Massentierhaltung: Ist ein Ende der Qualen absehbar?
Seite 2: Gequälte Masthähnchen und leidende Milchkühe
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Deutsche Masthühner müssen ihr 40 Tage kurzes Leben bei Kunstlicht in qualvoller Enge mit Artgenossen ertragen, bevor sie maschinell getötet und ihre Brust in Plastik verpackt im Discounter verramscht wird. In den zehn größten Geflügelschlachtbetrieben in Brandenburg lassen Tag für Tag Hunderttausende Hühner und Puten ihr Leben.
Mehr als 800.000 weitere Mastplätze sind genehmigt, schließlich geht es um Arbeitsplätze. Gleichzeitig aber sieht der neue Brandenburger Tierschutzplan vor, das Hühnerleben in den Megaställen zu verbessern. Wie soll das gehen, ohne die Preise für Geflügelfleisch zu erhöhen?
Geflügelmast: Systematische Verstöße gegen Tierschutz
Gerade in der Geflügelmast wird systematisch gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. So deckte die Organisation Animal Rights Watch 2015 erhebliche Missstände in den Ställen führender Agrarfunktionäre auf, also jener Leute, die mit vorbildhaften Betrieben als Aushängeschild für deutsche Mastställe dienen sollten. So lange diese Missstände von denselben Funktionären vehement geleugnet werden, werden sie wohl kaum dazu bereit sein, einen Strukturwandel in der Tierhaltung einzuleiten.
Gemeinsam mit der Tierrechtsorganisation Menschen für Tierrechte Baden-Württemberg e. V. reichte die Albert-Schweitzer-Stiftung kürzlich eine Verbandsklage wegen Tierquälerei in württembergischen Mastbetrieben ein. In der Klage wurden anhand eines Putenmaststalls Überzüchtung, betäubungsloses Schnabelkürzen und das Zusammenpferchen von mehr als 10.000 Puten in verdreckten Hallen angeprangert, ferner der Mangel an Beschäftigungsmaterial sowie Fehlbetäubungen bei der Schlachtung.
Ginge der Fall erfolgreich durch alle Instanzen, so hoffen die Tierschützer, müsste die Politik endlich Verordnungen zu artgerechten Haltung zur Mastgeflügel erlassen. Dies würde das Aus für die industrielle Putenmast bedeuten.
Milchviehhaltung: Krankheitsanfällige Hochleistungskühe
In der Milchviehhaltung sieht es nicht besser aus. Hochleistungskühe müssen immer mehr Milch bringen. Dafür werden ihnen riesige Euter angezüchtet. Weniger als die Hälfte aller deutschen Kühe dürfen an die frische Luft und auf die Weide. Die anderen bleiben ganzjährig im Stall. Durch jahrelange Zucht auf Hochleistung werden die Tiere immer anfälliger gegenüber Krankheiten, weshalb sie immer mehr Medikamente brauchen.
Nach spätestens fünf Jahren ist der Organismus ausgelaugt, dann wandert die Kuh in den Schlachthof. Hohe Milchleistungen gibt es nur mit sojahaltigem Kraftfutter. Der Anbau des verfütterten Soja zerstört andernorts die Umwelt nachhaltig. So wird immer mehr Regenwald wird gerodet, immer mehr Wiesen werden umgepflügt, um neue Flächen für die Futtermittelanbau zu gewinnen.
Initiative Tierwohl - Betrug am Verbraucher?
Seit 2015 versucht die Fleischindustrie mit der Initiative Tierwohl (ITW) das verlorene Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Doch was seither unternommen wurde, ist kaum mehr als ein Herumdoktern an Missständen. Leider sind einfachste Maßnahmen wie eine Handvoll Stroh oder drei Prozent Licht in den Schweineställen nicht durchsetzbar, kritisiert der Deutsche Tierschutzbund, der seine Zusammenarbeit mit der ITW schon 2016 beendete.
So hat ein Mastschwein nun 83 Quadratdezimeter Platz, also acht Quadratdezimeter mehr als früher. Das allein löst aber nicht die Probleme der Massentierhaltung. Von Stroheinstreu, Rauhfutter, Beschäftigungsmaterial, Auslauf und all dem was für ein glückliches Schweineleben nötig wäre, sind die Mäster, die ihren Produkten das neue Tierwohl-Siegel aufkleben, weit entfernt.
Mit vier Cent mehr pro Kilo Fleisch ist eine echter Wandel in der Tierhaltung eben nicht zu leisten. Dafür hilft das Siegel der Agrarindustrie, deren ramponiertes Image wieder aufzupolieren.
Agrarbranche in der "Akzeptanzkrise"
Die Agrarbranche befände sich in einer "Akzeptanzkrise", räumte die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) noch vor einem Jahr ein. Wenig ist seither passiert, um diese Krise zu überwinden. Nach wie vor leiden Nutztiere unter vermeidbaren Erkrankungen und Schmerzen, bilanziert auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.
Die letztjährigen Versprechungen, die der Agrarminister zu Beginn der Grünen Woche im Januar 2018 wiederholte - mehr Tierwohl in den Mastställen, Verbot des Kükentötens, weniger Glyphosat, mehr Schutz für Insekten - sind bis heute nicht eingelöst. Sie werden erneut ins Leere laufen, sollten die alten Agrarstrukturen unangetastet bleiben.
Dabei wären fundamentale Änderungen in der Nutztierhaltung dringend nötig. Dazu aber müsste ein System ausgehebelt werden, das nur den großen Agrar- und Tierproduktionskonzernen nützt. Für mehr Tierwohl und Umweltschutz bräuchte es mehr Geld, vor allem für die kleineren Landwirtschaftsbetriebe.
Der hohe Preis
Das wiederum bedeutet, dass tierische Produkte teurer würden. Vor allem müssen Verbraucher weniger auf billige Preise und stattdessen mehr auf Produktqualität achten. Andernfalls werden spätere Generationen für unsere Versäumnisse zahlen müssen.
Und die Kosten, die durch vergiftete Böden und Gewässer, gerodete Wälder etc. anfallen, dürften deutlich höher liegen, als ein Stück Fleisch aus artgerechter Haltung jemals kosten kann.
Fleischatlas 2018 (Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung)
Film - Das System Milch