"Man ist bereit, die Monarchie zu beseitigen"

Seite 2: Die Monarchie und die Franco-Diktatur

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Telepolis: Welche Rolle kommt der Monarchie am Ende der Franco-Diktatur zu? Es war schließlich Franco, der Juan Carlos als Nachfolger und als Staatschef bestimmt hat.

Rebeca Quintáns: Es ging darum, dem Franquismus ein neues Mäntelchen überzustreifen. Die Monarchie hatte im sogenannten Übergang zur Demokratie die Funktion, die Verbrechen der Diktatur straflos bleiben zu lassen. Zudem sollten sie Strukturen der Macht erhalten bleiben wie im Militär, der Justiz und der Wirtschaft. Alles blieb unangetastet und es ging weiter wie zuvor. Dafür diente in dieser Phase die Monarchie.

Heute ist sie aber verbrannt. Sie dient auch der Macht nicht mehr, da der sogenannte Übergang und das Regime von 1978 immer stärker hinterfragt werden. Ich glaube, man ist nun bereit, die Monarchie zu beseitigen, angefangen bei Juan Carlos, um erneut zu versuchen, die Strukturen der Macht ohne wirkliche Veränderungen zu erhalten.

Es ist auffällig, dass alles auf Juan Carlos zielt, aber nicht auf die Unternehmen, die sich über sein Wirken bereichert haben. Es sieht danach aus, dass sich die Oligarchie retten will, indem dem Regime erneut ein neues Mäntelchen übergezogen wird. Man könnte an eine pervertierte Republik denken.

Telepolis: Warum sprechen Sie der Monarchie im spanischen Staat eine zentrale Bedeutung zu?

Rebeca Quintáns: Nun, Franco hat den Monarchen nicht nur zum Staatschef gemacht, sondern auch zum Militärchef und ihm damit die Streitkräfte anvertraut. Und zudem darf man nicht die symbolische Bedeutung der Monarchie in der Bevölkerung unterschätzen. Dafür hat man ein Narrativ um Juan Carlos als den Retter des Vaterlands um den Putschversuch 1981 geschaffen.

Darüber konnte die Monarchie weitere Sektoren der Gesellschaft um sich scharen. Allein die symbolische Bedeutung ist groß, ganz abgesehen von den klientelistischen Netzwerken aus Politik und Wirtschaft, die sich darum herum gruppieren.

Telepolis: Sehen Sie eine Chance, dass es im heutigen Spanien, mit der selbsternannten "progressivsten Regierung" zu wirklichen Reformen kommt, zum Beispiel per Referendum über eine Republik abgestimmt werden kann, gegen die 1936 von den Generälen um Franco geputscht worden war?

Rebeca Quintáns: Nein, daran glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass diese Regierung ein Referendum durchführen wird. Die Sozialdemokraten (PSOE) sind stark mit der Monarchie verstrickt, wenngleich das nicht für die jüngere Generation gilt. Die Partei weiß, dass ihre Parteigrößen mit der Monarchie umfallen würden.

Die haben regiert, während Juan Carlos seine Spielchen getrieben hat. Sie haben entweder weggeschaut oder haben an den dunklen Geschäften mitgewirkt. Die PSOE ist aber in der Zwickmühle. Sie muss deshalb Juan Carlos verteidigen. Wenn sie das aber zu stark tut, fällt die Partei ebenfalls um, wenn er umfällt.

Und bei Podemos sehe ich absolut auch nicht, dass sie sich für eine republikanische Sache einsetzen würde, nicht einmal zum Schein. Da wird bestenfalls mal ein Tweet abgesondert. Aber das ist keine Politik, wenn man in Regierungsverantwortung ist. Ein Beispiel macht das deutlich. Als Juan Carlos 2014 abdankte und im ganzen Land spontan viele Menschen für die Rückkehr zur Republik demonstrierten, hat Podemos sie nicht unterstützt.

Parteichef Pablo Iglesias sah keinen Grund, in diesem entscheidenden Augenblick aus Brüssel zurückzukehren, wo er nach den guten Ergebnissen bei den Europaparlamentswahlen seinen Sitz im Europaparlament einnahm. Ab da war für mich klar, dass von Podemos kein Prozess angeschoben werden würde, um zur Republik zurückzukehren. Heute verzögern sie und da ist jede Ausrede recht, wie gerade die Covid-Pandemie. Derweil beklatschen auch sie nun sogar König Felipe, statt ihm bohrende Fragen nach seinem Vater zu stellen.

Telepolis: Sie haben vor 20 Jahren unter dem Pseudonym Patricia Sverlo entscheidend zur Entmythisierung von Juan Carlos beigetragen. Im Buch, damals im baskischen Verlag Ardi Beltza (Schwarzes Schaf) erschienen, wurden die dunklen Geschäfte beleuchtet und die wirkliche Rolle von Juan Carlos während des Putschversuchs 1981 aufgedeckt. Ist von dem Mythos, er habe damals den Putsch ein Ende bereitet und die Demokratie gerettet, noch etwas übrig?

Rebeca Quintáns: Ja. Es ist unglaublich, dass diese Lügen zu den Vorgängen weiter bestehen. Sie werden in Spanien auch heute immer wieder wiederholt. Was Juan Carlos nun tut, sei ja schlecht, aber damals habe er sich für die Demokratie eingesetzt. Das wird hier weiter jeden Tag in den Kommunikationsmedien gepredigt.

Das ist die faschistische Mechanik, wonach eine Lüge, die nur oft genug wiederholt wird, irgendwann zur Wahrheit wird. Damit werden alle Beweise und Wahrheiten niedergewalzt, die wir zu den Vorgängen von 1981 kennen. Es ist deshalb sehr schwierig, dagegen anzukämpfen.

Aus den Aussagen, die wir haben, und auch aus den Ermittlungen von damals, wird deutlich, dass der König ein absolut notwendiger Beteiligter war, der aktiv und direkt mitgewirkt hat. Der Staatsstreich am 23. Februar 1981 wurde im Königspalast mit dem Geheimdienst geplant. Der hieß damals noch Cesid, heute heißt er CNI. Es wurde sogar ein Cesid-Angehöriger wegen der Putsch-Planungen verurteilt. Wir wissen, dass einige der Vorbereitungstreffen in der Zarzuela stattfanden und an den Treffen stets Vertreter des Königshauses teilnahmen wie Sabino Fernández Campo, ehemaliger Falangist und Generalsekretär des Königshauses unter Juan Carlos.

Wir kennen die Gespräche und wir kennen die Pläne. So hatte General Armada eine Liste mit Mitliedern für eine provisorische Regierung, die vom Königshaus genehmigt war, als er ins gestürmte Parlament ging. Auf der Liste befanden sich übrigens auch sozialdemokratische Politiker. Auch Armada wurde später dafür verurteilt. Wir wissen das alles, aber verkauft wird eine andere Wahrheit.

Es gibt einen Haufen Lügner in den Kommunikationsmedien, die natürlich auch fürchten, tief zu fallen, wenn Juan Carlos fällt und danach eben auch die Monarchie. Es gibt da eine gesamte Generation von Journalisten und Historikern, die schlicht in ihren Medien oder in ihren Universitäten Lügen verbreiten. Die Manipulation der Geschichte muss endlich aufhören. Viele junge Menschen hier haben noch immer ein völlig verzerrtes Bild.

Gibt es heute mehr Freiheit?

Telepolis: Interessant ist, dass niemand vor 20 Jahren versucht hat, den Inhalt ihres Buchs juristisch anzugreifen. Allerdings wurde kurz darauf, wie im Fall anderer baskischer Medien, die Zeitschrift und der Verlag "vorläufig" vom Ermittlungsrichter Baltasar Garzón verboten. Bewiesen wurden die Anschuldigungen, wie in anderen Fällen ebenfalls nicht. Angeblich soll Ardi Beltza der Untergrundorganisation ETA Ziele vorgeben haben. Sogar der Nationale Gerichtshof wies das als hanebüchen zurück. Die ETA "braucht niemanden", um Ziele zu benennen und wartet nicht auf "die nächste Ausgabe der Zeitschrift, um zu erfahren, gegen wen vorzugehen sei". Glauben Sie, Ihre Enthüllungen zu Juan Carlos hatten entscheidenden Einfluss, um ein weiteres Kommunikationsmedium illegal zu schließen?

Rebeca Quintáns: Ohne Zweifel. Das Verbot stand direkt mit der Veröffentlichung des Buchs im Zusammenhang. Tatsächlich wurde nie gegen den Inhalt vorgegangen. Wir hätten uns gegen eine Anzeige verteidigt, denn wir konnten alles belegen, was im Buch steht. Wir hätten das Verfahren zur Werbung benutzt. Dazu traute man sich aber nicht, sondern man kam mit der ETA… Der Direktor der Zeitschrift Pepe Rei verbrachte fünf Monate im Gefängnis. Dann ließ man ihn frei.

In Bezug auf das Buch und die Enthüllungen, wurde eine andere Strategie angewendet: Totschweigen. Und die funktioniert in Spanien mit seiner Medienlandschaft und einer wenig bekannten Autorin gut. Es wurde so getan, als gäbe es das Buch und die Enthüllungen nicht. Dabei, wenn Journalisten anfangen, zum König zu recherchieren, landen sie letztlich immer bei mir. Fast alle, die sich mit dem Thema beschäftigten, haben das Buch gelesen, doch niemand zitiert es.

Das Buch wurde viel gelesen. Manchmal bringen auch die Lügen-Journalisten etwas daraus und tun so, als hätten sie das recherchiert, allerdings wird das dann verzerrt und umgebogen. Auch heute, wo hier über Juan Carlos in den Medien gesprochen wird, taucht fast nirgends das Buch auf. Und auch ich existiere für in der Öffentlichkeit praktisch nicht. Ich habe nach den Vorgängen damals den Journalismus aufgegeben und bin nun als Lehrerin tätig.

Telepolis: Aber sie haben aber 2016 ein zweites Buch zum Thema veröffentlicht, in dem große Teile der ersten "nicht autorisierten Biographie" eingeflossen sind. "Juan Carlos I: una biografía sin silencio" (Juan Carlos I: die Biografie ohne Lücken), heißt es und ist im Verlag Akal erschienen. Dieses Buch erschien auch nicht mehr unter einem Pseudonym. Gibt es heute mehr Freiheit?

Rebeca Quintáns: Es hat sich etwas in all den Jahren bewegt. Und da es unter meinem echten Namen gemacht ist, bin ich unter Journalisten für alternative Medien ein Begriff, die mich kontaktieren können und ich die realen Vorgänge schildern kann. Allerdings ist es komisch, wie der neue Verlag damit umgeht. Man lässt das Buch verstauben, bewirbt es nicht, obwohl das gerade jetzt ein Verkaufsschlager wäre.

Telepolis: Hat der Verlag Angst vor Repression, wie sie damals Ardi Beltza getroffen hat?

Rebeca Quintáns: Ich gehe davon aus, dass es der Verlag ist, der das Buch bewusst bedeckt hält. Ich gehe auch davon aus, dass er das nicht umsonst macht. Denn das macht doch verlegerisch keinen Sinn, auf ein gutes Geschäft zu verzichten. Damals mit Ardi Beltza wurden unter sehr schwierigen Bedingungen sehr viele Exemplare verkauft. Jetzt ist nicht einmal die erste Auflage mit 3000 Stück verkauft.

Das ist lächerlich. Dabei ist das genau das Buch, das die gesamten dunklen Vorgänge von Juan Carlos aufzeigt. Und es ließe sich auch im Ausland verkaufen. Obwohl der Verlag in Lateinamerika aktiv ist, wird das Buch dort nicht vertrieben. Journalisten aus Mexiko und Argentinien haben mich interviewt, doch sie können dort das Buch nicht erwerben, obwohl der Verlag dort Filialen unterhält. Das ist sehr merkwürdig.