Materieller und spiritueller Krieg gegen den Antichrist
Mit "Left Behind: Eternal Forces" soll dem "christlichen" Computerspielmarkt mit Realismus und Gewalt zum Durchbruch verholfen werden
Christliche Kirchen, zumal wenn sie kapitalistische Unternehmen wie in den USA sind, haben schon lange versucht, sich an die jeweiligen Trends der populären Kultur anzuhängen oder diese zu übernehmen, um die junge Generation anzulocken. Seit einiger Zeit schon stehen nach christlicher Musik und christlichen Filmen auch Computerspiele hoch im Kurs. Seit drei Jahren wird denn auch die Christian Game Developers Conference veranstaltet, die erst kürzlich wieder stattgefunden hat, um spielerisch die biblische Botschaft unter das Volk zu bringen und auf dem erhofften neuen Markt auch ein bisschen zu verdienen.
Bislang aber haben sich die Massen von den christlichen Spielen noch nicht so recht überzeugen lassen, auch wenn man bereits ein paar kräftige Schritte der profanen Computerspielkultur entgegen gekommen ist (Im ewigen Krieg). Mit einem neuen Strategiespiel, das im Laufe des Jahres auf den Markt soll, will man mit höherem Realismus die Kinder und Jugendlichen christlich und mit reichlich Action und Gewalt gegen die bösen Kohorten des Anti-Christen antreten lassen.
Ob die christliche Religion die Religion der Nächstenliebe, des Friedens oder des Humanismus ist, darüber kann man sich trefflich streiten. Wie in anderen Religionen (und Ideologien) auch gibt es zahlreiche Strömungen und Gruppierungen. In den USA spielt vornehmlich bei fundamentalistischen und wiedererweckten Christen die Apokalypse und der Kampf gegen das Böse eine wichtige Rolle. Das ist auch das Thema der christlichen Bestseller-Serie Left Behind, die angeblich auch US-Präsident Bush gerne liest. Bislang haben die Autoren Jerry B. Jenkins und Tim LaHaye 14 Bände vorgelegt, die sich gut verkaufen und teilweise Bestseller auf Platz 1 waren – und auch zum großen Teil auf deutsch erschienen sind und ansonsten vielfach vermarktet, ergänzt und für Kinder umgesetzt wurden.
Hier geht es spannend um den Endkampf zwischen den Guten und Bösen, bevor die Welt untergeht und das Reich Gottes mit der Rückkehr Christi beginnt. Wo es hart auf hart geht und die Erlösung oder die Verdammnis auf dem Spiel steht, ist es Schluss mit der Nächstenliebe und muss mit allen Mitteln gegen die Truppen des Bösen gekämpft werden, die im Fall der Roman-Serie vom Anti-Christen angeführt werden, der auch noch UN-Generalsekretär und daher Chef der bösen Global Community Peacekeepers ist. Man muss sich also nicht wundern, wenn in der Anhängerschaft solcher christlichen Strömungen die Vereinten Nationen auf keinen grünen Zweig kommen oder Teil einer Verschwörung sind. Am 06.06.06 wird das neueste Buch „The Rapture“ erscheinen.
An den Erfolg der Serie „Left Behind“ will man nun mit einem ersten Computerspiel der Firma Left Behind Games anschließen. Sie hat ein anspruchsvolles Programm und große kommerzielle Erwartungen. Man will „der weltweit führende unabhängige Entwickler und Anbieter von qualitätsvollen interaktiven Unterhaltungsprodukten werden, die positive Werte vermitteln und für Christen und Spieler attraktiv sind“. Zudem ist man natürlich auch den dem „Zuwachs des Shareholder Value“ verpflichtet. Die Spiele sollen direkt über Kirchen und „megachurches“ vertrieben werden. Spiele seien ein „neues Mittel“, so Troy Lyndon, CEO von Left Behind Gemes, “um die Zwei-Minuten-Generation dazu zu bringen, über Dinge von ewiger Bedeutung in einer Weise nachzudenken, die nicht religiös ist.” Man will also zweigleisig fahren und zwängt „Christliches“ in die üblichen Muster der Computerspiele. Da werden dann schon die Bösen erschossen und der christliche Gute kommentiert: „Gelobt sei der Herr“.
'Left Behind' enthält den Antichrist, das Ende der Welt, die Apokalypse. Es enthält die christlichen Themen und trotzdem auch alle coolen Inhalte.
Jeffrey S. Frichner, Mitentwickler des Spiels
Offenbar ist das Kämpfen mit allen Mitteln einer der „positiven“ christlichen Werte, wie dies auch bei America’s Army, dem Propagandaspiel der US-Army, der Fall ist. Während dort aber immer nur gegen die Bösen gekämpft werden kann, bietet das erste Spiel „Eternal Forces“, bei dem man einen „materiellen und spirituellen Krieg“ mit Gebeten und modernen Waffen führt, auch die Möglichkeit, die Seiten zu wechseln und mit dem Anti-Christ und seinen Global Community Peacekeepers gegen die aufrechten Christen zu kämpfen. Die setzen auch Dämonen ein, die sich von den Christen ernähren, während auf deren Seite die Engel kämpfen. Auf welcher Seite aber immer man steht, es geht ums Töten der Anderen. Schauplatz des Endkampfs ist New York.
Eigentlich sind die christlichen Computerspiel-Entwickler angetreten, um den profanen, auf Sex und Gewalt basierenden Spielen ein wenig spirituellere Angebote entgegenzusetzen. So heißt es bei der Christian Game Developers Foundation, die aufgrund „der Sorge um den gegenwärtigen Stand der Computerspiele und den Einfluss, den diese Spiele auf unsere Kinder haben können“, gegründet wurde. Zu den Mitgliedern gehören auch „Left Behind Games“:
Today, 87% of children regularly play video games. Unfortunately, as the technology has improved, making video games more and more realistic, the trend has been toward graphically violent and sexually provocative games often with dark or occult themes.
Und genau gegen diesen Trend will man eigentlich Alternativen entwickeln, sagte zumindest Reverend Ralph Bagley, Sprecher der CGDF. Die Menschen seien der „gewalttätigen dämonischen Spiele müde“. Christliche Spiele würden „kein Blut, keine Gedärme, keinen Schmutz“ beinhalten, da man nicht alleine auf Adrenalin setze.
Sexualität scheint bei “Eternal Forces” tatsächlich nicht vorzukommen, ob es okkult ist, mag eine Frage des Standpunktes sein. Bei der Handlung geht es um die Apokalypse, die sich dadurch ankündigt, dass plötzlich viele Menschen einfach verschwinden, die Gott zu sich holt. Damit sind die letzten Tage eingeleitet, die Zurückgebliebenen müssen den Rest der Zeit in den Kampf ziehen. Irgendwie geht es zwar ums Töten und um Schlachten im Endkampf, aber Gewalt und Tod würden angeblich doch anders dargestellt als in den üblichen Gewaltspielen. Auch wenn man seine Truppen wild mit Panzern oder Gewehren in dem Strategiespiel herumballern lässt, würde es ein familienfreundliches Spiel sein, bei dem man alles gemacht habe, um einen „hohen Standard an Anstand und Inhalt“ zu setzen. Das Spiel sei „nur ein wenig gewalttätiger als ein animiertes Schachspiel“, verspricht Troy Lyndon. So ist wohl ein christliches Moment, dass die Soldaten des Guten ein wenig an Spiritualität verlieren, wenn sie einen Gegner getötet haben. Um wieder aufzutanken, muss gebetet werden. Wird dies versäumt und sinkt „spirit“ auf niedrig, kann die Spielfigur vom Feind übernommen werden. Und „nicht notwendige Tötungen“ würden den Spirit-Level senken, der zum Gewinnen notwendig sei.