CSU für Energienotstand in Bayern verantwortlich
Die Debatte um Laufzeiten und Streckbetrieb ist ein Manöver, um wie in Frankreich von einer völlig verfehlten Energiepolitik abzulenken. Ein Kommentar.
Jetzt sollten die Grünen, die offenbar bereit sind, auch in der Frage des Streckbetriebs von Atomkraftwerken umzufallen, endlich etwas Rückgrat zeigen. Denn die Strom-Misere, in die Bayern vielleicht im Winter gerät, wäre hausgemacht. Deshalb trommeln ganz besonders die CSU und die Landesregierung samt den Freien Wählern für einen Streckbetrieb oder für eine Laufzeitverlängerung. Man will sogar schon stillgelegte Altmeiler wieder ans Netz bringen.
Dabei ist allen, die sich damit ein wenig beschäftigt haben, das Versagen in Bayern klar: Es war der damalige Heimatminister und heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der im April 2015 angekündigt hatte, über das Landesentwicklungsprogramm neue Strom-Trassen zur Stromversorgung der Bayern aus dem Norden blockieren. "Ich finde das eine gute Idee", erklärte Söder damals.
"Immer den leichtesten Weg gegangen"
Jetzt hat auch der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) allein die CSU für die Notlage in Bayern verantwortlich gemacht. Denn das ist die Partei, die seit Jahrzehnten ohne Unterbrechung die Regierungen in dem südlichen Bundesland stellt. "Die Bayerische Staatsregierung ist in den letzten beiden Jahrzehnten in Sachen Energieversorgung immer den leichtesten Weg gegangen", sagte Hauptgeschäftsführer Detlef Fischer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Man habe Kraftwerke abgeschaltet, "Stromtrassen als Monsterbauwerke bezeichnet, Pumpspeicherkraftwerke verhindert und den Windkraftausbau verzögert", fügte er an. Man habe Angst vor Wutbürgern gehabt, der gegen alles sei, was ihn irgendwie betrifft. "Das war die Koalition mit dem Bürger à la Seehofer", sagte Fischer.
Das ist aber eine etwas banale Erklärung, die so tut, als könnten Bürgerproteste einfach die Politik beeinflussen. Denn bei anderen Vorhaben, die sich mit den Interessen der CSU und der Regierung decken, geht man keineswegs zimperlich mit Menschen um, die gegen die Bayern-Politik protestieren. Man hat halt etwas gegen Bürgerenergie nach dem Vorbild der EWS in Schönau; man hat etwas gegen die Demokratisierung der Energie und betreibt gezielt Politik für Großkonzerne und schiebt dafür Heimatschutz vor.
Verstrickungen: Massive Kritik am Tüv-Süd-Gutachten
Diese Verstrickungen bringen dann Gefälligkeits-Gutachten des TÜV Süd hervor (vgl. AKW-Laufzeitverlängerung, um Atom-Frankreich vor dem Blackout zu retten?).
Sogar die Bundesregierung zweifelt das "Gutachten" an, mit dem Bayern eine Bundesratsinitiative gestartet hat. "Diese drei Seiten entsprechen nicht den Maßstäben gutachterlicher Arbeit", erklärte ein Sprecher des Bundesumweltministerium am Montag: "Das ist keine belastbare Grundlage aus unserer Sicht."
Die Kollegen in Bayern seien bereits vor Wochen darauf hingewiesen worden, dass wir die "dortige Sichtweise nicht im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung sehen und den bisherigen Maßstäben der AKW-Sicherheit in Deutschland".
Denn mit dem Papier, das nicht einmal namentlich gekennzeichnet ist, sollen Sicherheitsüberprüfungen, die schon seit drei Jahren überfällig sind und ein bis zwei Jahre dauern, ausgehebelt werden. Ob aber jemand vom Tüv-Süd vor Ort irgendwas untersucht hat, ist anscheinend unklar.
Eigentlich dürfte auch das AKW Isar 2 seit drei Jahren nicht mehr laufen, da die zehn-jährliche Überprüfung mit Blick auf die Abschaltung zum Jahresende ausgesetzt und schon damit das Atomgesetz verbogen wurde.
Das sind aber genau die Sicherheitsüberprüfungen, die seit langem dafür sorgen, dass in Frankreich der Atomstrom-Notstand besonders zugespitzt ist, da allein 12 Meiler wegen gravierender Korrosionsproblemen im primären Kühlkreislauf abgeschaltet sind.
Doch in Bayern will man sich offensichtlich mit Gefälligkeits-Gutachten um Prüfungen drücken und die Bürger einer noch größeren Gefahr eines schwerwiegenden Unfalls aussetzen, da man seit Jahrzehnten die Energiewende nicht nur verpasst, sondern aktiv ausbremst. Verantwortlich ist die Landesregierung.
Doch wie in Frankreich, wo Marine Le Pen Deutschland für die fatale Energiesituation in ihrem Land verantwortlich macht, sucht man in Bayern auch die Schuld lieber bei anderen, anstatt eine rasche Energiewende voranzutreiben.
Dass der Tüv-Süd, verwickelt in manche Skandale, sich für so ein Gutachten hergibt, ist nicht nur für Insider wenig erstaunlich. Die Drehtüren zwischen den Prüfern und der Atomwirtschaft sind bekannt.
Der Tüv-Süd bescheinigte auch anderen Firmen die Unbedenklichkeit für Projekte, die dann wie in Brasilien 270 Menschen mit ihrem Leben bezahlen mussten (Bergbaukatastrophe: "Nie wieder Brumhadino!").
Der Tüv-Süd ist geschäftlich eng mit der Landesregierung das Freistaats verflochten, wie ein Bericht der Süddeutschen Zeitungbeleuchtet:
Der TÜV Süd und die Atomkraft in Bayern sind eng miteinander verwoben. Schon für den Bau der ersten Reaktoren in Bayern, den Forschungsreaktor in München-Garching 1958 und das Versuchsatomkraftwerk im unterfränkischen Kahl am Main 1960 hatte die Staatsregierung den damaligen TÜV als Gutachter hinzugezogen. (…)
Allein in den Jahren 1990 bis 2016 überwies er (der Freistaat Bayern, Einf. d. A.) der Organisation 675 Millionen Euro für die Gutachter- und Überwachungstätigkeiten in den vier bayerischen Atomkraftwerken und im Forschungsreaktor Garching.
SZ