Maskenpflicht im Unterricht: Söder liebäugelt mit Nordrhein-Westfalen

Bild: Maximilian Scheffler/unsplash

In NRW klagen Eltern und Schüler vor Gericht gegen die Pflicht. Expertin fordert eine bessere Lüftung in den Schulen statt einer "Tortur" mit Schutzmasken

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Hochsommer geht zu Ende, die Schulferien auch; einige Bundesländer, darunter Bayern und Baden-Württemberg, haben noch etwas Planungszeit, um sich auf das neue Schuljahr vorzubereiten. Die große Frage lautet, wird es an den Nebelkurs - "auf Sicht fahren" - des letzten Schuljahres anschließen oder haben die Behörden aus den Erfahrungen der letzten Monate gelernt?

Befürchtet werden spontan angeordnete, kurzfristige Schulschließungen, wie es der Spiegel berichtet. Gab es bereits in Mecklenburg-Vorpommern, wo das neue Schuljahr vor zwei Wochen begann, sehr schnell erste Meldungen von zwei Schulschließungen aufgrund von zwei Infektionsfällen, so stellt das Hamburger Nachrichtenmagazin jüngste Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen heraus, wo der Unterricht nach den Sommerferien vergangene Woche wieder aufgenommen wurde:

Vier Schulen mussten hier wenige Tage nach den Sommerferien komplett schließen, mehr als 30 Schulen teilweise. Vielerorts wurden einzelne Klassen oder Jahrgänge nach Hause geschickt. Unter Lehrkräften gibt es rund drei Dutzend bestätigte Corona-Fälle, unter Schülern fast 400. Das hat Folgen für viele andere. 351 Lehrkräfte sowie 5914 Schüler mussten in Quarantäne. Mindestens. Inzwischen dürften die Zahlen weiter gestiegen sein.

Kaum offen, schon wieder zu, Spiegel

An den Schulschließungen knüpft sich die nächste Befürchtung an. "Das Schlimmste wäre ein On/Off-Modus zwischen Präsenzunterricht und Fernunterricht", erklärt Ilka Hoffmann gegenüber der Welt. Sie ist Schulexpertin im Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Hoffmann spricht von einem "holprigen" Unterrichtsstart und "vielen Rückmeldungen, dass die Schulen schlecht vorbereitet seien". Sie fordert einen genauen Stufenplan sowie Plan B und C zur Absicherung, um klare Regelungen dafür zu treffen, welche Maßnahmen man anhand des regionalen Infektionsgeschehens ergreift.

Mehr Planungssicherheit also für berufstätige Eltern und Lehrer, die sich in vielen Fällen um den Präsenzunterricht kümmern müssen und dazu einen Fernunterricht vorbereiten und durchführen sollen.

Im Überblicksbild des Spiegel-Artikels ist es um diese Planungssicherheit schlecht bestellt. Auch dort gibt die große Verunsicherung, die die GWE-Schulexpertin beobachtet, die Grundfärbung ab.

"Das Traurige ist: Da ist faktisch nichts passiert."

Kritisiert wird, dass es vielen Schulen in den letzten Monaten nicht gelungen ist, einen brauchbaren Plan B zu erarbeiten, wird Harald Willert, Vorsitzender der Schulleitervereinigung NRW, zitiert. Sein trockenes Fazit: "Das Traurige ist: Da ist faktisch nichts passiert." Und: "Wenn Fernunterricht nötig werde, stünden einige Schulen gut da, andere schlecht."

Es sieht demnach gar nicht gut damit aus, das Problem der Kluft zwischen den Kindern aus besser gestellten Haushalten und solchen, die finanziell kämpfen müssen und einen anderen Bildungshintergrund haben, beherzt und klug anzugehen. Die Mittel fehlen. Es fehlen nötige Computer, gute Netzverbindungen und das Vertrauen, dass Lehrer mit dem digitalen Unterricht zurechtkommen, ist nicht so, wie man es in einem Hochtechnologie-Land erwarten könnte. Die Corona-Krise macht eine Realität sichtbar, die zuvor übersehen wurde.

Gibt es eigentlich einen Plan A?

Die Regelungen sind lokal von Gesundheitsamt zu Gesundheitsamt und im größeren Maßstab von Bundesland zu Bundesland so unterschiedlich, dass man nicht von einem allgemeinen Plan sprechen kann, aber von einer Art "Rezept A". Darauf steht AHA (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) und, nachdem es sich als schwer realisierbar herausstellt, quer durch alle Jahrgänge konstant abgegrenzte Unterrichtsgruppen zu entwickeln und zu bewahren, wird das Maskentragen im Unterricht gerade als Top-Maßnahme diskutiert.

Im Nachbarland Frankreich wird das Maskentragen auch im Unterricht für Schüler ab 11 Jahren zur Pflicht. In Deutschland gibt es in den Ländern jeweils unterschiedliche Regelungen dazu.

Mehrere Stunden lang dem Unterricht mit Maske folgen, im Winter mit Heizungsluft?

Das ist "eine Zumutung und pädagogisch kontraproduktiv", erklärt die Vorsitzende des Elternvereins NRW, Andrea Heck. In Nordrhein-Westfalen laufen seit dem ersten Schultag mehrere Klagen gegen die Maskenpflicht vor Gericht.

Laut der oben erwähnten GEW-Schulexpertin Ilka Hoffmann läuft das Tragen der Masken im Unterricht auf eine Art Folter hinaus:

Die Maske minimiert in einer ungünstigen Situation die Aerosole - aber sie ist kein Ersatz für Abstand und Belüftung. Zudem reduziert sie natürlich die Sauerstoffzufuhr. Bei über 30 Grad sechs Stunden lang dicht gedrängt in einem schlecht belüfteten Raum zu sitzen und dann auch noch mit der Kommunikationsbremse Maske vor dem Gesicht - das ist sowohl für Kinder und Jugendliche als auch für die Lehrer eine Tortur.

Ilka Hoffmann

Sie plädiert für Abstandhalten und Lüften als wirksamsten Infektionsschutz - und macht darauf aufmerksam, dass in vielen Schulen gutes Lüften nicht möglich ist. "In vielen Schulen kann man nur ein kleines Oberlicht aufmachen. Das reicht nicht, um die Aerosole so zu verdünnen, dass sie ungefährlich werden. Stattdessen sitzen Lehrer und Kinder sechs Stunden lang in einem hochkonzentrierten Pool von Aerosolen."

In Bayern signalisiert aktuell Ministerpräsident Söder in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass ihm der Kurs in NRW gut gefällt.

Ich werde mich sehr dafür einsetzen, eine einheitliche Maskenpflicht zu haben, und zwar nicht nur in der Bahn, sondern wir müssen sogar überlegen, ob wir die Maskenpflicht an einigen Stellen jetzt gerade noch einmal in den nächsten ein, zwei Monaten vielleicht noch verstärken können. Man muss noch mal das Modell, das in Nordrhein-Westfalen war in der Schule, das fand ich sehr interessant, wir werden es jetzt in Bayern zeitnah noch mal vor Schulbeginn diskutieren, ob das der richtige Weg ist, ob sich das bewährt hat, aber ich werde mich sehr dafür einsetzen, dass wir einheitliche Regeln haben in Deutschland für Masken, für Bußgelder beim Verstoß von Masken.

Markus Söder

Die Gerichtsklagen in NRW und die oben zitierte Kritik der Unzumutbarkeit der Maskenpflicht im Unterricht erwähnt Söder nicht. Die RKI-Studie, über die am heutigen Samstag berichtet wird, stellt zu Schulen fest, dass sie "keine Rolle bei den Infektionen" (Tagesschau) spielen, sie sind ein "Nebenschauplatz".