Massenschlachten im Pleistozän
Am großen Sterben der Rüsseltiere trägt wohl doch der Mensch die Schuld
Bis vor eine Million Jahren bewohnten die Rüsseltiere den größten Teil Afrikas, Europas, Asiens und Amerikas. Doch von der ehemals weit verbreiteten und formenreichen Säugetier-Ordnung sind nur drei Elefantenarten übrig geblieben, die in kleinen Gebieten unterhalb der Sahara in Afrika sowie in Südasien leben.
Über die Gründe des großen Sterbens der Rüsseltiere wird immer noch diskutiert: Waren es klimatische Veränderungen oder die Bejagung durch den Menschen, die zum Aussterben führten? Amerikanische Forscher haben das Problem neu aufgerollt. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin PNAS kommen sie zu einem eindeutigen Ergebnis.
Da waren’s nur noch drei
Die Abstammungsgeschichte der Rüsseltiere (Proboscidane) ist durch eine Vielzahl fossiler Funde recht gut bekannt. Sie reicht zurück bis zum Aussterben der Dinosaurier. Mit deren Abschied begann der Aufstieg der Säuger – und damit auch der Riesen unter den Warmblütlern, der Rüsseltiere. Vor zirka 50 Millionen Jahren lebten im Norden Afrikas tapirähnliche Huftiere, die Moeritherien. Sie hatten zwar noch keinen Rüssel, aber schon vergrößerte Schneidezähne.
Vor etwa 35 Millionen Jahren entwickelte sich eine Seitenlinie, die Dinotherien, von der man Fossilien auch in Europa und Asien fand. Einige von ihnen erreichten bereits eine Rückenhöhe bis zu 3,60 Meter. Aus der Zeit vor 30 Millionen Jahren stammen die ersten Fossilien der Mastodonten (Höckerzähner), die sich zur artenreichsten Unterordnung der Rüsseltiere entwickelten. Mit Ausnahme Australiens breiteten sie sich über die ganze Welt aus.
Im Pleistozän (1,8 Millionen Jahre bis 10.000 Jahre v. Chr.) erreichte die Entwicklung der Rüsseltiere ihren zweiten großen Höhepunkt, der gleichzeitig den Niedergang einläutete. Elefanten, Mastodonten und die letzten Dinotherien kamen in den verschiedensten Lebensräumen der Erde gleichzeitig vor – doch dann waren sie verschwunden. Heute existieren noch drei wilde Elefantenarten: der Afrikanische Elefant (Loxodonta afrikana), der Waldelefant (Loxodonta cyclotis) und der Asiatische Elefant (Elephas maximus), doch auch sie sind vom Aussterben bedroht.
Wer rottete die Rüsseltiere aus?
Warum von den ehemals 160 bekannten Rüsseltierarten nur drei bis heute überlebten, ist nach wie vor umstritten. Während Befürworter der Klimatheorie davon ausgehen, dass die Rüsseltiere mit den rasch wechselnden Klimabedingungen des Pleistozäns nicht mithalten konnten, führen die Kritiker dieser These das Aussterben auf die Ankunft eines neuen und sehr effizienten Feindes zurück: auf prähistorische Menschen, die mit den ersten steinzeitlichen Waffen ausgerüstet, auf die Jagd gingen.
Todd Surovell und ein Anthropologenteam des Department für Anthropologie der University of Wyoming haben diese Thesen einer erneuten Prüfung unterzogen. Sie erstellten eine Landkarte aus archäologischen Fundorten (insgesamt 41 Orte), die einen Zeitraum von 1,8 Millionen Jahren bis 10.000 vor Christus abdecken. Dabei bezogen sie nur Orte mit ein, bei denen sicher war, dass Frühmenschen und Rüsseltiere dort zur selben Zeit gelebt hatten und die Rüsseltiere von den Menschen getötet worden waren.
Spezifisches Muster
Die Forscher fanden heraus, dass die archäologischen Fundorte ein bestimmtes Muster ergeben, wenn man sie auf der Landkarte zusammen mit den Expansionsbewegungen des Menschen verzeichnet. Sie sind jeweils auf der äußersten Linie angeordnet, die das Vordringen des Menschen bei der Besiedelung der Welt zu bestimmten Zeitpunkten markiert.
Bei den globalen archäologischen und paläontologischen Daten zeichnet sich ein immer wieder auftretendes Muster ab: Der Mensch dringt in ein neues Gebieten vor. Er jagt Rüsseltiere. An diesen Orten sterben die Rüsseltiere aus. In der Gegenwart wie in der Vergangenheit haben Rüsseltiere in Gebieten überlebt, in welche die Menschen nicht vordrangen oder in denen die menschliche Besiedelungsdichte kein Ausmaß erreichte, das zu einem lokalen Aussterben der Rüsseltiere führte.
Todd Surovell
Klima unterstützt das Aussterben
Klimatische Faktoren stehen nach der Interpretation von Surovell und Kollegen nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Aussterben, sie spielen jedoch indirekt eine Rolle. Die Klimaveränderungen eröffneten dem Menschen im Verlauf des Evolutionsprozesses neue Lebensräume und ermöglichten ihm so, in Räume vordringen, in denen die Rüsseltiere vorher geschützt lebten.
Drei Ereignisse bezeichnen die Forscher als „entscheidend“ für das Aussterben: Die Evolution eines Hominiden, der mit Waffen auf Jagd geht. Die Entstehung eines Menschen, der kulturell und von seinem Verhalten her flexibel genug ist, sich sämtlichen Lebensräumen anzupassen, in denen Rüsseltiere existieren, und seine Ausbreitung in diesen Lebensräumen.
Dabei waren die Rüsseltiere gewissermaßen anfällig für das Aussterben durch intensive Bejagung: Wie alle anderen großen Säugetiere benötigen sie ausgedehnte Lebensräume, sie haben weniger Nachwuchs und es dauert länger bis er flügge ist, daher vergrößern sich ihre Populationen nur langsam.
Schutz im Regenwald
Damit bleibt noch zu erklären, warum drei Elefanten-Arten bis heute überlebten. Bislang wurde dies als Koevolution von Jäger und Beute gedeutet, wobei die Elefanten Verteidigungsmechanismen entwickelten, wie sie sich z. B. im aggressiven Verhalten der wilden Elefanten dem Menschen gegenüber manifestieren. Surovell und Kollegen fügen hier noch eine weitere Begründung hinzu. Wie sie schreiben, leben die verbliebenen Elefantenpopulationen in Afrika und Asien überwiegend in Regenwaldgebieten. Sie haben sich damit in einen Lebensraum zurückgezogen, in dem der Mensch nie in großen Gruppen lebte.
Trotzdem ist das Überleben der verbliebenen Elefanten alles andere als gesichert. Die Abholzung der Regenwälder gefährdet auch dieses Refugium. Und so haben die Elefanten – wenn überhaupt – in Reservaten eine Chance zu überleben, als eine Art museale Schaustücke.