Maaßen verteidigt Strafanzeigen als "notwendig"

Der Verfassungsschutzpräsident sah nach eigenen Angaben die "Arbeitsfähigkeit" seiner Behörde gefährdet

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Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hat in der Bild am Sonntag die von ihm vor einem knappen halben Jahr gestellten Strafanzeigen wegen Landesverrats gerechtfertigt, die seit Donnerstag Schlagzeilen in den deutschen Medien machen. Die Strafanzeigen, die sich formal gegen "Unbekannt" richteten, führten zu Ermittlungen gegen das Portal Netzpolitik.org, das zwei interne Verfassungsschutzdokumente zu Internetüberwachungsplänen veröffentlicht hatte.

Maaßen argumentiert im Gespräch mit der Sonntagszeitung ähnlich wie die Drehbuchautoren der gerade zu Ende gegangenen vierten Staffel der Serie Homeland: Dort gibt Dennis Boyd, der Ehemann der US-Botschafterin in Pakistan, unter anderem Informationen über einen geheimen Tunnel zur US-Botschaft weiter, von denen er anfangs nicht glaubt, dass er damit Menschenleben gefährdet. Dann dringen die Taliban durch den Tunnel ein und schlachten alle ab, derer sie habhaft werden können.

Darauf dürfte der Verfassungsschutzpräsident hinauswollen, wenn er sagt, "um die weitere Arbeitsfähigkeit [s]eines Hauses im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus sicherzustellen" sei es "notwendig" gewesen, "gegen die Herausgabe von als vertraulich oder geheim eingestuften Dokumenten des BfV juristisch vorzugehen". Anders formuliert: Auch wenn die verantwortlichen von Netzpolitik.org oder Whistleblower in seiner Behörde subjektiv nur die Öffentlichkeit informieren wollen, helfen sie damit (seiner Ansicht nach) objektiv doch den Menschenschlächtern.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Foto: Bundesministerium des Innern/Sandy Thieme. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) hatte Maaßen am Freitag offenbart, er "habe den Eindruck, dass von bestimmten Kreisen versucht wird, die deutschen Nachrichtendienste sturmreif zu schießen, und dass andere Kreise durch bequemes Schweigen dabei die Zuschauerrolle einnehmen". Damit spielte er möglicherweise auf die Grünen an, die das Bundesamt für Verfassungsschutz durch ein "unabhängiges Institut zur Demokratieförderung" und eine neue Innenministerium-Abteilung Inlandsaufklärung ersetzen wollen.

Ob Maaßen glaubt, dass er diese Gefährdung seiner Behörde durch eine abschreckende Strafe für die Grünen-nahen Betreiber von Netzpolitik.org wirksam abwehren kann, ließ er bislang offen. Der Telepolis-Geheimdienstexperte Markus Kompa glaubt nicht, dass es ihm darum geht. Er hält es für eine "wesentlich plausiblere Erklärung", dass die Strafanzeige nur "pro forma [und] mit einem ganz anderen strategischen Ziel" als der Bestrafung gestellt wurde: Um durch elektronische Ermittlungen an Informationen zu kommen.

Auch dazu, dass Generalbundesanwalt Harald Range die Ermittlungen nach einen Zurückpfeifen durch Bundesjustizminister Heiko Maaß vorläufig ruhen lässt, wollte sich Maaßen nicht äußern. Range steht derzeit im Zentrum der Kritik: Mittlerweile fordern nicht nur Oppositionspolitiker den Rücktritt des FDP-Mitglieds, sondern auch Stimmen aus der SPD. Rückendeckung erhält er dagegen aus den Reihen der Union: Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach sagte dem Handelsblatt, auch wenn ihm die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org "aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen" unverständlich, seien, werde hier "mit Kanonen auf Spatzen geschossen".

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