Macron bleibt Münchner Sicherheitskonferenz fern
Verteidigungspolitische Spannungen zwischen deutscher und französischer Staatsführung?
Morgen beginnt in der bayerischen Landeshauptstadt die 55. Münchner Sicherheitskonferenz, die bis zum Sonntag dauern wird. Dann arbeiten 4400 Polizeibeamte, 70 Köche und Hunderte andere Mitarbeiter der Konferenz und des Hotels Bayerischer Hof für über 30 Staats- und Regierungschefs, 80 Außen- und Verteidigungsminister und etwa 500 andere Gäste, die zu dieser sicherheitspolitischen Veranstaltung anreisen.
Diesmal nicht teilnehmen wird der im letzten Jahr anwesende israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dessen Kommen zur Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger eigentlich auch für 2019 angekündigt hatte. Netanjahu reiste stattdessen zu einer Nahostkonferenz in Warschau, die gestern begann und heute endet. Ebenfalls abgesagt hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen sollte.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) wertet diese Absage als Indiz für verteidigungspolitische Spannungen zwischen der aktuellen deutschen und der aktuellen französischen Staatsführung. Möglich ist allerdings auch, dass Macron den französischen Wählern vier Monate vor den Europawahlen keine allzu große Nähe zur deutschen Kanzlerin vermitteln will, die Unzufriedenen wie den Gelbe-Westen-Demonstranten nicht unbedingt als vertrauenswürdiger Sympathieträger gilt.
"Strategische Autonomie Europas" vs. NATO
Ihre Mutmaßungen untermauert die FAZ unter anderem mit einer Stellungnahme des Verteidigungsexperten François Heisbourg vom Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS). Er wirft der deutschen Regierung vor, eine 1972 zwischen Helmut Schmidt und Michel Debré getroffene Vereinbarung zum Rüstungsexport zu brechen, indem sie den Export von Raketen des deutsch-französisch-britisch-italienisch-spanischen Unternehmens Matra BAe Dynamics Aérospatiale (MBDA) blockiert. Darüber hinaus ist man der Zeitung zufolge in Frankreich nicht bereit, die von der deutschen Bundeskanzlerin nach dem Amtsantritt Donald Trumps in den USA geforderte "strategische Autonomie Europas auch in der Frage der nuklearen Abschreckung voranzutreiben".
Gegen eine stärkere "Europäisierung" der Verteidigung spricht sich in derselben Zeitung auch der britische Tory-Abgeordnete Alan Mak aus. Er meint zwar, dass Großbritannien nach einem Brexit nicht nur "eine erstklassige, globale Militärmacht", sondern auch "ein bereitwilliger und unverzichtbarer Partner für unsere europäischen Nachbarn" bleiben werde, betont aber gleichzeitig, es dürfe sich nach dem Abschied Großbritanniens aus der EU "keine konkurrierenden Organisation [bilden], die den Einfluss der Nato schwächen könnte". Jean-Claude Junckers "Wunsch nach einer europäischen Verteidigungsunion" hält er für den "falschen Ansatz". Stattdessen, so der chinesischstämmige Tory, müsse man das Vertrauen in die "lang erprobte transatlantische Allianz setzen, die unsere Feinde so gerne zerfallen sehen würden".
Ischinger: INF-Kündigung "Tragödie für die europäische Sicherheitsordnung"
Anders als Macron nach München kommen wird dem derzeitigem Stand nach die französische Verteidigungsministerin Florence Parly. Sie trifft sich morgen in einer nicht öffentlichen Veranstaltung mit den Verteidigungsministern der westlichen Militärallianz gegen die Terrororganisation IS und bespricht dort das Vorgehen in Syrien nach einem Zurückfahren des US-amerikanischen Engagements.
Aus den USA kommen außer Vizepräsident Mike Pence (der Medienberichten nach eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben fordern wird) und Ivanka Trump 55 Repräsentantenhausabgeordnete und Senatoren nach Bayern. Zusammen mit Beratern und Begleitern wird die US-Delegation damit mehr als 300 Personen umfassen. Sie werden nicht im Bayerischen Hof, sondern in einem anderen bewachten Hotel untergebracht, dessen Namen man nicht offiziell bekannt gibt. Im Bayerischen Hof wurden für die Amerikaner nur Zimmer für nicht öffentliche Gesprächstreffen mit anderen Konferenzteilnehmern reserviert.
Der ehemalige deutsche US-Botschafter Wolfgang Ischinger, der die Münchner Sicherheitskonferenz leitet, beklagte im Vorfeld der Veranstaltung, dass Rivalitäten zwischen Großmächten immer offener sichtbar würden und man "die Vorstellung einer internationalen Ordnung, die auf gemeinsamen Regeln und einem globalen Ordnungsgefüge gründe, […] kaum mehr aufrechterhalten" könne. Dabei bezog er sich unter anderem auf die Kündigung des INF-Abrüstungsvertrages durch die USA und Russland, die er als "Tragödie für die europäische Sicherheitsordnung" bezeichnete (vgl. Offizieller Start des neuen nuklearen Wettrüstens).
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