Libyen: Reaktionen auf das IS-Rachemassaker in Sirte

IS-Milizionär in Libyen; Propagandafoto

Die Regierung im Osten des Landes fordert ein militärisches Eingreifen der Arabischen Liga

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Am vergangenen Montag töteten IS-Milizen laut Presseberichten Khaled Al-Forjani, den Imam der Cordoba Moschee der libyschen Stadt Sirte, bekannt als Geburtsstadt des 2011 ermordeten Machthabers Muammar Gaddafi. Al-Forjani hatte mehrmals gegen den IS gepredigt, der seit Juni die Stadt unter Kontrolle hat. Forjani wird als Prediger einer salafistischen Strömung bezeichnet, die sich gegen die IS-Ideologie ausspricht.

Der Ermordung des Predigers folgten Straßenkämpfe zwischen aufgebrachten Bewohnern des Viertels residential area No.3 der 80.000 Einwohner -Stadt mit IS-Milizen. Die Bewohner gehören in der Mehrheit dem Stamm der Al-Forjan an. Sie hatten laut Berichten keine Chance gegen die besser bewaffneten IS-Milizen. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, die Rache fiel exemplarisch aus.

IS-Milizionär in Libyen; Propagandafoto

Am Wochenende zählten Bewohner bis zu 70 Tote, Verletzte sollen sogar in Krankenhäuser getötet worden sein. Zur Abschreckung wurden Bilder von gekreuzigten, aufgehängten Leichen an einem Mast über soziale Netzwerke verbreitet. Für den IS ist dies ein weiterer Propaganda-Erfolg. Über die brutale Niederschlagung des Aufstandes wurden in allen großen Nachrichtenagenturen und in vielen großen internationalen Medien berichtet.

Keine Hilfe für die Bewohner

Sichtbar wurde auch, dass niemand den Bewohnern, die einen Widerstand gegen die IS-Verbände versuchten, zu Hilfe kam. In Tripolis soll währenddessen gar eine Militärparade abgehalten worden sein.

Nun erwägen beide Regierungen, der von Muslimbrüdern dominierte GNC in Tripolis und die von der UN anerkannte Regierung in al-Baida, Pläne zu einem militärischen Gegenschlag. Laut einem Bericht des Libya Herald werden diese Vorhaben nicht miteinander abgestimmt. Zwar werde zu Taten aufgerufen, aber beide Regierungen erwecken dem Bericht nach den Eindruck des Abwartens. Mit einer Offensive werde erst in ein paar Tagen gerechnet.

Reaktionen der Arabischen Liga und westlicher Staaten

Wahrscheinlich wartet man auf Order von anderer Seite. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Arabische Liga für Dienstag ein außerordentliches Treffen in Kairo zur aktuellen Krise in Libyen anberaumt hat, auf Veranlassung der Regierung in al-Beyda, welche die arabischen Staaten darum gebeten hat, "Maßnahmen gegen den IS in Libyen" zu ergreifen.

Am Samstag veröffentlichte das US-Außenministerium ein gemeinsames Statement der Regierungen von Frankreich, Deutschland, Spanien, des U.K und der USA, in dem die "barbarischen Akte der mit ISIL verbundenen Terroristen in Libyen" scharf verurteilt werden. In dem Text wird hauptsächlich auf die Bedeutung der Bildung einer Einheitsregierung eingegangen. Nach dem kärglichen Versagen der Partner in der Libyen-Politik in der Folge eines umstrittenen UN-Einsatzes, der gegen den zur Neutralität verpflichtenden UN-Resolution eindeutig Kriegspartei nahm - für die Gegner Gaddafis -, betont man nun, dass es keine militärische Lösung für den politischen Konflikt in Libyen gebe.

Die Frage ist jetzt, wie die Arabische Liga reagieren wird. Interessant wäre, welche Hintergrundgespräche zwischen der Arabischen Liga und den westlichen Ländern dazu ablaufen. Laut Medienberichten hat die Regierung im östlichen Teil Libyens verstehen lassen, dass sie unter geeigneten Maßnahmen "Luftangriffe auf die IS-Milizen" meint.

Der von der HOR-Regierung abgesetzte Großmufti, welcher der GNC-Regierung nahesteht, hat daran appelliert zusammen mit dem Feind General Haftar militärisch gegen den IS vorzugehen.

Haftar, der die verbliebenen Truppen der libyschen Armee befehligt, und dem HoR angehört, führt Krieg gegen den von Islamisten geführten Milizenverband "libysche Morgenröte", der dem GNC in Tripolis nahesteht. Sicher im ganzen Fog of War, dem auch die Meldungen aus und über das Land ausgesetzt sind, ist einstweilen nur, dass die Lage in Libyen nicht gerade ungünstig für die Expansionsstrategie des IS ist. Ob Luftangriffe, obendrein auf eine dichtbesiedelte Stadt, das geeignete Mittel sind, um den IS zurückzudrängen, steht nicht zweifelsfrei fest.

Nachtrag: Fotos vom Angriff der Nato auf Sirte im Oktober 2011 sprechen nicht für Luftangriffe.