Maas will sich ins Programmieren einmischen
"Digitalagentur" der deutschen Regierung soll unter anderem "Trefferlisten und die Anzeige von Nachrichten" überwachen
Drei Tage nach der Verabschiedung seines umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) durch den Bundestag wartet Bundesjustizminister Heiko Maas mit einem neuen Vorstoß auf: Auf der Konferenz "Digitales Leben -Vernetzt. Vermessen. Verkauft? #Werte #Algorithmen #IoT" forderte er einem vorab an die Medien durchgestochenen Redemanuskript nach ein neues "Antidiskriminierungsgesetz für Algorithmen gegen digitale Diskriminierung und für vorurteilsfreies Programmieren"", das es einer neuen "Digitalagentur" der Bundesregierung erlauben soll, sich in die Algorithmen von Google, Facebook und anderen Unternehmen einzumischen.
"Algorithmen", so das Maas-Manuskript, "bestimmen als heute oft selbstlernende Computerprogramme etwa die Inhalte, die Nutzer von sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen zu sehen bekommen, oder entscheiden für Firmen darüber, welche Angebote sie Verbrauchern machen." Dadurch würden "unter dem Mantel der technischen Neutralität und Objektivität Trefferlisten und die Anzeige von Nachrichten und Postings manipuliert" und das sei "äußerst gefährlich".
Inhalte von ARD und ZDF sollen vorrangig angezeigt werden müssen
Dreht Maas jetzt "völlig durch", wie man auf Twitter meint? Etwas weniger abstrakt formuliert passt sein Vorstoß sehr gut zur SPD-Forderung einer "Must-be-Found"-Regel, die vorschreibt, dass "gesellschaftlich relevante Inhalte" gut sichtbar präsentiert werden.
Äußerungen von SPD-Politikern wie Lars Klingbeil legen nahe, dass diese Regelung dafür sorgen soll, dass die Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender, die in einem gewissen Näheverhältnis zur Politik stehen, vor denen von Blogs und anderen privaten Anbietern aufgeführt werden. Sucht ein Nutzer dann beispielsweise etwas zur Ukraine, dann sieht er als erstes die Nachrichten der ARD-Tagesschau und der Heute-Nachrichten, während andere Angebote auf Plätzen verschwinden, auf denen sie kaum jemand mehr anklickt (vgl. "Must-be-Found"-Pflicht in Vorbereitung).
Auch diese "Must-be-Found"-Pflicht wird als Maßnahme gegen "Hate Speech" und "Fake News" präsentiert - den beiden eher unscharfen Begriffen, die auch als Rechtfertigung für das NetzDG dienten. Der Magdeburger FDP-Politiker Holger Franke verkündete am Wochenende auf Twitter öffentlich "Eine FDP in Regierungsverantwortung wird dieses NetzDG kassieren - versprochen". Der Wortlaut ("dieses") deutet dabei eher auf eine Änderung als auf eine Abschaffung hin - ebenso wie der des bayerischen FDP-Bundestagskandidaten Jimmy Schulz, der auf die Frage "Hat die FDP denn vor im Falle einer Regierungsbeteiligung dieses Gesetz zu verändern?" etwas vorsichtiger antwortete, das sei "der Plan".
Wie viel Merkel steckt in Maas?
Eine Twitter-Anfrage an den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, ob die Rücknahme des NetzDG und des Bundestrojaners eine Koalitionsbedingung sein wird, blieb bislang allerdings ohne Antwort. Diese Frage wird vor allem dann relevant, wenn man - wie viele Social-Media-Nutzer - davon ausgeht, dass hinter Maas-Forderungen Merkel-Wünsche stecken. Ganz abseitig ist das nicht: Zu den Algorithmen von Google und Facebook, die Maas jetzt regulieren will, forderte die Bundeskanzlerin beispielsweise bereits im Herbst Zugang.
Die AfD, die (anders als die FDP) derzeit keine reelle Chance auf eine Regierungsbeteiligung hat, prüft eine Verfassungsklage gegen das NetzDG - ebenso wie eine gegen die "Ehe für alle", was Spitzenkandidat Alexander Gauland der Bild am Sonntag gegenüber mit einer "Wertebeliebigkeit, die unserer Gesellschaft schadet" begründete. Erfolgreich sein könnte solch eine Klage aber womöglich nicht deshalb, sondern aus Bedenken heraus, die bislang eher Juristen als Politiker umtreiben: Dem Ludwigsburger Rechtswissenschaftler Arndt Diringer nach könnte eine Einführung ohne Grundgesetzänderung der Politik einen "Weg eröffnen, künftig durch Redefinition von Begriffen auch Grundrechte mit einfacher Mehrheit abzuschaffen."
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