Lockdown: Nächste Runde

Grafik: TP

Die heute erwartete Verlängerung könnte nicht die letzte sein

Heute um 11 Uhr konferieren die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer mit Kanzlerin Angela Merkel über eine Verlängerung des am 16. Dezember verhängten harten Lockdowns über sein eigentliches Ablaufdatum 10. Januar hinaus. Dass es so eine Verlängerung geben wird, wurde Medienberichten nach bereits am Samstag in einer elektronischen Konferenz der Staatskanzleichefs deutlich.

Dafür sprechen auch fast alle öffentlichen Äußerungen beteiligter Politiker im Vorfeld - vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder über seinen nordrhein-westfälischen Amtskollegen Armin Laschet bis hin zum Sachsen Michael Kretschmer. Lediglich der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil äußerte sich mit einem Verweis auf die Notwendigkeit "gesicherter Grundlagen" für "weitreichende Entscheidungen" etwas zurückhaltender.

Zahlen sind Interpretationssache

Die Grundlagen, auf die er sich dabei bezieht, sind zumindest zum Teil Interpretationssache. Auch, wenn es sich dabei um Zahlen handelt. So lag beispielsweise die Zahl der positiv ausgefallenen Sars-CoV-2-Tests gestern mit 10.356 deutlich unterhalb der 33.825 vom 15. Dezember - dem Tag, vor dem der Lockdown in Kraft trat. Gegner seiner Lockerung argumentieren jedoch, diese Drittelung sei nur aussagekräftig, weil wegen der Weihnachtsfeiertage mehr Urlaub gemacht und weniger getestet werde. Dagegen spricht, dass die Zahl der Positivtests in den letzten Dezembertagen zwischen Weihnachten und Neujahr, für die das in noch stärkerem Ausmaß gelten müsste, zwei Mal über 19.000 lag.

Ein weiteres Argument der Lockerungsgegner ist, dass die aktuellen Zahlen wegen der Inkubationszeit möglicherweise noch nicht die während der Feiertage erfolgten Ansteckungen wiedergeben. Allerdings ist gar nicht gesichert, dass es an diesen Feiertagen überhaupt mehr Anstecklungen gegeben haben muss. Vielleicht waren es ja auch weniger, weil viele Leute nicht zur Präsenzarbeit mussten und öffentlichen Verkehrsmitteln fernbleiben konnten.

Den Informationen der Bild-Zeitung nach ist seit gestern Abend auch geklärt ist, das ist, dass der Lockdown nicht nur um zwei Wochen bis zum 24., sondern um 3. Wochen bis zum 31. Januar verlängert wird. Der CSU-Mann Söder hatte hier zusammen mit den sächsischen und saarländischen CDU-Ministerpräsidenten Kretschmer und Hans und dem Thüringer Linken Ramelow für diese dreiwöchige Verlängerung plädiert.

Streitpunkt Schule

Eine verhältnismäßig offene Frage ist dagegen die der Wiedereinführung des Präsenzschulunterrichts, der einer neuen Untersuchung nach in Hamburg als "Infektionstreiber" wirkte. Bei vorherigen Beteuerungen von Politikern, das sei nicht der Fall, trübten möglicherweise - ähnlich wie bei Äußerungen zum Öffentlichen Nahverkehr - Wünsche den Blick auf die Realität.

Söder warnte deshalb in der Bild am Sonntag vor einer "überstürzte[n] Öffnung von Schulen und Kitas". Stattdessen plädiert er für einen weiteren Ausbau "digitaler Angebote" (vgl. Schule als Strafe) und eine "flexible Anpassung" der Lehr- und Klausurenpläne wie in Bayern, wo man seinen Angaben nach bereits den Umfang der prüfungsrelevanten Abiturthemen verringert hat. Ein anderer möglicher nächster Unionskanzler - der CDU-Politiker Friedrich Merz - befürwortet eine weitgehende Wiedereinführung des Präsenzunterrichts ab dem 11. Januar. Er nimmt allerdings nicht an der heutigen Telekonferenz teil.

"Stell Dir vor es ist Lockdown und jeder macht auf"

Noch unklar ist, ob und welche Ländervertreter es wagen werden, Merkel auf den Mangel an Impfstoff anzusprechen. Der ist den Recherchen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zufolge vor allem darauf zurückzuführen, dass sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Wünschen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron beugte und statt auf den BioNTech-Impfstoff oder auf den von Moderna auf die Fehlentwicklung des französischen Unternehmens Sanofi setzte.

Im Landkreis München werden deshalb auch für über 90-Jährige noch nicht einmal Impftermine vergeben. Der Linksfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch befürchtet, dass wegen der aus dem Mangel resultierenden "riesigen Impflücke […] aus dem Januar-Lockdown eine Endlosschleife zu werden" droht. Dann wäre die heute anstehende Verlängerung nicht die letzte.

Wird der Lockdown weiter verlängert, könnte das die wirtschaftlichen Sorgen mancher betroffener Unternehmer möglicherweise nicht nur linear, sondern exponentiell vergrößern. In den Niederlanden hat eine Reihe von Gastwirten wegen dieser Sorgen bereits angekündigt, jede Lockdown-Verlängerung über den 17. Januar hinaus zu ignorieren. In Deutschland gibt es bislang noch nichts Vergleichbares, aber Slogans und Hashtags wie "Stell Dir vor es ist Lockdown und jeder macht auf" oder #WirMachenAuf.

Als Oliver Nawotke, der Landesvorsitzende der "Jungen Polizei" in Mecklenburg-Vorpommern, darauf ein #WirMachenEuchWiederZu twitterte, musste er die Erfahrung machen, dass es diesbezüglich zumindest auf Twitter gewisse Meinungsunterschiede zwischen Staatsdienern und Nichtstaatsdienern zu geben scheint. Als Reaktion auf die Kritik tauschte er dort sein Profilfoto mit Lauterbach-Fliege gegen eines mit Kapuzenpullover aus.

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