Lützerath: Die unnötige Kohle

Lüzerath. Bild (29. November 2021): © Superbass / CC-BY-SA-4.0

An der Basis der Grünen brodelt es, da man sich von RWE über den Tisch gezogen fühlt. In der Parteiführung biegt man sich die Lage gegen alle Studien zurecht, die demonstrieren, dass die Kohle nicht gebraucht wird.

Derzeit wird allseits, auch auf Telepolis, über das Dorfs Lützerath berichtet, das nach Willen der schwarz-grünen Landesregierung alsbald geräumt werden soll, um an die Kohle zu kommen, die sich unter dem Ort befindet.

Dass dies ausgerechnet mit grüner Beteiligung passiert, könnte, wie die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, zum Super-Gau für die Partei werden. Denn die Kohle unter dem Dorf wird genauso wenig gebraucht wie der Strom aus dem sogenannten Streckbetrieb.

Die Grünen sind offensichtlich zu einer Umfaller-Partei geworden, wie es früher die FDP war, die einst öfter als Partei der "Wendehälse" bezeichnet wurde. Die Grünen versuchen nun der eigenen Basis "Umweltverbrechen" zu verkaufen. Dabei wurde die Partei gewählt, um der Klimakatastrophe zu begegnen oder den Ausstieg aus der Atomkraft zu vollziehen. Wie die Partei ihre Wähler belogen und betrogen hat, kann man auch an Lützerath gut darstellen.

#RWE baggert #Luetzerath ab, um weiter dreckige Kohle zu verfeuern. @arminLaschet und seine Landesregierung sehen zu. Dabei beweisen Gutachten: Das ist vollkommen unnötig. Wir fordern ein Moratorium für die bedrohten Dörfer 🏘! #AlleDoerferBleiben @AlleDoerfer #NRWE"

Twitter

Was sich wie ein Tweet von der "Fridays for Future" (FFF) oder der "Letzten Generation" liest, ist ein offizieller Tweet von "B'90/Die Grünen NRW" vom 18. Januar 2021. Das war natürlich vor den Landtagswahlen vom 15. Mai, weshalb man der Partei angesichts der Entwicklung vorwerfen kann, ihre Versprechen gebrochen oder ihre Wähler belogen zu haben.

Denn inzwischen verkauft genau diese Partei eine angebliche Notwendigkeit, die Kohle unter Lützerath doch abzubaggern. Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur versteigt sich im ZDF-Interview sogar zu dieser Aussage:

Wir brauchen kurzfristig die Kohle unter Lützerath.

Mona Neubaur im ZDF

Natürlich durfte in der Argumentation der "Angriffskrieg Russlands" nicht fehlen, um zu erläutern, dass man auf den Klimakiller Kohle nun nicht verzichten könne. Es sei notwendig, "temporär mehr Braunkohle zu verstromen".

Das ist schon angesichts prall gefüllter Gasspeicher – 91,2 Prozent in Deutschland, 83,05 Prozent in der EU bei steigender Tendenz – reichlich fragwürdig. Dazu kommt noch, dass schließlich auch drei Atomkraftwerke nicht, wie versprochen, abgeschaltet wurden, angeblich, um die Stromversorgung zu sichern.

Kohle aus Lützerath wird nicht benötigt

Immer wieder haben diverse ehemalige Bündnispartner der Grünen mit Verweis auf Gutachten aufgezeigt, dass die Kohle aus Lützerath nicht benötigt wird. Das rechnen zum Beispiel Umweltverbände wie der Bund vor.

Doch nicht nur von Umweltverbänden, wie man es erwarten kann, kommen solche Ergebnisse – sondern auch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

In dessen 30-seitiger Analyse heißt es: Will Deutschland die Klimaziele einhalten und die globale Erhitzung auf maximal 1,5 °C begrenzen, dann "dürfen aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler II ab Januar 2021 noch maximal 200 Millionen Tonnen Braunkohle für die Kohleverstromung und -veredelung gefördert werden".

Für die Einhaltung der vereinbarten Klimaschutzziele müssten daher zusätzliche Tagebauverkleinerungen berechnet werden, "die sich aus den notwendigen früheren Kraftwerksstilllegungen ergeben".

Neubaur hatte aber mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Deal mit der RWE als Sieg verkündet. Über das Opfer Lützerath könne der Braunkohleausstieg im rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen werden, also acht Jahre früher als ursprünglich geplant.

Das darf bezweifelt werden. Susanne Götze schreibt im Spiegel von einem "toxischen Deal". Das Nachrichtenmagazin zeigt ebenfalls auf, dass die Kohle unter Lützerath nicht gebraucht wird.

Das Kurzgutachten der Firma BET und der landeseigenen NRW.Energy4Climate, das 280 Millionen Tonnen als Bedarf errechnet, auf das sich die schwarz-grüne Landesregierung stützt, wird als "Schnellschuss" bezeichnet, der "zulasten der Glaubwürdigkeit" geht. Die Sache erinnert an das Gefälligkeitsgutachten zur Atomkraft aus Bayern.

Auch Götze zitiert im Spiegel das DIW:

Die Abbaggerung weiterer Dörfer wegen darunterliegender Braunkohlevorräte ist für den Braunkohlestrombedarf jedoch nicht notwendig.

Susanne Götze, Spiegel

Gefragt wird, "ob die beiden Minister in den Verhandlungen vom vergangenen Herbst nicht sogar von RWE instrumentalisiert wurden".

Auch die Forschungsgruppe FossilExit geht davon aus, dass die Zerstörung des Dorfes "weder energiewirtschaftlich noch energiepolitisch notwendig" sei. Das "geschieht primär, um den Gewinn von RWE zu erhöhen". Auch diese Forscher gehen davon aus, dass "Gewinnung der Kohle unter Lützerath dazu führt, dass wir sowohl die 1,5-Grad-Grenze einreißen als auch gegen das deutsche Klimaschutzgesetz verstoßen".

Und sie äußert eine Vermutung:

Was die Mengenbilanz angeht, könnte es höchstens dann noch dazu kommen, dass die Kohlevorräte unter Lützerath noch verwendet werden, wenn wir i) den NRW-Braunkohleausstieg 2030 wieder brechen und die Verstromung weit darüber hinaus geht und ii) auch die Braunkohlekraftwerke am Netz bis dahin weiterhin mit voller Last gefahren werden. Davon geht aber in energiewirtschaftlichen Prognosen niemand mehr aus.

FossilExit Forschungsgruppe

Das erinnert doch auch sehr an den erneut nicht umgesetzten Ausstieg aus der Atomkraft.

Es ist klar, dass es auch an der Basis der Partei brodelt. "Aber bei #Lützerath finde ich würde uns vor allen Dingen Selbstkritik gut zu Gesicht stehen und einzuräumen, dass der Deal mit #RWE falsch war", twittert zum Beispiel Jürgen Kasek, Mitglied der Grünen "seit mehr als 20 Jahren. Auf Nachfragen schreibt er weiter: "Ab 2030 ist Kohleverfeuerung nicht mehr wirtschaftlich."

Auch er kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt nicht "weniger Kohle verbrannt wird, sondern bis 2030 die Kohleverbrennung "intensiviert wird".