadisten und Islamisten erzielt. Er hat einige Popularität gewonnen, wird unterstützt von Ägypten, Frankreich, den Vereinigten Emiraten (von dort schickt Ex-Blackwater-Chef Erik Prince Piloten für Haftar) und nun offensichtlich sehr viel deutlicher von Russland.
Die russische Mission
Laut Radio France Inter gibt es bereits eine unterzeichnete Kooperation zwischen der Armee, die Haftar anführt, und Russland. Als Quelle dafür nennt RFI eine gut informierte libysche Quelle.
Es handele sich um eine Art Ausbildungs- und Beratungsmission. Von einer militärischen Intervention Russlands ist nicht die Rede. Aber wie schon zuvor von Bemühungen seitens Haftar, dass Russland dabei helfen möge, dass das Waffenembargo aufgehoben wird. Ob es diese militärische Zusammenarbeit tatsächlich schon gibt oder ob dies nur Spekulation ist, lässt sich im Augenblick nicht verlässlich sagen. An der russischen Unterstützung von Haftar und der libyschen Armee (LNA) gibt es wenig Zweifel.
Zusammenarbeit mit Trump?
Geht es nach einem Beitrag von Richard Galustian im Moon of Alabama lässt sich die Spekulation noch weiter treiben: Er hält es für möglich, dass Russland und die USA mit dem neuen Präsidenten Trump kooperieren könnten, um Libyen zu einigen. Der gemeinsame Nenner wäre der Kampf gegen den IS.
Die USA zeigten allerdings bislang wenig Interesse daran, Haftar zu unterstützen. Ob sich das mit Trump ändert, wäre die Frage. Immerhin gehört der Kampf gegen islamistischen Terror gehört zu seinen politischen Eckpunkten. Ob ihm Libyen allerdings so wichtig ist, weiß bislang noch niemand ganz genau.
Dass Libyen der EU wichtig ist, muss nicht betont werden. Italien hat sich eindeutig auf die Seite der Einheitsregierung gestellt, Deutschland auch. Frankreich unterstützt Haftar. Italien gibt aber aktuell leichte Signale durch Hilfslieferungen in Gebiete, wo Hafter operiert, dass Verständigungen möglich sind. Wie man künftig mit der russischen Unterstützung Haftars zurechtkommen wird, ist noch nicht ausgemacht.