Liegt der Impfschutz gegen die Delta-Variante bei null Prozent?
Drei Fragen aus dem Forum. Eine Wochenkolumne
In einem Kommentar zum Telepolis-Artikel "Neue Erkenntnisse zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe" heißt es:
In der Schweiz beginnt nun - wie bereits in England, Portugal, Israel und den Niederlanden - die voraussichtlich steile Sommerwelle der indischen Variante (Delta). Politik und Medien suggerierten der Bevölkerung, die Impfung würde sie vor einer Corona-Infektion schützen, doch dies ist aufgrund der teilweisen Immunflucht dieser Variante nicht mehr der Fall: Laut den neuesten Daten aus England liegt der Schutz vor einer Delta-Infektion bei etwa null Prozent.
Dieser Kommentar ist ein wörtliches Zitat aus einem Artikel, den das Portal "Swiss Policy Research" mit der Überschrift "Die Schweiz vor der Delta-Welle", veröffentlicht hat - und als solches kenntlich gemacht.
Zunächst eine Bemerkung zur Quelle. Es ist nicht einmal klar, wer sich hinter dem seriös klingenden Namen "Swiss Policy Research" verbirgt - angeblich ein "Forschungs- und Informationsprojekt zu geopolitischer Propaganda in Schweizer und internationalen Medien", ein Impressum sucht man auf der Seite aber vergeblich. Der Bayerische Rundfunk hat sich in der BR24-Rubrik "Faktenfuchs" bereits ausführlich mit dem Charakter und den Inhalten dieser Internetseite auseinandergesetzt.
In dem Text auf "Swiss Policy Research" wird wiederum als Quelle dafür, dass der Schutz vor einer Delta-Infektion bei null Prozent liege, eine Prognose des University College of London verlinkt. Von einem Schutz von Null Prozent ist dort aber an keiner Stelle die Rede. Im englischen Originaltext heißt es:
Current estimates of the vaccination efficacy are:
• preventing exposure to infection: 19.2% (CI 15.4 to 22.8)
• preventing transmission following infection: 84.7% (CI 83.5 to 85.7)
• preventing serious illness when symptomatic (age 15-34): 74.0% (CI 73.3 to 74.8)
• preventing serious illness when symptomatic (age 35-70): 49.3% (CI 47.8 to 50.8)
• preventing fatality when seriously ill: 92.9% (CI 92.3 to 93.4)
Tatsächlich zu lesen ist hier unter "Aktuelle Schätzungen der Impfwirksamkeit" ("Current estimates of the vaccination efficacy"), dass der Schutz vor einer Ansteckung ("preventing exposure to infection") bei 19,2 Prozent liegt - die von "Swiss Policy Research" großzügig auf null Prozent abgerundet wurden. Doch die eigentliche Schutzwirkung der Impfung bezieht sich ja auf weitere Punkte: die Weitergabe des Virus zu verhindern, schwer zu erkranken oder gar an Covid-19 zu sterben.
Der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen im Fall einer symptomatischen Infektion ("preventing serious illness when symptomatic") liegt laut der genannten Prognose bei 74 Prozent in der Gruppe der 15- bis 34-Jährigen und bei 49,3 Prozent in der Gruppe der 35- bis 70-Jährigen. Im Fall schwerer Krankheitsverläufe könne die Impfung außerdem 92,9 Prozent der Todesfälle verhindern ("preventing fatality when seriously ill"), heißt es in der Originalquelle.
Unbestritten ist allerdings, dass der Schutz vor schweren Verläufen und Tod in Bezug auf die Delta-Variante leicht abgenommen hat.
Bezogen auf das Argument der steigenden Fallzahlen in England und Israel lässt sich sagen, dass die Zahl der Hospitalisierungen weit höher wären, wenn nicht bereits der überwiegende Teil der Bevölkerung geimpft wäre. Ein steigender Anteil von Geimpften auch unter den Hospitalisierten ergibt sich logischerweise, wenn wegen des weitgehenden Wegfalls der sonstigen Corona-Regeln weit mehr Menschen mit dem Virus in Kontakt kommen als zuvor.
Beeinflusst die Staatsangehörigkeit den persönlichen CO2-Fußabdruck?
In einem Kommentar zum Artikel "2030 ist das neue 2050 - Klimaschutz jetzt!" wird gefragt:
Was soll uns der Vergleich der Nationen eigentlich sagen?
Mein persönlicher CO2 Fußabdruck hängt sicher nicht an der Staatszugehörigkeit. Da macht es einen Unterschied, ob ich Fahrrad oder Auto fahre, ob und womit ich heize (und wieviel qm), Vegetarier bin oder Rindfleisch esse... usw.
Als nationaler Durchschnittswert werden zudem die CO2 Emissionen zusammenaddiert, völlig getrennt davon, ob sie durch das beheizen eines Swimmingpools oder das Befeuern eines Hochofens für Stahlerzeugung anfallen.
Und wie werden eigentlich die Emissionen der Industrie verbucht. Dort, wo sie anfallen, oder nach Staatsangehörigkeit der Eigentümer? Wie ist das bei Aktiengesellschaften, wo mehrere Eigentümer unterschiedlicher Nationen Anteile an einem Unternehmen haben?
Wie sieht es mit Stromerzeugung aus, die exportiert wird?
Richtig ist, dass der persönliche CO2-Fußabdruck sowohl von persönlichen Verhaltensweisen und Konsumentscheidungen abhängt als auch von Entscheidungen Dritter - etwa der Hauseigentümer im Fall von Mietverhältnissen. Die größten Faktoren sind Strom und Heizung - und hier kann durch Nutzung Erneuerbarer Energien und den Energiestandard des Hauses viel getan werden, wobei Wärmedämmung und Heizungsart in einer Mietwohnung nur gering beeinflussbar sind.
Flugreisen und Pkw-Nutzung fallen im Bereich Mobilität am meisten ins Gewicht, in der Ernährung kann durch Verzicht auf tierische Produkte einiges getan werden. Doch es verbleibt ein fester Posten von "öffentlichen Emissionen", laut Umweltbundesamt 0,86 Tonnen pro Bundesbürger:in.
Das sind die Emissionen, die durch den Betrieb öffentlicher Einrichtungen entstehen, etwa in Schulen, Krankenhäusern oder Behörden. Diese Zahl ist abhängig von dem Land, in dem wir leben. 0,86 Tonnen sind im Vergleich zu den 11,17 Tonnen, die ein Deutscher im Durchschnitt verursacht, natürlich nicht viel, gemessen am Ziel eines treibhausgasneutralen Lebens, bei dem laut Umweltbundesamt noch maximal eine Tonne CO2 pro Kopf erlaubt wäre, aber sehr viel. Zudem sind auch die Emissionen des persönlichen Verbrauchs von der Klimapolitik des Staates mitbestimmt, denn Subventionen beeinflussen viele unserer Konsumentscheidungen.
Die Emissionen der Industrieunternehmen werden dort verbucht, wo sie anfallen - nicht nach der Eigentumsstruktur der Unternehmen. Nicht in der CO2-Bilanz eines Staates verbucht sind hingegen die Emissionen für importierte Güter. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen schreibt hierzu:
Üblicherweise werden Emissionen dem Staat zugerechnet, in dem ein Produkt hergestellt wird, auch wenn es für den Export bestimmt ist (Territorialprinzip). Damit können Staaten mit hohem Exportüberschuss argumentieren, dass sie in ihrer Emissionsbilanz benachteiligt werden. Insofern ist es sinnvoll, auch die Emissionsbilanz von Importen zu betrachten (Verbrauchsprinzip). Für Deutschland ist dieser Effekt allerdings gering: Im Jahr 2015 entfielen in Deutschland ungefähr 506 Mt CO2 auf Importe und 579 Mt CO2 auf Exporte (Statistisches Bundesamt 2019, S. 6). Damit gleichen sich beide Ströme weitgehend aus. Daher kann in der weiteren Betrachtung das Territorialprinzip für Deutschland angewandt werden.
Ressourcenschonenderes Leben auf dem Land?
Eine ähnliche Argumentation wie zum CO2-Fußbadruck findet sich in diesem Kommentar zu einem Artikel zum Erdüberlastungstag:
Diese "wir" in "Erdüberlastungstag: Ab heute leben wir auf Pump!" gibt es nicht:
Ein Vergleich im Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung zwischen einem grünen Gutmenschen aus der Großstadt und einem gemeinen Dorfbewohner mit Acker und Garten könnte bestimmt erstaunliches zu Tage fördern.
Stichworte: SUV, CO2 Ausstoß, O2 Produktion, Feinstaub, Fäkalien, Abfall, Stromverbrauch, 4 Urlaubsflüge pro Jahr, exotische Früchte aus fernen Ländern, ....
Das "wir" gibt es einfach nicht und ist ein künstlicher Mittelwert um den parasitären Lebensstil bestimmter Bevölkerungsgruppen zu kaschieren: sowohl in Bezug auf die Gesellschaft - als auch auf die Umwelt.
Abgesehen davon, dass "parasitärer Lebensstil" ein politisch fragwürdiger Begriff ist, ist die Vorstellung, die Erde als Dorfbewohner:in mit eigenem Anbau von Nahrungsmitteln nicht zu überlasten eher eine Fiktion, wenn die Person nicht komplett autark lebt, das heißt: auch unabhängig von metallischen Rohstoffen und Konsumgütern. Bei der Berechnung der Erdüberlastung der CO2-Ausstoß spielen auch die Art der Wohnung, Energieversorgung und Mobilität eine wichtige Rolle. Und da wird das Haus im Grünen nicht unbedingt besser abschneiden als die Stadtwohnung, Mobilität findet auf dem Land oft - mangels anderer Angebote - mit dem eigenen Pkw statt.
Ein wichtiger Aspekt sowohl beim Ressourcenverbrauch als auch beim CO2-Ausstoß ist das Einkommen. Dies stellte das Umweltbundesamt in einer Studie von 2016 fest. "Wer mehr Geld hat, verbraucht meist mehr Energie und Ressourcen - und zwar unabhängig davon, ob sich jemand als umweltbewusst einschätzt oder nicht", hieß es dazu vom UBA. Der Energieverbrauch derjenigen, die über 3.000 Euro im Monat verdienten, war nach der Erhebung beispielsweise fast doppelt so hoch wie in der Einkommensgruppe bis 1.000 Euro im Monat. Logischerweise fällt daher die Belastung des Planeten durch Einwohner:innen armer Länder weit geringer aus als durch die reicher Industrieländer.
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