"Lokdown", 2. Akt: Eine sehr überzeugende Aufführung der GDL
Seit heute wird der Personenverkehr der Bahn erneut für 48 Stunden weitgehend lahmgelegt. Und die GDL steht nicht alleine. Auch in Berliner Kliniken wird gestreikt
Am Wochenende begann die zweite Streikwelle der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in der laufenden Tarifauseinandersetzung mit der Deutschen Bahn. Bereits seit Sonnabend wird der Güterverkehr bestreikt, ab Montagmorgen dann auch für 48 Stunden der Personennah-, Regional- und Fernverkehr. Anders als bei der ersten Arbeitsniederlegung hat die GDL ihren Ausstand mit einigen Tagen Vorlauf angekündigt, um den Bahnkunden mehr Zeit für die Suche nach Transportalternativen zu geben. Entsprechend ruhig und unaufgeregt ist diesmal die Lage auf den meisten deutschen Bahnhöfen.
Bahn AG wirft mit Nebelkerzen
Mit einem recht durchsichtigen Manöver hat das Bahn-Management am Wochenende versucht, wenigstens den erneuten Streik im Personenverkehr erneut abzuwenden. Doch ihr vermeintliches "Angebot" für eine einmalige Sonderzahlung ("Corona-Prämie") entpuppte sich schnell als Luftnummer. Genannt wurden weder eine Summe noch ein Auszahlungstermin, es sollte lediglich darüber verhandelt werden. Für die GDL ist das natürlich vollkommen unakzeptabel. "Der Bahnvorstand hat bis jetzt nicht begriffen, dass ein konkretes Angebot nicht das "in Aussicht stellen" eines Angebotes bedeutet", erklärte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky dazu am Sonntag.
Das Management bleibe bei seiner Taktik "Täuschen, Tricksen, Taschen füllen". Nach wie vor gebe es keine Gesprächsbereitschaft des Unternehmens zu den Kernforderungen der Gewerkschaft: keine Nullrunde für 2021, keine Absenkung der Betriebsrenten, keine Verschlechterung der Schichtplanregeln. Die GDL sei immer verhandlungsbereit, "aber nur auf der Grundlage eines Angebots, das diesen Namen auch verdient", so Weselsky weiter. So bewerte man die Offerte als einen weiteren Versuch, Fahrgäste und Öffentlichkeit "hinters Licht zu führen und gezielt Wut und Frust gegen die GDL zu entfachen."
Medien regieren unterschiedlich
Was die aktuelle mediale Rezeption der Tarifauseinandersetzung betrifft, ist das der Bahn teilweise auch gelungen. Kommentiert wird teilweise direkt aus der untersten Schublade heraus. So spricht der Deutschlandfunk in einem Kommentar von einem "absurden Theater", das Weselsky "in breitestem Dresdner Sächsisch" aufführe, "um den Lokomotivführerkollegen, den Stellwerksmitarbeiterinnen und den Werkstattschlossern bei der Deutschen Bahn vorzuführen, wie unbeugsam, wie heldenhaft er für ihre Sache kämpft" Der Kommentator führt dann gar die zugespitzte Lage in Kabul als Argument dafür ins Feld, dass die GDL ihren Streik schleunigst aufgeben sollte.
Nicht ganz so primitiv klingt das bei der FAZ. "Ist aber die Zeit schwerer wirtschaftlicher Belastungen der Bahn nach der Corona-Krise geeignet, um mit ultimativen Lokführerstreiks einen solchen Machtkampf auszufechten? Nein". Es bleibe der Verdacht, dass die GDL einen politischen Streik führe, "weil sie sich in ihrem Machtstreben behindert sieht".
Im Handelsblatt wird sogar angeregt, die aktuelle Auseinandersetzung zum Anlass zu nehmen, das Streikrecht einzuschränken. Weselsky habe "eine rote Linie überschritten", schreibt Jens Koehnen. Es sei an der Zeit, "solch ausufernden Machtkämpfen, die nichts mehr mit der Vertretung von Arbeitnehmern zu tun haben, die Grenzen aufzuzeigen. Den Hebel dafür gibt es bereits: Es ist die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen. Sie gilt es juristisch nachzuschärfen".
Es gibt allerdings auch andere Stimmen. So schreibt Juriok Caspar Isar in der Zeit: "Der Frust der Bahnkunden über Zugausfälle ist verständlich. Die heftige Kritik an der GDL aber ist unfair. Die Lokführer haben gute Gründe für ihren Arbeitskampf." Und der Berliner Tagesspiegel merkt an: "Die Bahn hat sich mit dem als "Bündnis für die Bahn" verkauften Billigtarif mit der (konkurrierenden DGB-Gewerkschaft) EVG im vergangenen Jahr selbst geschadet, weil das eine dankbare Vorlage war für die GDL, sich von der verhassten abzuheben. Weselsky wird mehr rausholen als die EVG - und die Bahn muss dann der EVG nachzahlen. Die Strategie des Bahn-Vorstands ist eine Lachnummer".
GDL lässt sich nicht beirren
Die GDL wird dies alles mit Interesse zur Kenntnis nehmen, aber ihre Vorgehensweise wohl kaum ändern. Auch der aktuelle Streik ist ausgesprochen wirksam, rund drei Viertel aller Personenzüge fallen aus, es gibt lediglich auf einigen Strecken einen Notbetrieb mit ausgedünnten Taktzeiten. Auch die Auswirkungen auf den Wirtschaftsverkehr sind erheblich. Und falls die Bahn nach dem Ende der aktuellen Streikwelle kein verhandlungsfähiges Angebot zu den Kernforderungen der Gewerkschaft vorlegt, wird es weitere Arbeitsniederlegungen geben, voraussichtlich länger als bisher und auch an Wochenenden.
Mit ihrem Kampf gegen Lohnabbau, Sozialdumpung und verschlechterte Arbeitsbedingungen steht die GDL nicht alleine. Am Montag begann in Berlin ein dreitägiger Streik des Pflegepersonals bei den großen öffentlichen Krankenhauskonzernen Vivantes und Charité. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert einen Entlastungstarifvertrag mit verbindlichen Personalschlüsseln für die Betreuung der Patienten und die Eingliederung des in Billigfirmen ausgelagerten Reinigungs-, Transport- und Küchenpersonals in den Tarif des öffentlichen Dienstes. GDL und ver.di machen also vor, wie der Widerstand gegen den absehbaren großen Kahlschlag nach der kommenden Bundestagswahl aussehen kann. Und das ist auch gut so.