Maschine ohne Gewissen

© 20th Century Fox

Es war einmal die Zukunft: "Terminator 6: Dark Fate" aktualisiert den Stoff für unsere Tage zu einem dunklen Schicksal

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Wir funktionieren automatik/ Jetzt wollen wir tanzen mechanik/
Wir sind auf alles programmiert/ Und was du willst wird ausgeführt/
Wir laden unsere Batterie/ Jetzt sind wir voller Energie/
Wir sind die Roboter

Kraftwerk

Der Roboter ist der Spiegel einer Menschheit, die in hasserfüllten und zerstörerischen Ideologien, in kommerziellen Interessen und in sich nicht um die menschliche Würde scherenden wissenschaftlichen Programmen ihre Seele verloren hat.

Brigitte Murnier

Die Kino-Geschichte des "Terminator" ist die Geschichte der Maschine, die zu viel wusste. Die Geschichte der Maschine, die aus der Zukunft zurückkehrt, um zu töten, um Menschenleben zu retten, um gegen andere Maschinen zu kämpfen. Diese Geschichte war schon immer paradox, und mit jedem Film wurde sie ein Stück paradoxer.

Ein nettes "Mädchen von Nebenan" ist Dani, als wir sie kennenlernen. Die einundzwanzigjährige Tochter eines Arbeiters aus dem Norden Mexikos ersetzt für ihren jüngeren Bruder auch gleich die gestorbene Mutter. Sie sorgt dafür, dass er rechtzeitig aufsteht, und weil sie etwas schneller und kesser ist als der Durchschnitt und von ziemlich praktischer Intelligenz, übernimmt sie auch gleich noch das Gespräch mit dem Vorarbeiter an jenem Tag, an dem sich ihr Leben ein für alle Mal ändern wird.

Als beide zur Arbeit ans Fließband einer Autofabrik kommen, sehen sie, dass an einigen Arbeitsplätzen plötzlich Maschinen stehen, die darauf programmiert sind, die Arbeit der Menschen schneller, effizienter und ohne Ermüdung zu übernehmen - ein früher, ironischer Hinweis auf die Machtergreifung der Maschinen, die unseren Alltag längst erfasst hat, und von der die "Terminator"-Filme seit dem allerersten, von James Cameron inszenierten Film von 1984 erzählen.

Damals war, was der Film zeigte, noch utopisch, reine Fiction. Heute ist bereits das eine oder andere verwirklicht, erscheint vieles zumindest realistische Möglichkeit.

Lakonische Maschine vs. geschwätziger Mensch

Warum wurde die Idee des Terminators erfunden? Zunächst einmal, weil er die Idee des Menschen terminiert. Die Terminatoren aus der Zukunft sind ein Spiegel der neoliberalen Welt. Ein metallenes Gerippe, Teil der Objektwelt. Ohne Empathie und transzendentem Lebenssinn wird der Mensch zur Maschine. Zu einer lakonischen Maschine - denn Sprache ist der Ausdruck des Menschseins, auch das wird hier offenbar.

Terminator: Dark Fate (14 Bilder)

Bild: © 20th Century Fox

Doch es dominiert die Kränkung, die dem menschlichen Geist widerfährt, wenn die maschinelle Intelligenz ihn zu übertreffen vermag. "Wenn menschliche und künstliche Intelligenz sich unterscheiden, kann man nach ihrer Differenz und nach der Einheit der Differenz fragen", so der Luhmann-Schüler Dirk Baecker. Was aber wenn sie identisch sind?

Anmut in Mexiko: Feministischer Maschinenfilm

Die Maschinenarbeiter am Fließband in Mexiko sind aber ungefährlich angesichts jener Kampfmaschine, die Sekunden später versucht, Dani zu töten. Das Mädchen weiß zunächst nicht, wie ihr geschieht, als sie von einem anderen Wesen gerettet wird, das in Frauengestalt mit blondem Kurzhaar zunächst auch wie eine Kampfmaschine wirkt, sich aber doch als etwas anderes entpuppt: Sie heißt Grace, also "Anmut", ist neu im "Terminator"-Universum und tatsächlich ein "Cyborg" also eine Kreuzung aus Mensch und Maschine. "Ich bin ein Mensch" sagt sie selbst einmal, "nur verbessert".

Die Kanadierin Mackenzie Davis spielt diese faszinierende Hauptfigur des sechsten Teils und könnte sich damit tatsächlich in die Terminator-Mythologie einschreiben.

Die zweite Figur im Zentrum der neuen Geschichte ist eine alte Bekannte: Sarah Connor, der Filmcharakter, der einst, im nach wie vor nicht überbotenen "Terminator II" von 1991, Linda Hamilton, berühmt machte, weil die Schauspielerin die Figur der Sarah Connor in eine Kinoikone verwandelte: Die Mutter des John Connor, der dort ein kleiner Junge war, der als Erwachsener aus einer fernen Zukunft eine Kampfmaschine in Gestalt von Arnold Schwarzenegger in die Vergangenheit sandte, um die eigene Zukunft zu sichern, sich selbst und seine Mutter zu retten.

Im fünften Teil spielte sie die dynamische, charismatische Britin Emilia Clarke aus "Game of Thrones". Nun ist Linda Hamilton zurück. Im sechsten Terminator-Film ist auch Schwarzenegger wieder dabei. Er bleibt eine ehrenwerte Nebenrolle.

Diesmal reist der Film nach Mexiko. Dort muss nun jene Dani Ramos gerettet werden, weil auch sie eine Bedeutung für die Zukunft hat und ebenfalls von Killer-Maschinen aus der Zukunft bedroht wird. Gewissermaßen stellvertretend für die USA und gegen deren amtierenden Präsidenten ist hier eine Handvoll Zukunftsamerikaner nett zu den Mexikanern.

Zugleich hat man es mit einer feministischen Variante des Stoffes zu tun: Denn im Zentrum stehen drei Frauenfiguren, die größte Bedrohung hat die Gestalt eines jungen Mannes.

Philosophie auf Abwegen: Cyborg im Hegel-Seminar

Dirk Baecker irrt, wenn er schreibt: "Je genauer man versteht, worum es sich bei künstlicher Intelligenz handelt und nicht handelt, desto unklarer wird der vermeintliche Gegenbegriff." Denn eigentlich bleibt nur die Frage: Ist menschliche Intelligenz Künstliche Intelligenz plus Emotionen? Oder minus Emotion? Ist Emotion ein Defizit oder ein Evolutionsvorteil? Ist Emotion der Hort der Freiheit? Wenn perfekte Intelligenz dazu führt, dass man - durch Fehlerfreiheit - Muster perfekt erkennen und Voraussagen perfekt treffen kann, ist Emotion dann Schutz davor?

Und wie intelligent ist die emotionale Intelligenz? Wie intelligent ist Intuition? Die mentale, kognitive, "bewusste" Intelligenz besteht doch eher darin, zögern zu können, den Sinn offen halten zu können, und das Gegebene nicht nur hinzunehmen, sondern zwischen "sinnvoll" und "sinnlos" unterscheiden zu können.

Hegel und Habermas setzen auf die Einheit der Vernunft, jenseits der neurowissenschaftlichen Limitierungen, jenseits der chemischen Abgründe der Psyche, jenseits der Soziologie der Gesellschaft und der Rechenoperationen der Informatik.

Aber der neueste Terminator ist genau der Triumph der letzteren. Die Maschine ohne Gewissen ist das Gelingen der Absicht, jede kognitive Leistung operativ nachbauen zu können.

© 20th Century Fox

Was für eine Vorstellung: Ein Roboter wird eingesetzt, um das Menschliche zu schützen, um das Fortbestehen der Menschheit zu sichern. Er ist eine Art übermenschlicher Sklave, der viel stärker ist, viel mehr Fähigkeiten hat als jeder Mensch, der aber gleichzeitig gerade deswegen der perfekte Sklave und Diener ist.

Nostalgie gegenüber der Zukunft

In manchen der bisher fünf "Terminator"-Filme, die Fernsehserie nicht mitgerechnet, wird man wie der Bewohner einer Flipperkugel zwischen den Zeitebenen und den Jahren 1984, 2017 und 2027 hin und her geschossen. Und man entwickelt so ein paradoxes Gefühl wie Nostalgie gegenüber der Zukunft.

Diesmal entdecken Maschinen die Sensibilität - und wir Menschen Empathie für die Maschinen. Da trifft sich "Terminator" mit vielen Figuren der Kulturgeschichte der Roboter. Derzeit läuft im Essener Folkwang-Museum die Ausstellung "I was a Robot", die dieser Kulturgeschichte in einem sehr umfangreichen Programm anschaulich nachgeht. Es geht auch viel um die Kinogeschichte der Roboter.

Dazu gehört etwa die Maschine in "A.I. - Artificial Intelligence", dem von Steven Spielberg verfilmten Drehbuch von Stanley Kubrick. Hier geht es auch vor allem um ein Kind; dieses Kind allerdings ist selbst die Maschine. Plötzlich ist es eine Maschine, die unschuldig und verletzlich ist, die unter anderem vor Menschen geschützt werden muss. Und die auch sieht, wie brutal die Menschen mit Maschinen umgehen.

Aber die Fans von "Terminator" müssen sich keine Sorgen machen: "Terminator 6 Dark Fate" bleibt vor allem rasantes Action-Kino. Der Film bietet viele spannende Momente und geht doch über eine Menge Lärm und Geballer weit hinaus. Darum hält er das Niveau seiner Vorgängerfilme und lohnt den Kinobesuch unbedingt.

Dirk Baecker: "Intelligenz, künstlich und komplex" Merve Verlag, Berlin 2019

"I was a Robot. Science Fiction und Pokultur"; (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Folkwang; Edition Folkwang, Steidl Vlg; Göttingen 2019)