Mailbox-Revival-Party

Erinnerungen an die gute alte Zeit der DFÜ und der Mailboxen

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Rund 25 ehemalige Sysops und aktive User aus der hannoverschen Mailboxszene trafen sich am Wochenende zu einer Mailbox-Revival-Party, auf der es viel zu erzählen gab. Viele der Teilnehmer hatten sich teilweise zehn Jahre nicht mehr gesehen und konnten dennoch problemlos an die alten DFÜ-Freundschaften anknüpfen.

Angesichts der rasanten Entwicklung des medialen Zeitalters kommen in besinnlichen Stunden schon mal die Erinnerungen an die Zeiten, als das Internet noch "Mailbox" bedeutete und die Verbindung zu diesen nur über den Telefonhörer möglich war, der in einen Akustikkoppler geklemmt war. Dann hieß es: Pssssttttt... bloß keine Nebengeräusche machen oder an die Tischplatte klopfen... Die technischen Dinosaurier sind heute allenfalls noch in einem Computermuseum zu bestaunen, aber was ist wohl aus all den Usern der ehemaligen hannoverschen Mailboxszene geworden, die sich inzwischen in alle Winde zerstreut haben?

So wurde die Idee einer Mailbox-Revival-Party geboren und dank Internet und den Recherchemöglichkeiten in diversen Suchmaschinen wurden sogar noch User aus München oder Wiesbaden ausfindig gemacht und eingeladen. Ein Partyzelt für den Garten war ebenso schnell organisiert wie ausreichend Sitzmöglichkeiten, denn bislang erwiesen sich die ehemaligen DFÜler als Nichttänzer und benötigten demzufolge auch keine Musik. Bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen begann der Kaffeeklatsch schon am frühen Nachmittag. Nach und nach tauchten die Teilnehmer im Garten auf und wurden von den bereits Anwesenden mit großem "Hallo" begrüßt.

Mit Spannung wurde erwartet, was denn inzwischen aus den Einzelnen geworden ist. Dabei stellte sich heraus, dass der Student mit den meisten Semestern nun endlich seinen Diplom-Ingenieur in der Tasche hat und zum 1. September mit dem Arbeiten beginnen wird. Kaum einer der Partyteilnehmer ist nicht in der IT-Branche gelandet. Fast alle haben studiert und stehen in Lohn und Brot. Erstaunlich ist die Entwicklung der Trilos-Mailbox, denn die Macher haben sich inzwischen mit der Trilos GmbH selbständig gemacht und relaunchen erfolgreich Internetauftritte aus dem kirchlichen und sozialen Bereich. Kein Wunder, dass sich unter den eng befreundeten und engagierten Mitarbeitern auch Sozial- und Religionspädagogen befinden. Ihr neustes Projekt war der Webauftritt der niedersächsischen Grünen

Leider sind die Mailboxen wie die HBB (Hannover By Byte), das CoPS (ComPäd-Pinboard-System) oder die Aquila inzwischen alle eingestellt worden. Durch die weltweite Vernetzungsmöglichkeiten des Internets sind die lokalen Mailboxen überflüssig geworden. Die User wollten - so die fast einhellige Meinung - doch mehr Möglichkeiten, wie das Surfen durch die Weltgeschichte, für sich nutzen als nur reine Information in Form von Texten zu bekommen.

Über allerlei Kurioses wurde berichtet, da gab es doch...

  1. die Mailbox, die aus einem C64 bestand. Die Daten wurden tatsächlich auf zwei Diskettenlaufwerken gespeichert.
  2. eine Konstruktion, die per Metall-Baukasten dazu diente, bei Anruf eines Users den Telefonhörer für die Mailbox in die Muffen eines Akustikkoppler zu drücken. Eine Anleitung dazu fand sich auch in der berühmten Hackerbibel des Chaos Computer Clubs (CCC).
  3. einen Akustikkoppler mit 300 Baud, der größer als heutige Zigarrenkisten war.
  4. den jugendlichen Hacker, der einmal die Gewalt über das regionale Rechenzentrum in Hannover hatte, weil das ach so geheime Passwort für den Systembetreiber schlicht und ergreifend "Sysop" war. Zufällig nannten sich alle Mailboxbetreiber auch Sysops.

... und natürlich die Geschichten von der Post

"Schneller als 9.600 Baud geht es mit den Kupferdrähten der Telefonleitung nie", so lautete zumindest einmal die Aussage von Technikern der Deutschen Post. User, die mit einem Import-Modem schon mit 14.400 Baud (heute arbeitet ISDN mit 64 KB) arbeiteten, standen immer mit einem Fuß im Gefängnis, weil der Betrieb von solchen Gerätschaften noch unter Strafandrohung stand. Voller Unverständnis mussten die Mailboxbetreiber zu Kenntnis nehmen, dass die Post den Begriff "Mailbox" für sich in Anspruch nahm. Ein Eintrag unter "Mailbox" im Telefonbuch wurde deshalb diktatorisch abgelehnt. Ernst wurde es, als die Post versuchte, eine Anmeldepflicht für Mailboxen durchzusetzen. Doch die Post sorgte immer auch für Unterhaltung, denn auf fast jeder CeBIT fanden sich an den Monitoren oder unter den Tastaturen die PINs oder NUIs, mit denen sich für einige Zeit wieder die Telefonkosten senken ließen...

Nüchterne IT-Philosophie im Garten

Linux soll oder kann das Monopol von Microsoft brechen, war eine der atemberaubenden Thesen im Verlauf des nächtlichen Palavers. Umstritten war dabei auch der Diskussionsbetrag, dass die Linux-Gemeinde nichts für den Massenmarkt macht, sodass selbst Scanner- und Druckertreiber nicht vorhanden sind. Doch die Diskussion drehte sich im Kreis, denn die einen können Linux im Schlaf installieren und andere wollen nach ersten anfänglichen Versuchen nichts mehr von diesem alternativen Betriebssystem wissen. Einig war man sich nur in einem Punkt: Als Server-Software ist Linux inzwischen etabliert.

Ein Usertreffen nach so langer Zeit bringt natürlich auch den einen oder anderen Seufzer mit sich, denn besonders in Hannover wurde immer darauf geachtet, dass man den Usern auch Treffpunkte außerhalb der Datenfernübertragungsmöglichkeiten anbot. Da gab es zum Beispiel das Unabhängige Jugendzentrum in Hannover-Langenhagen, wo es unter dem Dach auch schon mal 34 Grad heiß war, aber davon ließ sich natürlich kaum ein User abhalten. Oft dauerten diese Treffen bis zum nächsten Morgen und man frühstückte gemeinsam bei Mc Donald's. In den Gesprächen stand die Technik oft überhaupt nicht im Vordergrund. Berühmt berüchtigt waren auch die so genannten Hackertreffen im Bö 29, bei denen neben anderen der ums Leben gekommene Karl Koch teilnahm. Bei diesen Computer-Stammtischen waren eher die Technikfreaks unter sich und es wurde die vierte Stelle der Hard- oder Software-Versionsnummer vor sich her gebetet. Auf dem Usertreffen während der Mailbox-Revival-Party gab es dazu nur vereinzelte Aussetzer, aber es wurde natürlich auch gefachsimpelt, ob sich "Php", "Java" oder anderes besser zur Webgestaltung eigne.

Mit Bedauern stellte man um Mitternacht fest, dass es solche Treffen im Internetzeitalter kaum noch gebe. Alles sei beliebiger ohne jegliche Verbindlichkeit, was ganz sicher zur Individualisierung beitrage. Grund genug, dagegen zu wirken und gleich für das nächste Jahr die Mailbox-Revival-Party 2002 zu planen. Denn einige Gesichter wurden auch vermisst, vielleicht sind sie beim nächsten "IT-Klassentreffen" dabei.