Medienethik: Süddeutsche Zeitung auf dem Prüfstand

Seite 2: Medienjournalismus und Selbstkritik: Ein seltenes Phänomen

Aus inzwischen drei Jahrzehnten Medienjournalismus sei versichert: Keine Berufsgruppe gibt so selten und wenn so unwillig Auskunft über ihre Arbeit wie Journalisten.

Dass Anfragen an Redaktionen oder einzelne Mitarbeiter schon beim ersten Mal beantwortet werden, ist eher Ausnahme als Regel. Selbst eigens dafür eingerichtete Pressestellen bei den Verlagen und Rundfunkanstalten reagieren oft gar nicht.

Dabei dürften sich Anfragen zur journalistischen Arbeit in Grenzen halten. Medial thematisiert wird sie jedenfalls selten. Wenn, dann geht es um Personalien oder politische Positionen, kaum hingegen um die Qualität des Journalismus und die journalistischen Arbeitsweisen.

Die geringe Übung in öffentlicher Debatte über die eigene Arbeit dürfte ursächlich dafür sein, dass "die SZ-Medienprofis die Dynamik einer medialen Öffentlichkeit nicht verstehen", die sie nun gerade erleben, wie Benedict Neff in der NZZ analysiert.

Dafür spricht auch, zu wie vielen Hinweisen auf Fehler, Unvollständigkeiten oder Einseitigkeiten in ihren Beiträgen Redaktionen etwa auf X schlicht gar nicht reagieren. Als existiere nicht, was außerhalb des eigenen Blattes oder Senders diskutiert wird.

Konkurrenz und Koexistenz: Medien im Wettbewerb

Hinzu kommt, dass Medien zunächst Wirtschaftsbetriebe sind. Ob sie nun Kunden und Werbetreibende gewinnen oder die ihnen zugeteilten Gebühren rechtfertigen müssen, zuallererst wollen wohl alle Berufstätigen mit ihrer Arbeit Geld verdienen.

Da mag eine für die Öffentlichkeit relevante Aufklärung nicht immer an oberster Stelle stehen, wenn es darum geht, mit welchen publizistischen Beiträgen das Unternehmen Geld umsetzt. Im Zweifel sind alle anderen Konkurrenten.

Mit Konkurrenten kann man auch ohne Worte einen "Stillhaltepakt" schließen nach dem Motto: Wir lassen euch in Ruhe und ihr uns. Es ist nicht nur in diesem Falle just ein kleines Special-Interest-Medium, das die Geschichte ausgegraben hat. Nun kann jeder sagen: "Medieninsider war's" – und somit trotzdem über den Konkurrenten berichten.

Vertraulichkeit ist unbenommen wichtig, aber eben nicht nur in Redaktionen, sondern zunächst einmal überall, wo sich Menschen darauf verlassen, sich in einem geschützten Raum auszutauschen. Wann ein öffentliches Interesse überwiegt, wird von Journalisten sicherlich nicht ganz konsistent ausgelegt.

Die eigene Arbeit möchte man jedenfalls nicht gerne ohne Zustimmung coram publico seziert sehen. Die der anderen aber womöglich schon.

Marion Horn, Chefredakteurin der Bild, schreibt: "Nur fürs Protokoll: SZ ist die Redaktion, die sich in Artikeln damit rühmt, bei Bild mitzuhören, was wir intern besprechen."

Nachtrag: Seit dem Donnerstagmorgen (8. Februar) gilt Alexandra Föderl-Schmid als vermisst. Die Polizei hat bei ihrer Suche einen Abschiedsbrief gefunden.