Like soll für Abschiebung reichen: Was wäre die Rechtsgrundlage?

Social-Media-Symbole auf Schaltflächen

Symbolbild: Pixabay Licence

Bezugspunkt ist das Delikt der Billigung von Straftaten. Aber auch, dass Betroffene eine schwerwiegende Gefahr darstellen müssen. Wann ist das gegeben?

Eine Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der entsprechende Kabinettsbeschluss sorgen aktuell für Diskussionen: Ist es rechtlich möglich, Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, aber bisher unbefristetem Aufenthaltsrecht in Deutschland abzuschieben, weil sie einen Social-Media-Post mit "Gefällt mir" markiert haben? Welche Gesetze müssten dafür angepasst werden?

Wir gehen hart gegen islamistische und antisemitische Hasskriminalität im Netz vor. (…)

Islamistische Hetzer, die geistig in der Steinzeit leben, haben in unserem Land nichts zu suchen.

Wer keinen deutschen Pass hat und hier terroristische Taten verherrlicht, der muss, wo immer möglich, ausgewiesen und abgeschoben werden. Dazu schaffen wir jetzt eine neue rechtliche Grundlage

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am 26. Juni 2024

Unter Terrorverherrlichung und "Verbreitung" entsprechender Inhalte kann laut Begründung des des Gesetzentwurfs in Zukunft auch "das Markieren eines Beitrags durch 'Gefällt mir' auf den Sozialen Medien wie YouTube, Instagram, TikTok etc." verstanden werden. Bezugspunkt ist der Straftatbestand der Billigung von Straftaten.

Ein falscher Klick und ab ins Flugzeug?

Also einmal falsch geklickt und schon von der Polizei zum Flughafen gebracht? - Ganz so einfach ist es nicht; selbst wenn auch der Bundestag den Gesetzentwurf beschließen sollte.

Zunächst ist Ausweisung ein Rechtsakt und nicht gleich Abschiebung. Wer ausgewiesen wird, lebt formell rechtswidrig in Deutschland, doch es kann rechtliche und praktische Abschiebehindernisse geben – wie etwa unklare Identität oder fehlende konsularische Kontakte zum Herkunftsland.

Ausweisung bei schwerwiegender Gefahr möglich

Ausweisungen sind grundsätzlich möglich, wenn eine Person ohne deutschen Pass aus Behördensicht "eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt", wie es in Paragraph 53 des Aufenthaltsgesetzes heißt.

Stephan Hocks, Fachanwalt für Migrationsrecht und Lehrbeauftragter an der Universität Gießen, hält genau das bei einem bloßen "Like" nicht für selbstverständlich.

"Das Aufenthaltsrecht möchte Menschen aus der Gesellschaft ausweisen, die eine Gefahr darstellen. Da muss man schon argumentieren, inwiefern ein Like sich irgendwo auswirkt", sagte Hocks im Gespräch mit dem ZDF.

"Die Umsetzung wird sicherlich sehr dünn werden am Ende des Tages", so seine Einschätzung. Er gibt zu bedenken, dass sich das Leben der Betroffenen für immer verändern würde.

Zweierlei Maß für Deutsche und Nichtdeutsche

Über die Sorglosigkeit, mit der manche "Likes" gesetzt werden, war im Fall der Berliner TU-Präsidentin Geraldine Rauch ausführlich diskutiert worden. Die deutsche Staatsbürgerin musste letztendlich aber nicht von ihrem Amt zurücktreten. Insofern stellt sich auch für viele, die ihr Verhalten kritisch sehen, die Frage, ob es gerecht und verhältnismäßig ist, wenn Menschen ohne deutschen Pass in vergleichbaren Fällen ausgewiesen und abgeschoben werden.

Die Oppositionspolitikerin und rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, geht davon aus, dass eine derartige Verschärfung des Ausweisungsrechts sich nicht nur gegen Islamisten und Antisemiten richten kann, sondern Ausdruck eines autoritären Staatsumbaus ist:

"Wenn es um autoritär regierte Staaten wie die Türkei oder Russland geht, empören sich Politiker:innen hierzulande zu Recht darüber, dass Menschen dort wegen eines 'Likes' in den sozialen Medien verfolgt werden oder gar im Gefängnis landen können. Allerdings bewegt sich die Bundesrepublik längst selbst in diese Richtung", erklärte sie.

"Präventivhaft für Klimaaktivist:innen, wochenlange Demonstrationsverbote, Hetze gegen Studierende und Lehrende, die sich für das Recht auf friedlichen Protest an Universitäten aussprechen, beispiellose Verschärfungen des Asyl- und Aufenthaltsrechts – all das sind Anzeichen eines autoritären Staatsumbaus, der dringend gestoppt werden muss."