Lützerath-Räumung: RWE wollte Drittfirma lebensgefährlichen Einsatz überlassen

Am Morgen seilten sich Protestierende über Zufahrtsstraßen ab. Mit Assistenz auch solche, die eine Behinderung nicht als Hindernis akzeptieren. Foto: Aktionsticker Lützerath

Letzte Klima-Aktivisten verlassen Tunnel unter der Ortschaft. Polizei hatte Verantwortung an RWE abgegeben – ein Tiefenrettungsteam lehnte den Einsatz ab.

"Pinky und Brain", so lauteten ihre Aktionsnamen, haben am heutigen Montag die Tunnel unter Lützerath verlassen. Mindestens vier Tage sollen die beiden Aktivisten dort ausgeharrt haben, um die Räumung und den Abriss der Ortschaft zu verzögern, während oberirdisch Protestierende teils mit grober Polizeigewalt vom Gelände entfernt wurden, um den Weg für den weiteren Kohleabbau des Energiekonzerns RWE freizumachen.

"Pinky und Brain" zählten zu den letzten verbliebenen Besetzern des Dorfes, das zum Symbol für die 1,5-Grad-Grenze bei der Klimaerhitzung geworden war. Am 12. Januar hatten Aktionsbündnisse der Umwelt- und Klimabewegung bekannt gegeben, dass Lüzerath untertunnelt worden sei, dass sich in den unterirdischen Gängen Menschen aufhielten und die Räumung nicht mit schwerem Gerät fortgesetzt werden könne, ohne deren Leben zu gefährden.

Zusammenspiel von Polizei und RWE-Security

Ein häufiger Kritikpunkt der letzten Tage war, dass die Polizei sich hier zum Erfüllungsgehilfen eines Großkonzerns mache, der auf Kosten des Weltklimas weiter Kohle verbrennen wolle, nachdem es RWE gelungen war, mit der Ampel-Bundesregierung und der "schwarz-grünen" Koalition in NRW einen entsprechenden Deal auszuhandeln.

Mehrere wissenschaftliche Gutachten sprachen dagegen, dass die Braunkohle unter Lützerath überhaupt benötigt werde – ein Kurzgutachten im Auftrag der NRW-Landesregierung zu angeblichen Kohlebedarf kam zu anderen Ergebnissen. Umweltorganisationen kritisierten aber, dass darin die Vereinbarkeit mit den Klimazielen gar nicht geprüft worden sei.

Bis zu 35.000 Menschen demonstrierten am Samstag nach Angaben des Presseteams der Organisatoren im Rheinischen Braunkohlerevier gegen den Abriss von Lützerath und den weiteren Kohleabbau. Die Polizei sprach von rund 15.000 Teilnehmenden.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung feierte die Großdemonstration als Erfolg. Die Initiative "Demosanis Lützerath", die bei den Protesten Verletzte versorgte, berichtete allerdings auch von Polizeigewalt, die in mehreren Fällen zu Knochenbrüchen und Verletzungen durch Pfefferspray geführt habe.

Mehreren Personen sei mit Fäusten oder Schlagstöcken auf den Hals geschlagen worden, eine Person sei bewusstlos geworden – in mindestens einem Fall habe die Polizei weiter auf eine verletzte Person eingeschlagen, als die Demosanis bereits mit der Erstversorgung begonnen hatten – und in mindestens einem Fall habe ein Hundebiss anschließend im Krankenhaus behandelt werden musste.

Einschränkungen der Pressefreiheit inklusive körperlicher Übergriffe

Die Polizei wies sämtliche Vorwürfe zurück, nachdem sie es Medienschaffenden bereits Tage zuvor so schwer wie möglich gemacht hatte, ihr bei der Räumung von Lützerath auf die Finger zu schauen.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in der Gewerkschaft ver.di listete am Sonntag eine ganze Reihe von Einschränkungen der Pressefreiheit auf – vom Zwang zur polizeilichen Akkreditierung über den Zwang, eine Haftungsvereinbarung gegenüber RWE zu unterzeichnen bis zu mindestens fünf körperlichen Angriffen auf Medienschaffende durch die Polizei und die von RWE beauftragte Security.

Neben verbalen sexistischen Entgleisungen des RWE-Werkschutzes gegenüber Journalistinnen habe in einem Fall auch ein Polizist einer Reporterin im Vorbeigehen an den Po gefasst, teilte die dju mit.

Am Sonntag erklärte die Polizei den Räumungseinsatz offiziell für beendet und übergab die Verantwortung an RWE. Das an den Protesten beteiligte Bündnis "Alle Dörfer bleiben" zeigte sich über diese Entscheidung von Polizeipräsident Dirk Weinspach und der Landesregierung schockiert – zumal ein dafür bestelltes Tiefenrettungsteam aus dem Steinkohlebergbau des Ruhrgebiets den Einsatz als zu gefährlich ablehnte und RWE eine Drittfirma beauftragte. Von dieser habe das Tiefenrettungsteam abgeraten, hieß es.

Entgegen polizeilicher Aussagen sei die Räumung von Lützerath am Montag fortgesetzt worden, erklärte Elisabeth Hoffmann-Heinen von "Alle Dörfer bleiben". Einzelne Gebäude standen zu diesem Zeitpunkt noch und "Pinky und Brain" verließen erst kurz darauf die Untertunnelung.

Am Morgen hatten sich Protestierende über Zufahrtsstraßen abgeseilt – daran beteiligten sich sogar mindestens zwei Personen, die auf Rollstühle angewiesen sind. In mindestens einem Fall soll eine Assistenzperson von der Polizei abgeführt worden sein.