Liveticker: Taliban beherrschen Afghanistan wieder

Wieder in der Hand der Taliban: afghanische Hauptstadt Kabul.Bild: Qais Musafer, CC BY-NC-ND 2.0

Islamisten nehmen Präsidentenpalast in Kabul ein, Präsident Ghani flieht. Panik in westlichen Staaten und Notevakuierungen

Montag, 15:30 Uhr: Wie steht es nun mit al-Qaida in Afghanistan? Die Übernahme der Taliban wird Auswirkungen auf die dschihadistischen Bewegung haben, da ist sich der französische France 24-Journalist und Dschihad-Experte Wasim Nassr sicher.

Er unterstreicht dies mit den vielen Treueeiden, die in der Vergangenheit von diversen al-Qaida-Führern auf das "Islamische Emirat der Taliban" geleistet wurde. So zum Beispiel auch 2017 vom Gründer der nordafrikanischen Dschihadistengruppe Jnim (Dschamāʿat Nusrat al-Islām wa-l-Muslimīn), Iyad Ag Ghali. Jnim, die in der Sahelzone operiert, ist eng mit al-Qaida verbunden.

Es gebe wenig Zweifel daran, dass der Taliban-Sieg durch al-Qaida-Mitglieder instrumentalisiert werde, so Nasr, "um das "Experiment mit dem Kalifat durch den Islamischen Staat" weiter zu diskreditieren und neue Kräfte zu rekrutieren. Allerdings, so Nasr, in einem aktuellen Interview, seien die Bindungen zwischen al-Qaida und den Taliban nicht mehr so eng persönlich wie noch zuzeiten des früheren Taliban-Führers Mullah Omar.

Es sei augenblicklich noch nicht klar, wie das Verhältnis aussehe. Nasr geht davon aus, dass sich die Taliban aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest eine Zeitlang an die Abmachungen mit den USA halten, wonach Afghanistan nicht erneut zu einer Plattform für al-Qaida und andere Dschihadisten werde, um von dort aus Anschläge auf westliche Staaten zu planen.

Zumindest was das Verhältnis zwischen den Taliban und al-Qaida betrifft, sind die Betreiber des US-Magazins Long War Journal, Thomas Joscelin und Bill Roggio vollkommen anderer Meinung. Seit Langem führen sie in ihrer Publikation Beispiele dafür auf, wie eng die Dschihadisten und die Taliban ideologisch und auch über personelle Verbindungen verbunden sind. Inwieweit da die Neocon-Agenda der beiden, die für den US-Think-Tank FDD arbeiten, die Sicht beeinflusst, wird sich erst noch herausstellen. Im Fall Syrien hatten sie den besseren Instinkt, was die Verknüpfungen zwischen Dschihadisten und al-Qaida angeht, als die herkömmliche Berichterstattung und die beschönigenden Infos der US-Regierung.

Zur Konkurrenz zwischen al-Qaida und den IS-Milizen merken sie an, dass die Rivalität möglicherweise in der Berichterstattung schärfer herausgestellt wird als dies wirklich der Fall ist: "Die ISIS-Kritik an der Allianz zwischen Taliban und Al-Qaida scheint heute nicht mehr so stark zu sein, oder?"

Beobachter hatten die letzten Tage zu den Bildern der Entlassenen aus dem US-Gefängnis in Bagram angemerkt, dass die Taliban die IS-Gefangenen unter ihre "Obhut" nahmen, während sie alle anderen auf freien Fuß ließen. Von anderen Quellen bestätigt wurde dies aber bisher nicht.

Offenkundig ist jedoch, dass sich sowohl islamistische Extremisten im Gazastreifen - so auch die Hamas, über den Sieg der Taliban freuten. Ebenso der al-Qaida-Ableger in Syrien, die Hayat Tahrir asch-Scham (HTS): Von Idlib aus beglückwünschte man die Taliban zum Sieg. Mit einem Gedicht und einer formellen Gratulation. (tpa)

Montag, 12:15 Uhr: Die Taliban haben ihre "schockierende Übernahme Afghanistans" am Sonntag vollendet; der Flughafen in Kabul sei die "letzte gesicherte Zone" für Menschen aus dem Westen und die Afghanen, die mit westlichen Kräften zusammengearbeitet haben und sich nun vor den Taliban fürchten, so das US-Militärmagazin Defense one gestern Abend. Sie stecken nun in der Falle.

Am Flughafen spielen sich schlimme Szenen ab. In sozialen Netzwerke kursieren Bilder und Clips von verzweifelten, die sich an Flugzeugen festhielten, wo sie konnten, und sich nicht mehr halten konnten, als das Flugzeug schon in beträchtlicher Höhe war.

Bilder aus Kabul vom ersten Tag nach dem Takeover von Kabul zeigen Taliban-Milizen, die mit US-Humvees durch die Straßen der Hauptstadt kreuzen. Auch Panzer und andere Militärfahrzeuge sollen den Taliban durch den hastigen Abzug der US-Militärs aus Kabul in die Hände gefallen sein.

Die Taliban haben mittlerweile eine Reihe von Checkpoints zwischen dem Flughafen und der Stadt aufgestellt. Diejenigen, die es nicht schaffen, über den Flughafen außer Landes zu kommen, sondern die Reise zurück nach Kabul antreten müssen, haben einen fürchterlichen Weg vor sich. Zwar haben die Taliban angekündigt, dass es eine Amnestie für die "Ortskräfte" geben wird, die mit westlichen Ländern zusammengearbeitet haben. Ob sich die Bewaffneten am Checkpoint daran halten?

"Schockierend" ist, wie wenig sich die westlichen Regierungen und Militärs auf eine derart eskalierende Situation am Flughafen vorbereitet haben. Der Kontrast zwischen der afghanischen Wirklichkeit und dem, was Geheimdienste und die US-Führung an Lageeinschätzungen veröffentlicht haben, wird nicht nur an dieser Notfallsituation auf haarsträubend und erschreckende Weise sichtbar. Wie gut arbeiten Geheimdienste, wenn es darauf ankommt? Der Legende nach haben sie so viel Macht und Wissen durch Überwachung, dass sie jede kleine Notiz auf einer Terrasse in einem Kabuler Hotel lesen können? Und bei Drohnen-Angriffen wird dieses Wissen regelmäßig auf mörderische Art bestätigt.

Im Frühsommer dieses Jahres gab die US-Regierung als worst case scenario aus, dass die Regierung in Kabul in zwei Jahren kollabieren könnte. Ende Juni berichtigte man die Einschätzungen auf sechs bis zwölf Monate. Im August wurde die Lage noch einmal korrigiert. Da hielt man die Übernahme der Regierung durch die Taliban "innerhalb von 90 Tagen" für möglich.

Noch am 15. August, so der schwedische Journalist Aron Lund, der die Timeline der Voraussagen beobachtet, ging man davon aus, dass die Taliban Milizen erst im Laufe des Monats Kabul erobern und die Regierung übernehmen könnten. Am Abend des 15. August schrieb dann Defense one vom schockierenden Takeover.

Hybris und Ignoranz sind die Stichwörter, die dem erfahrenen US-Analysten Stephen Simon zur Entstehung der augenblicklichen Situation in den Sinn kommen. Er selbst war auch mal Berater der US-Regierung für den Nahen Osten.

Wie kommt es, dass die Weltmacht USA fast zwanzig Jahre lang - zum Teil sehr große - Truppenkontingente in Afghanistan hielt und über einen Beraterstab verfügte, der sicher nicht nur inkompetent war, so wenig Ahnung von den Vorgängen in Afghanistan hatte? Weil sich die Militärführung der Regierung andiente und mit dem Schönfärben ein nächstes großes Budget garantiert war - auch für die Netzwerke der Security-Firmen ("contractors"), mit denen führende Militärs traditionell gut verbunden sind?

Weil die Führung der Weltmacht niemals bereit war, sich auf Lebens- und Denkweisen anderer Kulturen und Traditionen einzulassen - und stattdessen nur das eigene Geschäft im Auge behielt, das sich so gut mit den Korruptionskanälen in Afghanistan vereinbaren ließ. Wohin konnte der afghanische Präsident eigentlich fliehen? Nach Dubai? (tpa)

Montag, 11:45 Uhr: Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP will die Bundesregierung bis Ende des Monats rund 2.000 Ortskräfte über eine Luftbrücke aus Afghanistan ausfliegen lassen. Dafür sei der Einsatz mehrerer hundert deutscher Militärargehöriger vorgesehen.

"Einen entsprechenden Plan stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntagabend den Chefs der Bundestagsfraktionen vor", so AFP. Der Bundestag soll für den Einsatz kommende Woche nachträglich ein Mandat erteilen.

Mitglieder der deutschen Botschaft in Kabul und Angehörige sind offenbar zum internationalen Flughafen verbracht worden. In Regierungsaufstellungen wurden zuletzt 63 Mitarbeiter der Botschaft ausgewiesen.

Der Einsatz in Afghanistan wird die größte Evakuierungsmission seit Bestehen der Bundeswehr. Eingerichtet werden zur Evakuierung Krisenteams und Zwischenstationen in umliegenden Staaten.

Montag, 10:30 Uhr: Vertreter der Opposition haben das Verhalten von Außenminister Heiko Maas (SPD) angesichts der Rückkehr der Taliban zur Macht in Afghanistan scharf kritisiert.

Die Bundesregierung müsse nun "alles daran setzen, dass die deutschen Staatsbürger sicher Afghanistan verlassen können", sagte der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff im Interview mit der Tageszeitung Die Welt. Das gelte auch für die afghanischen Ortskräfte und deren engste Angehörige, die noch vor Ort sind. "Es ist beschämend, dass die Bundesregierung unfähig war, Ortskräften beispielsweise in Mazar-i-Sharif eine rechtzeitige Ausreise zu ermöglichen. Heiko Maas, Annegret Kramp-Karrenbauer und Horst Seehofer haben da auf ganzer Linie versagt."

"Während die Bundesregierung auf Forderung der Linken nach Evakuierung wochenlang nicht reagierte, ist der jetzt geplante Bundeswehreinsatz in Kabul nichts anderes als eine perfide Simulation von Handlungsfähigkeit nach der lange eingetüteten Übergabe Afghanistans an die Taliban", schrieb die Außenpolitikerin der Linken, Sevim Dagdelen, auf Twitter.

Auch die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat der Bundesregierung vorgeworfen, ehemalige Hilfskräfte der Bundeswehr im Stich zu lassen. "Zig Menschen haben in Afghanistan alles dafür getan, die Bundeswehr bei ihrem Einsatz zu unterstützen durch Dolmetschung, durch Infrastrukturbau, durch Fahrdienstleistung. Dass diese Menschen in den letzten Tagen im Stich gelassen worden sind, das ist wirklich fatal", zitiert die Nachrichtenagentur dpa Baerbock von einer Wahlkampfveranstaltung am Samstag in Hannover.

Nach Ansicht des AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Tino Chrupalla, zeigt der Siegeszug der Taliban, dass "selbst eine Weltmacht nicht weltweit für Ordnung sorgen kann". Die Bundesregierung dürfe nach ihrem "zwanzigjährigen Scheitern in Afghanistan" die Afghanen nun aber nicht tatenlos ihrem Schicksal überlassen.

"Sie muss vielmehr darauf drängen, dass die Nachbarstaaten Afghanistans mit der neuen afghanischen Regierung so bald wie möglich eine Konferenz unter Beteiligung der Vereinten Nationen abhalten. "

Montag, 08:15 Uhr: Die rasche Niederlage der vom Westen ausgebildeten Afghanischen Nationalarmee und der Regierung des Landes ist nach Ansicht des US-Nachrichtensenders CNN "ein Schock für (US-Präsident Joseph) Biden und hochrangige Mitglieder seiner Regierung".

US-Regierungsvertreter hätten erst im vergangenen Monat ihrer Überzeugung Ausdruck verliehen, dass es Monate dauern könnte, bis die Zivilregierung in Kabul falle, sodass die westlichen Truppen genug Zeit hätten, das Land zu verlassen.

Nur wenige Monate nach Zusicherungen, dass alle 2.500 US-Truppen bis Ende des Sommers aus Afghanistan abgezogen sein würden, haben nun 6.000 Soldatinnen und Soldaten zur Notevakuierung entsandt werden müssen, schreibt der Sender auf seiner Internetseite.

"US-Regierungsbeamte geben offen zu, dass sie falsch gelegen haben", heißt es in dem Bericht weiter.

"Tatsache ist, dass wir gesehen haben, dass diese Truppe nicht in der Lage war, das Land zu verteidigen", sagte Außenminister Antony Blinken mit Blick auf die nationalen Sicherheitskräfte Afghanistans. Der Fall sei schneller vonstatten gegangen, "als wir erwartet hatten".

Montag, 07:03 Uhr: Großbritanniens Premierminister Boris Johnson hat die Nato-Mitgliedsstaaten davor gewarnt, die Taliban nach deren erneuter Machtübernahme in Afghanistan als Regierungskraft anzuerkennen. Dafür seien zunächst Absprachen unter den westlichen Staaten notwendig.

Zwar sei abzusehen, dass es nun eine neue Regierung in Kabul gebe. Dennoch sei es "wichtig, dass der Westen zusammenarbeitet, um dieser neuen Regierung, seien es die Taliban oder jemand anderes, zu verdeutlichen, dass niemand ein Afghanistan als Brutstätte für Terrorismus will“, so der konservative Regierungschef.

Vor weiteren Krisentreffen in London sei jedoch unklar, was die Regierung Johnson überhaupt unternehmen könne, schrieb die Tageszeitung Telegraph:

Das Mindeste, was sie anbieten könnte, ist die Aufnahme aller Afghanen, die während des Konflikts für die britischen Streitkräfte gearbeitet haben. Doch für diejenigen, die noch dort festsitzen, könnte es jetzt zu spät sein. Sollte es zu Gesprächen mit den Taliban kommen, muss die Sicherheit dieser Menschen eine absolute Bedingung der Nato-Seite sein. Die Wahrheit ist jedoch, dass die Taliban es nicht nötig haben zu verhandeln

Telegraph

Montag, 06:00 Uhr: Soldaten der US-Armee haben auf dem Flughafen von Kabul Warnschüsse abgegeben, um eine große Menschenmenge vom Rollfeld zu vertreiben sowie die Start- und Landebahnen unter Kontrolle zu bringen. Er habe große Angst, zitiert die Nachrichtenagentur AFP einen Zeugen: "Sie feuern viele Schüsse in die Luft."

Nachdem die radikalislamischen Taliban am Sonntag die afghanische Hauptstadt eingenommen haben, stürmten tausende Menschen den internationalen Flughafen der Stadt. Viele von ihnen wollen sich und ihre Familien in Sicherheit bringen. Grund sind auch die offenbar zu spät eingesetzten Evakuierungsmaßnahmen der Nato-Staaten, die bis vor wenigen Wochen militärisch präsent waren.

Die Bundeswehr hat am heutigen Montag eine erste Maschine zur Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Ortskräfte nach Kabul geschickt. Das Transportflugzeug des Typs A400M ist vom niedersächsischen Fliegerhorst in Wunstorf gestartet.

Montag, 01:15 Uhr: 6.000 US-Soldaten, die für die Absicherung von Kabul abkommandiert waren, sollen nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN das Gelände des internationalen Flughafens der afghanischen Hauptstadt sichern. Dies berichtete der Sender unter Berufung auf einen Vertreter des US-Verteidigungsministeriums.

Der massive Einsatz sei nötig, weil hunderte Afghaninnen und Afghanen zum Flughafen strömten, um zu versuchen, Flüge zu bekommen. Auch steige die Gefahr von Angriffen durch die Taliban.

CNN zitiert den Beamten mit den Worten, die weiteren Evakuierungsflüge müssten in einer sicheren Atmosphäre stattfinden. General Frank McKenzie, der Befehlshaber des US CENTCOM, traf sich am Sonntag mit Taliban-Führern in Doha, Katar. Der US-General habe dabei betont, die einzige Aufgabe der USA bestehe darin, die Menschen außen Landes zu bringen.

Der ursprüngliche Evakuierungsplan, der 3.000 Soldaten vorsah, sei von einer ruhigen Lage ausgegangen, so der Beamte. Als sich die Sicherheitslage plötzlich weiter verschlechterte, musste das Pentagon die Zahl der Einsatzkräfte verdoppeln.

Montag, 00:45 Uhr: Angehörige der deutschen Botschaft in Kabul sollten noch im Laufe des Sonntags aus Kabul ausgeflogen werden, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) bekannt gab. Nach unterschiedlichen Medienangaben sollten am Sonntag oder Montag Transportflugzeuge der Bundeswehr aufbrechen. Ziel sei es, "bei den notwendigen Evakuierungsarbeiten zu unterstützen und diese dann auch in den kommenden Tagen durchzuführen", so Maas.

Zuvor hatte der SPD-Politiker getwittert:

Ich habe heute Morgen entschieden, das Personal der Botschaft Kabul zum militärischen Teil des Flughafens zu verlegen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort inzwischen eingetroffen und stellen ihre Arbeitsfähigkeit her. Für heute Nachmittag habe ich erneut den Krisenstab der Bundesregierung einberufen, um Sofortmaßnahmen zur Sicherung und zur Ausreise deutscher Bediensteter und weiterer gefährdeter Personen aus #Afghanistan auf den Weg zu bringen.

Heiko Maas

Bei Usern provozierte dieser Tweet weitgehend Kritik. „Wie kann man jetzt erst mit Evakuierung beginnen. Das hätte bereits vor Tagen abgeschlossen sein müssen“, schrieb User @Fischer69053465. Ein anderer User schrieb: "Und das fällt dir ein nachdem das Land die letzten 3-4 Wochen komplett vor die Hunde geht?"

User @islieb? schrieb: "Das mit der Ausreise "weiterer gefährdeter Personen" wird aber schwierig werden. Hab gegoogelt und scheinbar sind knapp die Hälfte der Bevölkerung Frauen. Die passen nicht alle in zwei Flugzeuge."

Montag, 00:10 Uhr: Für die USA und die Nato ist die Rückkehr der radikalen Islamisten an die Macht in Afghanistan eine herbe Niederlage, die lange nachwirken wird. So auch für die Bundeswehr, die bis Ende Juni mit rund 1.000 Soldatinnen und Soldaten in Masar-i-Scharif stationiert war. Am Samstag wurde die Stadt von den Taliban kampflos im Handstreich eingenommen. Nahe des deutschen Feldlagers Camp Marmal, wo noch vor gut sechs Wochen die deutsche Fahne wehte, weht nun das Banner der Taliban.

Präsident Ghani versuchte auf Facebook, seine Flucht zu rechtfertigen. Wäre er in der Hauptstadt geblieben, so hätte dies seinen Landsleuten Tod und Zerstörung gebracht, heißt es in dem Posting. Ghani versuchte damit zu suggerieren, die Truppen der Afghanischen Nationalarmee und die Polizei hätten für ihn und seine Regierung gekämpft.

Die Realität der vergangenen Tage sah anders aus: Im ganzen Land waren Mitglieder der Sicherheitskräfte Hals über Kopf geflohen und hatten Kasernen und Stationen den radikalen Islamisten überlassen. Soldaten, Polizisten, Regierungsvertreter und Beamte setzten sich mit ihren Familien scharenweise in umliegende Staaten wie Usbekistan und Tadschikistan ab.

Montag, 00:00 Uhr: Fast genau 20 Jahre nach der US-geführten Intervention in Afghanistan und nur wenige Monate nach dem Abzug der Nato-Truppen haben die radikalislamischen Taliban das zentralasiatische Land wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Am Sonntag nahmen ihre Kämpfer offenbar ohne weiteren Widerstand den Präsidentenpalast in Kabul ein. Der prowestliche Präsident Aschraf Ghani war zuvor außer Landes geflohen. Nach unbestätigten Medienberichten setzte er sich nach Tadschikistan ab.

Die Taliban hatten nach dem weitgehenden Abzug westlicher Truppen in einem atemberaubenden Tempo alle Provinzhauptstädte einnehmen können. In den vergangenen eineinhalb Wochen weiteten sie ihren Einflussbereich massiv aus.

Mit der Einnahme der Millionenmetropole Kabul haben sie das Land nun ebenso schnell wieder unter ihre Kontrolle gebracht, wie sie nach der westlichen Intervention in Folge des bis heute umstrittenen UN-Sicherheitsratsbeschlusses 1368 gestürzt worden waren.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.