Massemonster im All: Sind alle Theorien zu schwarzen Löchern falsch?

Künstlerische Darstellung von J1120+0641

So könnte J1120+0641 vor 13 Milliarden Jahren ausgesehen haben, als das Licht, das wir jetzt von dem Quasar sehen, auf seine Reise zu uns ging. Bild: ESO/M. Kornmesser, CC BY 4.0.

Neue Entdeckungen stellen unser Wissen über Schwarze Löcher in Frage. Ein supermassives Schwarzes Loch ist viel zu groß für sein Alter. Müssen wir umdenken?

Ein schwarzes Loch, das vor zehn Jahren in der kosmischen Morgendämmerung entdeckt wurde, ist einfach zu groß, um seine Entstehung mit dem üblichen theoretischen Instrumentarium zu erklären. Wie Nature Astronomy berichtet, sitzt es im Zentrum der Galaxie J1120+0641 und wiegt weit über eine Milliarde Sonnen.

Größere schwarze Löcher gibt es überall um uns herum. Das Problem ist der Zeitpunkt des Entstehens von J1120+0641. Es war schon 770 Millionen Jahren nach dem Urknall da, und deshalb ist es schwer vorstellbar, wie das schwarze Loch die Zeit hatte, so viel Masse zu gewinnen. Wir sehen die Galaxie so, wie sie vor rund 13 Milliarden Jahren war, weil sie so unglaublich weit weg ist und ihr Licht so lange bis zu uns gebraucht hat.

Das viel zu große schwarze Loch

Wir wissen seit 2011 von der Galaxie und ihrem viel zu großen schwarzen Loch. Einige Jahre lang blieb J1120+0641 die am weitesten entfernte bekannte Quasar-Galaxie. Das schwarze Loch in ihrem Zentrum galt als Ausreißer, und konnte mit exotischen Theorien erklärt werden.

Quasar-Galaxien sind Galaxien, in deren Zentren supermassereiche schwarze Löcher rotieren, die sich mit enormer Geschwindigkeit "ernähren", also weitere Masse ansaugen. Sie sind von einer riesigen Wolke aus Gas und Staub umgeben, die sie so schnell wie möglich verschlingen. Durch die Reibung und die Schwerkraft um das schwarze Loch herum wird das Material aufgeheizt, sodass es hell leuchtet.

Doch jetzt hat das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) neue Beobachtungen geliefert. Demnach erscheint J1120+0641 "schockierend normal" und schließt exotischere Erklärungen für die Gewichtszunahme des schwarzen Lochs aus. Und das ist ein Problem, denn die Geschwindigkeit, mit der sich ein schwarzes Loch "ernähren" kann, ist nicht unbegrenzt.

Schwarze Löcher können nicht unbegrenzt schnell wachsen

Die maximal stabile Rate für den Massenzuwachs eines schwarzen Lochs wird durch das Eddington-Limit bestimmt. Jenseits dieser Grenze leuchtet das erhitzte, in die Singularität fallende Material so heftig, dass der Strahlungsdruck die Schwerkraft übersteigt. Dadurch wird weiter entferntes Material weggedrückt und für das schwarze Loch bleibt nichts mehr übrig.

Allerdings können schwarze Löcher kurzzeitig eine sogenannte Super-Eddington-Akkumulation durchlaufen, bei der sie diese Grenze überschreiten und kurzzeitig so viel Material wie möglich verschlingen, bevor der Strahlungsdruck dem ein Ende bereitet.

Dies ist eine der möglichen Erklärungen für das schwarze Loch im Zentrum von J1120+0641 und, wenn wir sie in größerer Zahl finden sollten, auch für andere große schwarze Löcher, die am Anfang des Universums lauern.

Inspektion durch das James-Webb-Weltraumteleskop

Nun verraten sich Super-Eddington-Akkretionen durch bestimmte Kennzeichen. Doch um J1120+0641 daraufhin zu überprüfen, benötigten die Astronomen Daten mit einer ausreichenden Auflösung. Und die kann derzeit nur JWST liefern, das leistungsstärkste Weltraumteleskop, das bis dato gebaut wurde, und das für den Blick in diese fernen Bereiche von Raum und Zeit optimiert ist.

JWST beobachtete die Galaxie Anfang 2023, und ein Team unter der Leitung der Astronomin Sarah Bosman vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg analysierte das gesammelte Licht, um die Eigenschaften des Materials um das schwarze Loch zu katalogisieren: einen riesigen Torus aus Staub am Rande und eine glühende Scheibe, die um das schwarze Loch herumwirbelt und in es hineinfließt.

Die Analyse zeigt, dass sich das schwarze Loch eigentlich ganz normal "ernährt" – es gibt nichts an seiner Akkretion, was sich wesentlich von anderen, jüngeren Quasar-Galaxien unterscheiden würde. Demnach ist J1120+0641 genau das, was sie zu sein scheint: eine ganz normale Quasar-Galaxie mit einem schwarzen Loch, das keineswegs ungewöhnlich viel Material verschlingt.

J1120+0641 "ernährt" sich ganz normal

Das schwarze Loch und die Art und Weise, wie es wächst, waren nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, bereits relativ ausgereift. "Insgesamt geben die neuen Beobachtungen nur noch mehr Rätsel auf: Frühe Quasare waren schockierend normal", sagt Bosman. "Egal, bei welcher Wellenlänge wir sie beobachten, Quasare sind in allen Epochen des Universums nahezu identisch."

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich diese supermassiven schwarzen Löcher ursprünglich aus ziemlich großen "Samen" gebildet haben, etwa aus dem Kollaps von Materieklumpen oder sogar extrem großen Sternen mit der hunderttausendfachen Masse unserer Sonne. Das könnte ihrem Wachstum einen Vorsprung verschafft haben.

Überraschenderweise kann derartige astronomische Grundlagenforschung ganz praktische Auswirkungen auf unser Leben haben – ganz ähnlich wie die Raumfahrt: So basieren etwa Satellitennavigation, CCD-Chips in Kameras oder wichtige Aspekte der WLAN-Technologie auf Forschungsergebnissen aus der Astronomie.

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