Libyen: Mit Eil-Lizenz zur Einheitsregierung
Die UN erkennt neue Regierung an und verlängert das UNSMIL-Mandat. Der russische Außenminister Lawrow warnt vor nicht gedeckten Interventionen
Libyen hat eine neue Regierung. "Lastwagen fahren auch ohne Nummernschild", hatte der deutsche Spitzen-Diplomat Martin Kobler bei einer Pressekonferenz am Sonntag als Order ausgegeben. Um im Bild zu bleiben: Für die Regierung der nationalen Einheit war eigentlich eine TÜV-Plakette zur Legitimation vorgesehen, nämlich eine mehrheitliche gültige Bestätigung durch das Parlament im Osten, dem HoR, zu deutsch: dem Repräsentantenhaus.
Aber das entwickelte sich zum Endlos-Reigen von Vertagungen und Machtspielen hinter den Kulissen, das nötige Quorum kam nicht zustande. So kamen der UN-Sondervermittler Kobler und Mitstreiter auf die Idee, dass auch eine Erklärung, unterzeichnet von 100 Abgeordneten des HoR, legitim genug wäre, um einen Mehrheitswillen zu dokumentieren, und den politischen Prozess ohne HoR-Abstimmungshürde weiterzufahren.
Alles drängt zur Eile in Libyen. Ein Ausschnitt aus der Bundespressekonferenz vom vergangenen Freitag beleuchtet das ein bisschen. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, erklärte zum Thema Libyen:
(…) dass es in Paris und auch anderswo die Vorstellung und auch den Wunsch gibt, dass man bestimmten Personen, die sich eben obstinat weigern, diesen Friedens- und Aussöhnungsprozess, diesen Staatsfindungs- beziehungsweise Staatswerdungsprozess in Libyen zu unterstützen, vielleicht einmal sagt: Bis hierhin und nicht weiter - jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ihr euch entscheiden müsst; und wenn ihr euch nicht entscheiden könnt, dann werden vielleicht sogar Sanktionen verhängt.
Der Druck ist unverkennbar. Neben der deutschen Regierung drängen auch Italien, Frankreich, Großbritannien wie auch die USA seit einiger Zeit darauf, dass Libyen endlich eine anerkannte nationale Einheitsregierung hat.
Das Frühjahr steht an und, wie besonders in Rom befürchtet wird, ein neuer Andrang von Flüchtlingen an den libyschen Küsten. Dazu das Problem mit dem IS und seinem nordafrikanischen Hauptquartier in Libyen, das die USA in den Mittelpunkt ihres Drängens stellen.
Irgendwie kam dann im Präsidialrat, einem im UN-Vermittlungsprozess gebildeten Gremium, die Idee auf, dass 100 Unterschriften von HoR-Mitgliedern genügen. Also wurde das Unterstützungsschreiben der HoR-Abgeordneten für die vom Präsidialrat vorgeschlagene Einheitsregierung zum provisorischen "TÜV"-Stempel, der das Government of National Accord (GNA) legitimierte - Streitigkeiten über dessen Legitimität sind damit längst nicht beendet.
Dessen ungeachtet wurde dies als Startschuss für den "Lastwagen" behandelt. Die UN erkannte das GNA als "einzig legitime Regierung" an. Der UN-Sicherheitsrat verlängerte das auslaufende UNSMIL-Mandat.
"Bitte um Hilfe"
Der nächste Schritt, der nun von der neuen Regierung erwartet wird, ist die Bitte um Hilfe von außen.
Der russische Außenminister Lawrow hatte vor der Abstimmung im Sicherheitsrat davor gewarnt, dass es für jegliche Intervention in Libyen die Zustimmung des Sicherheitsrates brauche. Durch den Text der Resolution 2273, den Russlands Vertreter im Sicherheitsrat mit unterzeichneten, ist eine militärische Einmischung nicht gedeckt.
Die dem vorangehende Resolution zur Unterzeichnung der Vereinbarung des politischen Prozesses vom Dezember 2015, die Resolution 2259, erwähnt zwar die dringliche Hilfe anderer Staaten, welche die neue Regierung brauchen werde, referiert aber nicht zu UN-Bestimmungen, die eine militärische Unterstützung beinhalten.
Allerdings eröffnet ein Passus zum Kampf gegen den IS in Libyen gewisse Spielräume. Russlands Skepsis über die Einmischung der westlichen Staaten ist angesichts der Täuschungsmanöver, die den von der Nato und maßgeblich von den USA betriebenen Sturz Gaddafis nicht unbegründet (vgl. dazu Störfaktor Gaddafi).
Einen Vorgeschmack darauf, wie viel Gewalt nötig sein wird, um die GNA in Libyen als neues Machtzentrum durchzusetzen, könnte der Einzug der Einheitsregierung in Tripolis geben. Die dort sitzende Parallelregierung, die eng mit Milizen verbunden ist, wehrt sich dagegen, dass das GNA dort seinen Sitz einnimmt. Milizenführer Haithem Tajouri traf erste Vorbereitungen zum Widerstand.
Der UN-Sonderbeauftragte Kobler suchte nach Informationen von Libya Herald indessen in Instanbul die Unterstützung des berüchtigten Milizenführers Abdulhakim Belhaj, dem ehemaligen Emir der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG), zu gewinnen.
Die UN setzt darauf, dass Geldmittel, die der neuen international anerkannten Regierung zukommen, in der Bevölkerung für Unterstützung des "politischen Prozesses" und der Regierung sorgen.