Männer, die klammheimlich sterben wollen
Das Empire im Rückzug: Antoine Fuquas "umgedrehter Western" KING ARTHUR
Age of Empires: Das Römische Reich bricht zusammen, da müssen König Arthur und seine Tafelrunde so wie einst die glorreichen Sieben durchs spätantike Brittannien galoppieren. KING ARTHUR, der neue Film von Antoine Fuqua (TRAINING DAY) ist das etwas konfuse, keineswegs ernstzunehmende, jedoch recht kurzweilige Sampeln durch alte Mythen und moderne Actionfilme. Ein Film wie ein Computerspiel.
Männer, große und heldenhafte, aber auch gebrochene, waren es bisher, die im Mittelpunkt von Antoine Fuquas Filmen standen. Sie standen im Konflikt mit ihren Vorgesetzten, und mussten lernen Befehlen nicht zu gehorchen. Und sie mussten in einem feindlichen Territorium überleben, sich dabei oft um unschuldige Dritte kümmern - "für ihre Sünden", wie Bruce Willis das in Fuquas letztem Film sagt. Man wüsste schon gern einmal, was diesen Regisseur eigentlich genau umtreibt. Zu wenig gemeinsam haben seine Filme auf den ersten Blick: TRAINING DAY, für den Denzel Washington als Cop auf Abwegen ganz zu recht vor zwei Jahren den Oscar gewann war ein trickreicher, herausragend gespielter Kommentar zur sozialen Lage in den Slums. Dann TEARS OF THE SUN, ein völlig missglückter, immens brutaler, unsäglicher Schmachtfetzen, in dem Bruce Willis mitten im Busch ein paar gute Afrikaner vor bösen Völkermördern rettet, und dabei selber ein Gemetzel ans nächste reiht. Vor einem guten Jahr musste das so verstanden werden, wie die dümmstmögliche Rechtfertigung westlichen Imperialismus unter der Maske "humanitärer Intervention."
Entspannung und Scheißstimmung in der halbleeren Tafelrunde
Und jetzt KING ARTHUR, die eher skeptische Betrachtung eines Empire, dass gerade im Begriff ist, unterzugehen. Ein umgedrehter Western, in dem Terrain nicht erobert, sondern aufgegeben wird. Die Frontier ist sozusagen gewendet; es geht nur noch um geordneten Rückzug. Mit dem alten von Thomas Malory's "Le Morte d'Arthur" 1470 begründeten Arthus-Mythos, das gleich vorweg, hat der Film fast nichts mehr zu tun, außer dass die Namen gleichgeblieben sind, dass es irgendwie auch diesmal um edle Helden geht, und dass es für diese eine Tafelrunde zur Entspannung gibt, wenn diese auch halbleer ist, und hier richtige Scheißstimmung herrscht.
Ein bisschen mehr Gemeinsamkeiten gibt es da schon zur gleichnamigen Barockoper von Henry Purcell; auch das war seinerzeit vor allem großes Spektakel, primär zur Unterhaltung gedacht, dabei fast zu versponnen, um noch Mainstream zu sein, albern, wenn man's ernst nähme und voller zeitgenössischer Anspielungen; ein bisschen durchgeknallt auch. Man möchte nicht wissen, was genau David Franzoni, der Drehbuchautor dieses Filmes alles zu sich genommen hat, bevor er sich an den Schreibtisch setzte, vielleicht war er auch einfach besoffen vom eigenen Ruhm, denn zuvor hatte er das Script für Ridley Scotts GLADIATOR geschrieben.
KING ARTHUR ist besser als GLADIATOR, wenn auch die Todessehnsucht die gleiche geblieben ist: wieder Männer, die klammheimlich sterben wollen, vielleicht ohne es selbst zu wissen, in den Tod gehen möchten, weil ihre Zeit, sie spüren es, hinter ihnen liegt. Auch diese Ritter der Tafelrunde sind Gladiatoren, auch sie sind Barbaren im Dienste Roms, keine vollwertigen Bürger, aber insgeheim die besseren Römer, weil sie die Römertugend noch in sich tragen, welche die übrigen längst verlassen hat. Das alles ist pure Ideologie, aber es passt immerhin historisch, denn die Artussage, geschrieben im Spätmittelalter ist auch ein Untergangsmythos, der Abgesang auf eine verlorene Zeit.
Blockbuster mit einer linken Message?
Die Handlung bietet eine Variation von Bekanntem. Wie eine Mischung aus den GLORREICHEN SIEBEN, dem WILD BUNCH und Hollywoods Kreuzfahrern galoppieren die Artusritter durchs Gebirge. Die Rolle der US-Kavallerie übernehmen die Römer, die in etwa so effizient und mutig sind, wie die Soldaten in Howards Western THE MISSING. Anstelle der Indianer gibt es die Sachsen, eine unzivilisierte Horde von Sadisten, deren Ehrgefühl sich auf völlig unironisch gemeinte, zugegebenermaßen recht cool platzierte Onliner beschränkt: "Ah, finally a man worth killing." oder "Burn every village, kill everybody." Einer von ihnen ist Til Schweiger, der auch diesmal so lächerlich ist und bleibt, wie bisher schon immer.
Statt den Gral zu suchen, gegen Mordred zu kämpfen, den Zaubersprüchen Merlins zu folgen oder ähnliche Dinge zu tun, von denen die Artus-Sage üblicherweise berichtet, führen sie einen Siedlertreck durch Indianergebiet - und da erinnert der Film dann schon stark an TEARS OF THE SUN. Das gibt immerhin auch Anlass zur schönsten Szene des Films, einer Schlacht auf einem zugefrorenen See, dessen Eis dann natürlich doch irgendwann zu brechen beginnt.
Kurioserweise beharren die Macher im Presseheft ausdrücklich auf der Authentizität all diesen Geschehens: "Arthur existierte wirklich" kann man darin lesen "Er war ein Mann, der sich aufopferte." Eigentlich war er ein Krieger aus Sarmatien und Guinevere ein Waldmädel mit fescher Körperbemalung und erstaunlichen Fähigkeiten im Bogenschießen. Außerdem war Arthus, folgt man dem Film, ein zum Christentum bekehrter römischer Bürger, mit Interesse für Philosophie, besonders den Stoiker Pelagilus, einen Vertreter der Theorie der Willensfreiheit, der hier als eine Art Urväter von Amerikanischer Revolution, Demokratie und Genfer Konvention firmiert. Überraschenderweise entpuppt sich KING ARTHUR damit als einer der seltenen Blockbuster mit einer eher linken Message - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, vor allem Befreiung der Unterdrückten -, doch wird diese erwartungsgemäß schnell wieder verraten, vor allem an die Feier der Gewalt.
Alle zehn Jahre eine Artus-Sage im Kino
Man kann es allerdings auch weniger ernst nehmen, als Regisseur Fuqua. Wenn man KING ARTHUR mit einer ähnlichen Haltung anguckt, wie zum Beispiel MONTHY PYTHON AND THE HOLY GRAIL, dann kann man sich auch über das Pathos der Dialoge plötzlich amüsieren, über den absurden italienischen Akzent der römischen Bischöfe, über die endlosen Debatten, die diese Männerwelt prägen, und sich bei sorgfältigen Zuhören, als von Eifersucht und unterdrückten Gefühlen geprägt entpuppen. So sollte man diesen Film womöglich als Schwulenversion des Stoffs begreifen. Manchmal glaubt man dann aber wieder, sich statt in einem Kinofilm in einem etwas groß geratenen Computerspiel verirrt zu haben. Ein Level nach dem anderen ist zu erreichen, die Schurken sind so austauschbar wie die Spielfiguren - die Artus-Ritter.
Alle zehn Jahre also eine Artus-Sage im Kino. Robert Bressons Version demonstrierte die asketische Nüchternheit, die Ideen von Reinheit, die ein Teil des europäischen Autorenkinos im Dreh mit Laien und im "Leerspielen" der Akteure fand. John Bormans EXCALIBUR war 1980 ein später Reflex der Hippie-Ära, übertrieben und wild, ruchlos und schmutzig. Mitte der 90er war dann Richard Gere ein um so gelackterer Lancelot und Sean Connery ein allzu alter Mann: FIRST KNIGHT war im Grunde ein Yuppie-Angestelltendrama, das davon handelte, was passiert, wenn man mit der Frau des Chefs anbandelt.
Der neueste "Arthur" ist nun wieder politischer, ein sehr zeitgemäßer Actionfilm: Die Wildheit, die er an Tag legt, ist tatsächlich nur vorgetäuscht, wirklich mutig ist er genauso wenig, wie filmisch irgendwie innovativ oder interessant. Dabei aber keineswegs dumm, nur bewusst naiv. Man sieht ihn gern, die Action ist kurzweilig, die Kamera von Slavomir Idziak großartig. Hans Zimmers immergleiche Musik kann man allerdings nicht mehr hören. Und was Fuqua offenbar umtreibt: viel Gewalt und reine Männerwelten. Die Frauen spielen nur am Rand eine Rolle. Keira Knightley darf als Guinevere immerhin sexy Bogenschützin sein und viele Schurken töten, Im entscheidenden Moment aber muss sie doch von Lancelot gerettet werden. Umgekehrt wär's besser gewesen.