Macron plant neue "antipopulistische" Fraktion im Europaparlament
Merkel spielt angeblich mit dem Gedanken, Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin zu installieren
Im letzten Jahr wurde Emmanuel Macrons neue Partei La République en Marche auf Anhieb stärksten Kraft bei den französischen Parlamentswahlen (vgl. Macron: Mehrheit der Parlamentssitze, aber nicht der Stimmen). Die Sozialdemokraten, denen Macron vorher angehörte, gingen dabei praktisch unter. Anhaltspunkte dafür, dass sich an diesem neuen Kräfteverhältnis bei den Europawahlen im nächsten Mai etwas Grundlegendes ändern wird, gibt es bislang nicht.
Einem Bericht der Welt am Sonntag nach will Macron seine Partei im Europaparlament nicht der sozialdemokratischen S&D-Fraktion anschließen, wo sie wahrscheinlich nur die zweite Geige hinter der dominierenden deutschen SPD spielen würde, sondern eine neue Fraktion gründen - die "Progressiven Demokraten", die für eine "Neuordnung der politischen Landschaft" sorgen sollen: Wo früher "rechts gegen links" stand, soll es künftig "progressiv gegen populistisch" heißen.
Lässt sich die liberale Fraktion schlucken?
Dafür verhandeln der La-République-en-Marche-Vorsitzende Christophe Castaner und der ihm von Macron zur Seite gestellte Pieyre-Alexandre Anglade angeblich bereits seit mehreren Monaten mit Parteien in anderen Ländern, die dieser Fraktion beitreten könnten. Als aussichtsreichste Anwärter gelten die bislang sozialdemokratische italienische Partito Democratico und die spanischen Ciudadanos, die aktuell dem liberalen ALDE-Parteienbündnis angehören, das mit 68 Abgeordneten die viertgrößte Fraktion im Europaparlament stellt.
Dieses Bündnis möchte Macron dem WamS-Bericht nach am liebsten ganz schlucken - mitsamt der deutschen FDP, deren Europaabgeordnete Nadja Hirsch der Zeitung sagte, die Liberalen müssten ihre Kräfte bündeln, um dem Populismus in Europa etwas entgegenzusetzen" und es könne sein, "dass der Name ALDE nicht bestehen bleibt, weil es eine neue proeuropäische liberale Bewegung geben wird". Eine "Bewegung", in der La République en Marche wegen des Bevölkerungsreichtums und des Stimmenanteils in Frankreich sehr wahrscheinlich die stärkste und damit tonangebende Kraft wäre. Allerdings passen Macrons Euro-Pläne bislang eher schlecht zu dem, was der deutsche FDP-Vorsitzende Christian Lindner fordert (vgl. Lindner warnt Bundesregierung vor vollendeten Tatsachen in Brüssel).
Wer verabschiedet sich aus der EVP?
Mit seiner neuen Fraktion könnte Macron der WamS nach im Europaparlament auf 140 Abgeordnete kommen. Die bislang stärkste Fraktion dort, die christdemokratische EVP, kommt aktuell auf 219. Nach der Wahl 2019 könnten es deutlich weniger sein. Nicht nur, weil die Union in Deutschland seit 2014 massiv Stimmenanteile an die AfD abgeben musste und weil es der spanischen Partido Popular mit der Ciudadanos-Konkurrenz ähnlich erging, sondern auch, weil sich einige Parteien aus diesem Bündnis verabschieden und anderen Fraktionen anschließen könnten.
Zwei Kandidaten dafür sind die italienische Forza Italia (die in der Konkurrenz mit der inzwischen deutlich stärkeren Lega ums Überleben kämpft) und die ungarische Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán, der am Samstag im rumänischen Szeklergebiet ankündigte, die Migrationsfrage zum zentralen Europawahlkampfthema zu machen. Und "wenn Europa über die Einwanderung entscheidet", so Orban, dann "entscheidet es auch über die europäische Elite", die 2015 in dieser Frage "ihren Bankrott erklärt" und bei Migranten "den Eindruck erweckt" habe, "dass es sich lohnt loszuziehen".
Zuwachs für die EKR?
Angela Merkel, auf die der ungarische Ministerpräsident damit anspielte, will im August entscheiden, ob sie ihre Vertraute Ursula von der Leyen als EVP-Spitzenkandidatin für die Europawahl und anschließend als Nachfolgerin des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker installiert. Neuer deutscher Verteidigungsminister soll in diesem Fall der abgewählte niedersächsische Ministerpräsident David McAllister werden.
Verlassen die Forza und Fidesz eine EVP, die mit von der Leyen als Spitzenkandidatin antritt, könnten ihnen die EVP-Mitglieder aus Schweden, Griechenland und Portugal folgen - zum Beispiel in die konservative EKR-Fraktion, die bislang von den britischen Tories angeführt wird. Diese Tories fallen im nächsten Jahr durch den Brexit weg, weshalb sich die polnische Regierungspartei PiS Hoffnungen auf eine Übernahme der Führungsrolle dort macht. In einer anderen Fraktion, der EFDD ("Europa der Freiheit und der direkten Demokratie"), fällt sie nach dem Abschied der britischen UKIP der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) zu.
Kräftige Zugewinne erwartet man in der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF). Hier könnte die italienische Lega, die inzwischen bei fast 30 Prozent liegt, dem unlängst in "Rassemblement National" umbenannten französischen Front National als führende Kraft Konkurrenz machen.
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