Machtfragen zwischen Stahlgewitter und Klimahölle
Themen des Tages: Mit welchen Mehrheiten muss US-Präsident Biden nach den "Midterms" auskommen? Was kommt möglicherweise in Russland nach Putin? Geht es in der Klimakrise bald überall nur noch ums Überleben?
Liebe Leserinnen und Leser,
1. Geht es in Zukunft nur noch ums Überleben in der Klimakrise statt um Demokratie und Emanzipation?
2. Mit welchen Mehrheiten muss US-Präsident Biden nach den "Midterms" im Kongress auskommen?
3. Wie ausgereift sind die Umsturzpläne, die am Wochenende auf dem "Kongress Freies Russland" bei Warschau besprochen wurde?
Doch der Reihe nach.
Nur noch technokratische Elendsverwaltung, um zu überleben?
Schon vor Beginn des Ukraine-Krieges stand die "Doomsday Clock" – die symbolische "Weltuntergangsuhr" des Bulletin of the Atomic Scientists auf 100 Sekunden vor 12 Uhr. Neben der Atomkriegsgefahr wird hier seit einiger Zeit auch das desaströse "Business as usual" angesichts der Klimakatastrophe berücksichtigt.
Unbestreitbar stehen massive Veränderungen bevor. Die Frage ist nur, ob sie völlig unkontrolliert auf uns zukommen – oder ob die noch vorhandenen Gestaltungsspielräume zugunsten der Menschheit und anderer Spezies genutzt werden. Das Zeitfenster beginnt sich zu schließen, der UN-Generalsekretär sieht die Welt auf dem "Highway zur Klimahölle".
Kommt also unweigerlich eine technokratische Elendsverwaltung ohne jeden Spielraum für Demokratie, sozialen Fortschritt und Emanzipation und auf uns zu? – Dieser Kernthese des Buches "Anpassung: Leitmotiv der nächsten Gesellschaft" widerspricht Telepolis-Autor Peter Nowak.
Durch Anpassung an Strukturen, die die Welt erst an den Abgrund geführt haben, ist sie möglicherweise gar nicht zu retten, denn eine Regierung, die ohne Druck aus der Zivilgesellschaft effektiven Klimaschutz betreibt, ist nicht in Sicht. Einzelne können das Geschehen nur wenig durch individuellen Verzicht oder ethische Konsumentscheidungen beeinflussen.
Einige üben deshalb zivilen Ungehorsam , blockieren Straßen und fordern politische Maßnahmen zur Sicherung des Überlebens – manche sitzen deshalb bereits in Präventivhaft, das bayerische Polizeiaufgabengesetz macht es möglich. Dazu demnächst mehr.
Kopf-an-Kopf-Rennen bei Zwischenwahlen im Zweiparteiensystem USA
In den USA sind seit Menschengedenken nur zwei Parteien im Kongress vertreten. Der aktuelle US-Präsident Joe Biden (Demokraten) wurde von Linken nur zähneknirschend gewählt, weil er nicht sein berüchtigter Vorgänger Donald Trump (Republikaner) ist.
Einer der Fortschritte, die Trumps Abwahl mit sich brachte, war der Wiederbeitritt der USA zum Pariser Klimaschutzabkommen, nachdem Trump deren Austritt verkündet hatte. Falls aber bei den Zwischenwahlen, den "Midterms", die Republikaner nur eine der beiden Parlamentskammern blockieren, können sie wichtige Vorhaben der Demokraten blockieren oder zumindest ausbremsen.
Das Repräsentantenhaus könnten die Republikaner nun, wenn auch knapp, gewinnen. Den Senat werden wohl die Demokraten behalten. Allerdings könnte auch erst die nötige Stichwahl in Georgia den Ausgang des Senatsrennens entscheiden, wie Telepolis-Autor Frank Jödicke schreibt.
Russische Möchtegern-Exilregierung unter Oppositionellen umstritten
Unterdessen fragen sich in westlichen Staaten auch viele, wie es in Russland weitergeht – und was möglicherweise "nach Putin" kommt. Begehrlichkeiten gibt es viele – einige der bekannteren Oppositionellen sind jedoch mehr als skeptisch gegenüber der Möchtegern-Exilregierung, die sich am Wochenende im Dörfchen Jablonna bei Warschau traf.
Unter den ehemaligen Duma-Abgeordneten, Regionalpolitikern und Beamten sind gewaltaffine Persönlichkeiten, von denen einer auch den Mord an der Tochter des Kreml-Ideologen Alexander Dugin guthieß, wie Telepolis-Autor Jens Mattern berichtet.
Obwohl die Ergebnisse russischer Umfrage-Institute mit Vorsicht zu genießen sind – Putin hat offiziell immer noch Zustimmungswerte von gut 80 Prozent –, kann in Russland selbst momentan wohl nicht von einer echten Umsturzstimmung ausgegangen werden. Das kann sich bei einer anhaltend hohen Zahl im Ukraine-Krieg gefallener russischer Soldaten allerdings schnell ändern. Schließlich wurde ihnen dieser Krieg als schnell erledigte "Spezialoperation" verkauft und läuft nun bald seit einem Dreivierteljahr.