Wagenknecht-Dilemma der Linken: Spaltung als Chance?
- Wagenknecht-Dilemma der Linken: Spaltung als Chance?
- Ist die Trennung unvermeidlich?
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Innerparteiliche Reaktionen auf die Wagenknecht-Rede von letzter Woche lassen wenig Hoffnung auf friedliche Koexistenz. Aber wäre die Trennung nicht auch eine Chance?
Es gebe keine Redeverbote im Bundestag, lautet die hilflose Erklärung des Fraktionschefs der Linken, Dietmar Bartsch, im Deutschlandfunk. Nach der auch innerparteilich vieldiskutierten Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag wurde nicht nur deren Ausschluss aus der Fraktion, sondern auch sein Rücktritt als Fraktionsvorsitzender gefordert.
Unterschriften für Offene Briefe werden zwar ständig gesammelt und sind meist schnell vergessen. Doch der Offene Brief, der von drei Politikerinnen der Linkspartei unter dem Motto "Es reicht" initiiert wurde, könnte mit entscheiden, ob es künftig noch Die Linke in Fraktionsstärke in Parlament geben wird. In dem Brief wir ein Ausschluss von Sahra Wagenknecht aus der Fraktion gefordert. Mittlerweile gehört mit Martina Renner eine profilierte Bundestagsabgeordnete der Linken zu den Unterzeichnerinnen.
Doch den Initiatorinnen dürfte klar sein, dass es dabei nicht bleiben würde. Weitere Unterstützer Wagenknechts würden dann wohl auch die Fraktion verlassen. Doch das ist eine hypothetische Frage. Schließlich hatten in der Fraktion bisher die Wagenknecht-Unterstützer die Mehrheit, was sich vor einigen Monaten an der Wahl von Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Ausschusses für Energie und Klimaschutz im Bundestag ebenso zeigte, wie dadurch, dass Wagenknecht letzte Woche ihre umstrittene Rede halten konnte.
Wie hilflos Bartsch darauf reagiert, zeigt sich daran, dass er über angebliche Redeverbote im Bundestag schwadroniert, die in dem Offenen Brief gar nicht gefordert wurden. Die Unterzeichner wollen verhindern, dass Wagenknecht im Namen der Fraktion Die Linke spricht.
Einige ihrer Kritikpunkte sind berechtigt: Wagenknecht stellte in ihrer kurzen Rede keine Programme zur sozialen Umverteilung vor, machte nicht die einkommensarmen Teile der Bevölkerung zum Bezugspunkt und gerierte sich als Verteidigerin des deutschen Wirtschaftsstandorts. Doch der zentrale Kritikpunkt ist, dass Wagenknecht von einem Wirtschaftskrieg sprach, den Deutschland gegen Russland führe.
Streit um zwei Taktiken
Nun ist es sicher richtig, darüber zu streiten, ob ein Embargo und ähnliche Maßnahmen wirklich probate Mittel sind, um zu einer Beendigung des Kriegs in der Ukraine zu kommen. Dass als Folge des russischen Einmarsches aber von den meisten Ländern des globalen Westens und auch von Deutschland ein Wirtschaftskrieg gegen Russland ausgerufen wurde, dürfte doch eigentlich unstrittig sein.
Die Frage dürfte sich auch stellen, warum in dem Offenen Brief nicht konsequenterweise Wagenknechts Ausschluss aus der Partei gefordert wird. Schließlich sind im Parteivorstand nach dem letzten Parteitag die Wagenknecht-Kritiker eindeutig in der Mehrheit, anders als in der Fraktion. Nun könnte man denken, dass auch diese Initiative versanden wird, wenn es in der Fraktion keine Mehrheit für den Ausschluss gibt.
Doch mit den Brief hat sich eine schon länger schwelende Auseinandersetzung in der Linken zwischen mindestens zwei unterschiedlichen Taktiken erheblich zugespitzt. Wagenknecht und ihr Flügel wollen vor allem subjektiv "unpolitische" Menschen ansprechen, aber auch "Protestwähler" rechter Parteien. Daher bedient sie eine sozialkonservative Argumentation, die Wagenknecht auch in ihrem Buch "Die Selbstgerechten" formuliert hat.
Sie und ihre Anhänger halten nichts davon, mit den Grünen um das bessere Umweltprogramm zu streiten. Sie wollen die Menschen ansprechen, die von der Politik enttäuscht sind und womöglich sogar rechts wählen. Daher bezog sich Wagenknecht auch positiv, auf eine Protestdemonstration gegen hohe Energiepreise in Prag, wo Rechte, aber auch Mitglieder der Kommunistischen Partei und viele "unpolitische" Menschen anwesend waren.
Wagenknechts Kritiker warnen hier vor einer Querfront und riefen stattdessen zu Großdemonstrationen wie "Unteilbar" auf, die von Wagenknecht und Co. wiederum kritisiert wurden, obwohl sich auch schon Mitglieder der von ihr mit ins Leben gerufenen Initiative "Aufstehen" an "Unteilbar"-Demos beteiligten. Wagenknecht & Co. sehen dort aber die überzeugten Linksliberalen weitgehend unter sich, ein Großteil der Bevölkerung werde damit nicht erreicht, so ihre Einwände.