Linke in der Krise: Wer beendet den roten Rosenkrieg?
Seite 2: Die Linke intern: Szene einer überfälligen Trennung
- Linke in der Krise: Wer beendet den roten Rosenkrieg?
- Die Linke intern: Szene einer überfälligen Trennung
- Auf einer Seite lesen
Linkskonservative, Bewegungslinke, Regierungslinke – Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin hat am gestrigen Dienstag die Spaltung der oppositionellen Linkspartei in all ihren Dimensionen beschrieben. Nun zeigen Informationen, die Telepolis vorliegen, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den Anhängern der verschiedenen Strömungen ist. Eine Zusammenarbeit vor allem in der Bundestagsfraktion scheint kaum mehr möglich. Eine Trennung scheint nur noch eine Frage der Zeit.
Nach Informationen aus der Fraktion zeigt sich das vor allem in einem zunehmenden Dissens gegenüber der Sanktionspolitik des Westens. Inzwischen besteht kein Konsens mehr darüber, was noch im Wahlprogramm 2021 stand: Wirtschaftssanktionen träfen vor allem die einfache Bevölkerung und müssten beendet werden: "Unilaterale Sanktionen der USA und EU, wie beispielsweise gegen Iran, Kuba, Syrien oder Russland, sind völkerrechtswidrig und drehen die Eskalationsspirale immer weiter."
So hagelte es Kritik, als die Abgeordnete Sevim Dagdelen im Juli eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zur "Erfolgskontrolle der Sanktionen gegen Russland" einreichte. Dagdelen-Widersacher Pascal Meiser schrieb an die Fraktion:
Ich gehe davon aus, dass diese in Tonalität und Inhalt durch und durch tendenziöse Anfrage, die nichts mit einer nüchternen "Erfolgskontrolle" zu tun hat, so nicht eingereicht wird - es sei denn, wir wollten als Fraktion mutwillig unser, insbesondere auf Grund unserer nachsichtigen Haltung gegenüber dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, eh schon bis aufs Äußerste ramponiertes Image weiter zerstören.
Pascal Meiser
Dagdelen wollte das nicht auf sich sitzen lassen und setzte in einer internen Antwortmail zum verbalen Gegenschlag an:
Dass die Politik von Sanktionen und Gegensanktionen nachteilige Wirkungen auch in Deutschland entfalten, wird man doch noch feststellen dürfen. Und man wird doch noch fragen dürfen – müssen! – ob diese Sanktionen denn auch irgendetwas nützen. Daran besteht erheblicher Zweifel, und zwar nicht nur bei mir. Wenn die Bundesregierung diese Zweifel nicht ausräumen kann, dann kommt sie in die politische Defensive. Ja, das ist tendenziös, einseitig und politisch, und das soll auch so sein.
Sevim Dagdelen
Die Fraktionsleitung hielt sich zurück, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, wollte sich im Juli auf Anfrage von Telepolis nicht zu dem Konflikt äußern – Kortes Büro begründete dies mit seinem "Sommerurlaub".
Die Kleine Anfrage ist schließlich mit mehrmonatiger Verzögerung eingereicht worden, die Antworten sind durchaus aufschlussreich.
An anderer Stelle hat die 4,9-Prozent-Fraktion weniger Probleme mit dem Sanktionsthema. Auf Initiative der Abgeordneten Gökay Akbulut wurde unlängst ein Antrag verfasst, der sich für Strafmaßnahmen gegen den Iran ausspricht. Das Papier nimmt damit eine Position ein, die dem Wahlprogramm aus Vorjahr explizit widerspricht.
Für Unruhe sorgte der Akbulut-Antrag vor allem aber, weil die Fraktionsführung entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten die Namen aller Abgeordneten der Fraktion auf das Papier setzte – ohne Rücksprache zu halten. Zumindest Zaklin Nastic, Sevim Dagdelen, Ali Al-Dailami und Sahra Wagenknecht forderten die Streichung ihrer Namen, heißt es aus Fraktionskreisen.
Auch an anderer Stelle rumort es. Die Leitung der Strömung Bewegungslinke forderte unlängst von der Linkspartei und ihrer Fraktion die "Erhöhung des wirtschaftlichen und diplomatischen Drucks", um die "finanziellen und wirtschaftlichen Kapazitäten Russlands" zur Kriegsführung zu limitieren. Das hätte auch von der FDP-Abgeordneten Agnes Strack-Zimmermann kommen können.
Die ehemalige Abgeordnete Christine Buchholz scheiterte mit ihrer Gegenrede und ihrer Forderung nach einer eingehenderen politischen Analyse. Ihr paralleler Verweis, dass nicht nur Wagenknecht in dieser Sache strittige Positionen einnimmt, sondern auch die Forderung des Linken-Genossen und Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, programmwidrig sind, verhallten ungehört.
Das alles wirkt wie eine Serie von Szenen einer Trennung. Die Frage ist, wann dem roten Rosenkrieg endlich ein Ende gesetzt wird.
Artikel zum Thema:
Claudia Wangerin: Die Linke am Rand der Spaltung: Welche Chancen hätten zwei neue Parteien?
Peter Nowak: Wagenknecht-Dilemma der Linken: Spaltung als Chance?
Harald Neuber: Alle reden vom Wetter. Wir auch
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.