Lindner allein zu Haus: Festhalten an Schuldenbremse schwer vermittelbar
"Es wird einsamer um mich", klagt Bundesfinanzminister Christian Lindner.
Die Abhängigkeit von Gas- und Öllieferungen aus dem nicht immer befreundeten Ausland hat die Bundesrepublik unverkennbar in eine tiefe Krise getrieben, deren Überwindung "der Markt" absehbar nicht regeln wird. Zwei der drei Koalitionsparteien – SPD und Grüne – sowie zunehmend auch Unionspolitiker fordern deshalb die Abkehr von der Schuldenbremse. Auch CSU-Chef Markus Söder hat sich inzwischen dazu gesellt.
Söder spricht von "Prinzipienreiterei"
Aus der Sicht des bayerischen Ministerpräsidenten geht "am Ende die Hilfe für Land, Leute und Wirtschaft vor Prinzipienreiterei", wie Söder nach Medienberichten am Mittwoch nach einer Klausurtagung seiner CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz bei Bad Staffelstein sagte.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht sich daher zunehmend isoliert: "Ich habe gesehen, dass es einsamer um mich wird, nachdem auch Markus Söder jetzt gesagt hat, die Schuldenbremse sei eine Prinzipienreiterei", sagte Lindner dem Nachrichtenportal The Pioneer.
"Wir" und die Notenbanken
In diesem Zusammenhang spricht Lindner meistens in der "Wir"-Form. "Wir sollten die Schuldenbremse achten und auch zu ihr möglichst im nächsten Jahr zurückkehren", erklärte er. In einem Gastbeitrag, der am Mittwoch im Spiegel erschienen war, hatte Lindner geschrieben: "Wir können nicht dauerhaft auf Pump arbeiten".
Deutschland habe 2023 bereits 30 Milliarden Euro für den Schuldendienst zu zahlen. Weitere Schulden hätten Konsequenzen. "Es ist kein Geld, das wir herbeizaubern. Es muss zurückgezahlt werden", sagte Lindner. Der Staat solle die Bemühungen der Notenbanken unterstützen. "Man muss schnell und hart handeln, damit sich die Inflation nicht dauerhaft verfestigt."
Zulässige Ausnahmen und Ausnahmezustand in Dauerschleife
Die erst 2009 beschlossene und im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse begrenzt die maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme. Ausnahmen für Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen sind allerdings zulässig - und der Ausnahmezustand scheint sich gerade zur Dauerschleife zu entwickeln:
Ein Ende des Ukraine-Krieges ist noch nicht absehbar; und die Sanktionspolitik gegenüber Russland in Frage zu stellen, wird selbst dann als Sympathiebekundung für den Aggressor skandalisiert, wenn es nur um die fragwürdige Effektivität der Sanktionen geht. Naturkatastrophen werden unterdessen häufiger; und das ist nach Meinung von Klimaforschern eine Folge der Versäumnisse bei der Energie- und Verkehrswende.
Diese Transformation endlich in Angriff zu nehmen, würde zwar erst einmal Geld kosten, mittel- bis langfristig aber größere Schäden verhindern, die nur zum Teil durch noch mehr Geld zu beheben wären. Das FDP-Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2021 war übrigens mit "Nie gab es mehr zu tun" überschrieben.
In Lindners Spiegel-Beitrag heißt es dagegen: "Nicht jedes Vorhaben des Koalitionsvertrags, so sinnvoll es auch sein mag, rechtfertigt eine Ausnahme von den Fiskalregeln." Und dieser Koalitionsvertrag wurde noch vor der aktuellen Energiekrise geschlossen.