Medien-Profis auf verzweifelter Suche nach dem falschen Feind

FAZ, Die Welt: Wie sie Deutschlands größte Aktionäre unsichtbar machen – und auch die etwa 8.000 Briefkastenfirmen, in denen allein BlackRock seine Dax-Aktien versteckt.

Niemand hat so viele Aktien an Banken, Unternehmen und Wohnungen in Deutschland wie BlackRock. Dieser größte Kapitalorganisator des US-geführten Westens mit Sitz in New York ist zudem immer in Begleitung der zweit- und dritt- größten Eigentümer dieser Art, also von Vanguard, State Street usw. Und sie sind zudem durch Aktienanteile noch untereinander verflochten.

Darüber weiß die deutsche Öffentlichkeit fast gar nichts, und die Bundesregierung und der Bundeskanzler und Wirtschaftsminister und Finanzminister wissen es (angeblich) auch nicht. Und die vorherige Bundeskanzlerin Angela Merkel wusste davon (angeblich) auch nichts.

Da ist also doch Aufklärungsbedarf, oder? Gerade jetzt in der Krise, in der BlackRock & Co. auch mit den explodierenden Konzern-Gewinnen und den gesteigerten Gas- und auch Mietpreisen im besonderen doch irgendwas zu tun haben?

"Einzigartige Recherche: Wem gehören Deutschlands Häuser?"

Und da machte sich jetzt ein Reporter-Team der Welt am Sonntag (WAMS) wochenlang an die Arbeit: "Mit einer erstmaligen Recherche" sollte aufgeklärt werden: "Wem gehören eigentlich Deutschlands Häuser und Grundstücke?" Hinzugezogen wurde noch ein leibhaftiger Professor, Jakob Miethe von der Universität München, dann noch "einer der angesehensten Immobilienexperten des Landes", Christoph Meyer von CM Best Retail Properties, ebenso der "Transparenzexperte" Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Dieses gehäufte Profi-Kompetenz-Team befragte Amtsgerichte, Liegenschafts- und Katasterämter aller Bundesländer. Auf sechs (6!) ganzen Zeitungsseiten breitete die Redaktion die Erkenntnisse aus: "Wem gehören Deutschlands Städte?" (WAMS 2.10.2022) Und da heißt es: "Am Immobilienmarkt tummeln sich Goldgräber, Geldwäscher, anonyme Abzocker." Also heiße Spur, oder? Abgründe tun sich auf!

Diese bösen Verbrecher sind gerade in großen Städten zu tausenden die Eigentümer der Wohnungen, fanden die WAMS-Profis: In Hannover, Dresden und Erfurt zum Beispiel gehören 19 Prozent der Wohnungen anonymen Gesellschaften mit Sitz im Ausland, "in einem der bekannten Schattenfinanzplätze".

In Hannover haben sich bei 58 Prozent der Wohnungen die Goldgräber, Geldwäscher und anonymen Abzocker in der Schweiz versteckt, dann in den USA, in Großbritannien, Luxemburg und den Niederlanden. Und bei den 47 Prozent der Wohnungen in Essen, die Dunkelmännern und Dunkelfrauen gehören, sind es teilweise ein paar andere übliche Schattenfinanzplätze: Nach der Schweiz rangieren hier Österreich, Israel und Zypern und dann wieder Luxemburg und die Niederlande.

Einziger Geldwäscher mit Name und Foto: russischer Oligarch und seine Villa am Tegernsee

Abgesehen davon, dass sich die WAMS mit der Nennung des Schattenfinanzplatzes Israel natürlich des Antisemitismus verdächtig macht (Herr Antisemitismus-Beauftragter der Bundesregierung: übernehmen Sie!), bringt das hochrangige Team aus dem Schattenplatz-Dunkel auch konkrete, wenn auch sehr wenige Namen ans Medienlicht: Die britische Familie Pears mit 3.000 Wohnungen in Berlin, den Rapper Bushido, der mit seinem Vater ein Villen-Ensemble in Kleinmachnow für 7,4 Millionen Euro gekauft hatte.

Und dann zieht Transparenzexperte Trautvetter noch zeitgeistig (neuer großer Feind: Russland!) den größten Fisch aus dem Dunkel: den leibhaftigen russischen Oligarchen Alischer Usmanov. Eine Villa, die ihm gehören soll, sei in den vergangenen Tagen von der Polizei durchsucht worden, wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Und dieser namentlich enttarnte, jedenfalls vermutete Dunkelmann ist der einzige, der in der WAMS-Reportage mit einem Foto abgebildet ist.

Blindstelle I: Vonovia, Deutsche Wohnen usw. gibt's nicht

In der aufwendigen WAMS-Recherche, zu der auch noch die Unternehmens-Datenbank Orbis herangezogen wurde, fehlen alle großen Wohnungskonzerne in Deutschland, angefangen bei Vonovia, dann Deutsche Wohnen, dann LEG, Deutsche Euroshop, alstria Office, Vivawest usw. Und es fehlen dann natürlich auch alle ihre Eigentümer.

In allen diesen Konzernen gehört z.B. der US-Kapitalorganisator BlackRock zu den führenden Aktionären. Bei Vonovia (550.000 Wohnungen, 163.000 Garagen und Stellplätze, 8.900 Gewerbeeinheiten) ist BlackRock der zweitgrößte Aktionär, bei Deutsche Wohnen (155.000 Wohnungen, 77 Pflegeheime, 1.000 Appartments für betreutes Wohnen, 2.900 Gewerbeeinheiten) und bei LEG (167.000 Wohnungen) ist BlackRock der drittgrößte Aktionär.

Blindstelle II: BlackRocks größte Finanzoase Delaware/USA: Gibt’s nicht

Nehmen wir nur mal die 7,29 Prozent der Aktien bei Vonovia, mit denen BlackRock der zweitgrößte Aktionär ist. BlackRock selbst hat seinen rechtlichen und steuerlichen Sitz in Delaware, dem winzigen US-Staat, der größten Konzern-Finanzoase des westlichen Kapitalismus. Mit weniger als einer Million Einwohnern hat sie die für eine Finanzoase passende Größe.

Der Mini-Staat beherbergt wohl neben dem BlackRock-Zentralbriefkasten und weiteren BlackRock-Nebenbriefkästen mindestens eine den Bewohnern gleich große Zahl an Briefkastenfirmen und schützt sie zugleich mit dem kapitalfreundlichsten Unternehmens- und Finanzrecht der Welt: Da dringt nichts nach draußen in feindliche Finanzämter der ansonsten eng verbundenen Bündnisstaaten wie Deutschland.

Außerdem hat Delaware mit US-Präsident Joe Biden einen ganz besonderen Schutzpatron: Biden machte vier Jahrzehnte lang als Senator für Delaware Lobby für seine Finanzoase im US-Kongress, und dann noch als Vize von US-Präsident Barack Obama. Der hatte mit Bidens Hilfe wiederum besonders enge Beziehungen zu BlackRock.

So kommt es, dass mit dem jetzigen Präsidenten Biden auch wieder, wie bei Obama, drei BlackRock-Manager in der US-Regierung mitregieren: Als Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats (National Economic Council), als Vize-Finanzminister und als Chefberater von Vizepräsidentin Kamala Harris.

Aber dass Vonovia-Aktionär BlackRock seinen Sitz in dieser Finanzoase hat – keine Silbe bei den WAMSlern. Es verbietet sich offensichtlich ganz automatisch, sozusagen aus den Tiefen des journalistischen Unterbewusstseins, dass das Hoch-Kompetenz-Team der WAMS, hier überhaupt hinschaut, nicht wahr? Oder haben Sie eine andere Erklärung?

Blindstelle III: Briefkästen für die superreichen Kunden in Delaware: Gibt's nicht

Die Geschichte ist aber damit noch nicht zu Ende. Die 7,29 Prozent der Aktien von BlackRock in Vonovia stellen beim gegenwärtigen Börsenstand einen Wert von etwa 1,3 Milliarden Euro dar.

Sie sind auf die eigentlich "wirtschaftlich Berechtigten" verteilt, das sind 199 Personen (reale oder fiktive, das lassen wir jetzt mal beiseite). Sie haben BlackRock ihr Kapital zur möglichst hohen Vermehrung anvertraut und werden von BlackRock im Unternehmen vertreten.

BlackRock sorgt mit den anderen Großaktionären wie Norges, Vanguard, Fideliy dafür, dass Vonovia die Mieten und Nebenkosten erhöht und die Einkommen der Handwerker und Hausmeister senkt. Die so entstehenden Gewinne überweist BlackRock, nach Abzug einer Gebühr, an die 199 Personen, beziehungsweise, genauer gesagt, an die für sie eingerichteten 199 Briefkastenfirmen.

Und diese Briefkastenfirmen heißen BlackRock Holdco 2, BlackRock Holdco 3, BlackRock Holdco 4 undsoweiter. Sie haben ihren Sitz wie BlackRock selbst ebenfalls im Biden-BlackRock-Staat Delaware.

Sie alle kommen im WAMS-Bericht nicht vor. Der wollte doch endlich aufklären: Wem gehören die Wohnungen in Deutschlands Städten?

Blindstelle IV: Briefkästen auf Cayman Islands – gibt's nicht?!

Aber weiter: Dann sind die von WAMS genannten "Goldgräber, Geldwäscher und anonymen Abzocker" in weiteren anonymisierten Briefkastenkonstrukten versteckt, sie heißen etwa BlackRock Cayman West Bay IV, BlackRock Cayman West Bay Finco, BlackRock Cayman 1 und so weiter. Das sind 30 solcher Konstrukte.

Bis 2002 waren die Cayman Islands aus kolonialer Vergangenheit eine britische Kronkolonie und unterstanden der seligen britischen Queen, die über die Inselgeheimnisse ihre schützende lukrative Hand hielt. Als beschönigend nun sogenanntes britisches "Überseegebiet" dienen die Cayman Islands weiter den anonymisierten Superreichen, die von BlackRock & Co. bedient werden.

Und wieder: Sie alle kommen im WAMS-Bericht nicht vor.

Blindstelle V: BlackRock-Briefkästen in Jersey, Singapur, Irland – gibt's nicht?!

Aber weiter: Dann finden sich in weiteren Finanzoasen weitere Briefkästen. Sie heißen etwa BlackRock Jersey International Holdings, BlackRock Singapore Holdco Pte., BlackRock Asset Management Canada, BlackRock Investment Management Australia, BlackRock Investment Management Holdings Ireland, und auch noch ein paar wenige verstreute wie BlackRock Luxembourg S.a.r.l. und BlackRock Netherlands B.V.

Ergebnis also: Alle heute im US-geführten Westen wichtigen Finanzoasen, die von den führenden Immobilien-Eigentümern wie BlackRock in Deutschland genutzt werden – sie werden im 6 Zeitungsseiten langen WAMS-Bericht mit keiner Silbe erwähnt.

So bleibt die mit aufwendiger "Aufklärung" und Oligarchen-"Enthüllung" aufgeklärte Leserschaft so unaufgeklärt wie vorher, mehrheitlich wohl akademisch Gebildete. Sie dürfen aber das "Gefühl" haben, jetzt endlich mal aufgeklärt zu sein über die "Goldgräber, Geldwäscher und anonymisierten Abzocker", die in Deutschlands Städten ihr Unwesen treiben.

Die FAZ kann es auch: BlackRock & Co. gibt’s gar nicht

Derweil sind die großen Unerkannten, die Monopolisten BlackRock & Co., führend beim Hochtreiben der Mieten und Nebenkosten und der Preise für Eigentumswohnungen und beim Absenken der Löhne für Hausmeister und Handwerker.

Und diese großen Unerkannten treiben, als führende Aktionäre der Fracking-, Öl- und Gaskonzerne auch noch die Preise auf diesen Gebieten hoch und verarmen die Mehrheit der Bevölkerung, in Deutschland und in der ganzen EU und darüber hinaus.

Machen wir es kurz: Andere Leitmedien können das professionelle Lügen mit zeitgeistig zugerichteten Fakten auch.

Nehmen wir die nationalistische "Zeitung für Deutschland". Die FAZ vom 24.9.2022 titelt: "Dividenden fließen ins Ausland". Untertitel: "Der Großteil der Dax-Konzerne ist in der Hand ausländischer Aktionäre". Aha, könnte man sagen: Endlich mal eine klare Ansage! Dann stellt die FAZ die aktuellen "Mindestanteile ausländischer Investoren am Aktienbestand der Dax-Konzerne" dar.

Die Liste beginnt mit Vonovia: 86 Prozent im Ausland. Bis zum 24. Konzern der 40 Dax-Konzerne betragen die ausländischen Anteile über 50 Prozent, also etwa bei Deutsche Börse, Adidas, Siemens, Puma, Zalando, Mercedes, RWE, Bayer, Allianz, Deutsche Bank, Eon, Munich Re, Deutsche Post.

Wahrscheinlich ist der Anteil ausländischer Investoren höher, deutet die FAZ in einem Nebensatz an, denn immerhin 17 Prozent aller Dax-Aktien "werden von den Unternehmen nicht genau aufgeschlüsselt und lassen sich damit nicht eindeutig zuordnen." Das kümmert die FAZ-Journalisten aber nicht weiter. Rechtsfreien Raum – das nehmen wir hin, jedenfalls wenn es um private Gewinne geht, nicht wahr?

FAZ-Blindstelle I: Die Gewinner sitzen in Kuwait, Hongkong und Peking?!

Die Aktionäre der Dax-Konzerne haben beschlossen, dass sie sich für das Jahr 2021 insgesamt etwa 50 Mrd. Euro an Dividenden-Gewinnen auszahlen, 50 Milliarden, nicht schlecht für so ein angebliches Krisenjahr, oder? 2021 ist sogar ein Rekordjahr! Gewinne so hoch wie noch nie!

Und wohin fließen nun genau diese Gewinne der Dax-Konzerne? Diese Fragen sollen ja im FAZ-Artikel beantwortet werden, könnte man erwarten, aufgrund des Titels. Die Kapital-Postille deutet zunächst an, in die richtige Richtung: "Bei der Zusammensetzung der ausländischen Aktionäre hat es eine Verschiebung hin zu mehr nordamerikanischen Investoren gegeben." Aha: Und wie heißen diese nordamerikanischen Investoren?

Die Antwort der FAZ, der "Zeitung für Deutschland", lautet: Die Aktionäre kommen aus Kuwait, Hongkong, Katar und China! Ach so?

Aber liegen alle diese aufgezählten Standorte etwa in Nordamerika, oder was? Toller Blindflug der FAZ-Schreiberlinge! Sind sie einfach nur demagogisch? Oder gar professionell demagogisch?

Natürlich gibt es einzelne solche Aktionäre aus Kuwait, Hongkong, Katar und China, etwa bei den Autokonzernen und Deutscher Bank, jetzt im Oktober 2022 beim Börsengang von Porsche: Diese Investoren sind jeweils aber nur in zwei, höchstens drei Dax-Unternehmen vertreten.

Dagegen ist BlackRock führender Aktionär in allen 40 Dax-Konzernen. Und ist der größte Aktieninhaber in Deutschland. Und holt für seine superreichen Kapitalgeber:innen die meisten Gewinne aus Deutschland heraus, mehr als jeder andere Aktionär (auch aus anderen Unternehmen, die nicht im Dax sind) – aber die FAZ-Vertreter erwähnen BlackRock mit keiner Silbe.

FAZ-Blindstelle II: BlackRocks etwa 8.000 Briefkästen im Dax

Die Nichtnennung trifft auch für die nächstgrößten US-Aktionäre wie Vanguard und State Street zu, die zwar nicht in allen, aber mehr als alle anderen Investoren in der Mehrheit der Dax-Unternehmen präsent und zudem mit BlackRock noch aktionärsmäßig verflochten sind.

Und natürlich braucht dann auch die FAZ nicht auf die 199 Briefkastenfirmen einzugehen, in denen BlackRock als Vonovia-Aktionär seine superreichen Kapitalgeber in Delaware, den Cayman Islands und Hongkong versteckt.

Und natürlich braucht dann die FAZ auch nicht die 200 Briefkastenfirmen zu nennen, in denen Blackrock als Daimler-Aktionär seine dortigen superreichen Kapitalgeber in Delaware und so weiter Sie wissen jetzt schon versteckt.

So braucht die FAZ auch nicht auf die etwa 8.000 von BlackRock vermittelten Briefkästen seiner anonymisierten superreichen Kunden einzugehen, die in Dax-Konzernen von BlackRock vertreten werden.