Medizin in Deutschland: Besser als der Ruf oder Glücksfall?
Deutschlands Gesundheitssystem steht unter Druck. Die Ökonomisierung hinterlässt tiefe Spuren in Kliniken und Praxen. Doch in lebensbedrohlichen Notfällen zeigt sich seine wahre Stärke.
Es gibt inzwischen erhebliche Probleme im deutschen Gesundheitswesen. Und dazu gehört auch die fortschreitende Ökonomisierung, die nun nach dem Willen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung durch einen Preiswettbewerb unter den Ärzten noch verschärft werden soll.
Diese Politik hat z.B. durch die schon vor Jahren begonnene Privatisierung der Krankenhäuser und die unzureichende Finanzierung der spezifischen Infrastruktur durch die einzelnen Bundesländer deutliche Schleifspuren im Gesundheitswesen unseres Landes hinterlassen.
Das hat in der Vergangenheit auch dazu geführt, dass Kliniken eine Vorliebe für gut bezahlte, aber nicht unbedingt notwendige Eingriffe entwickelt haben.
Gesundheitssystem von seiner besten Seite
Im Notfall kann sich das deutsche Gesundheitssystem aber auch von seiner besten Seite zeigen, wenn alle Beteiligten die vorhandenen Möglichkeiten nutzen und z.B. ein erhöhter Troponin-Wert im Blut festgestellt wird, der auf einen akuten Herzinfarkt hinweisen kann, was gerade bei Diabetikern von Bedeutung ist, die das übliche Schmerzempfinden verloren haben.
Wenn der Patient optimal versorgt wird, kann ein solcher Notfall am Ende doch noch gut ausgehen. Sowohl die Untersuchung als auch der notwendige Eingriff können heute ohne Narkose bei vollem Bewusstsein über einen Katheter oberhalb des Handgelenks erfolgen. Spezialisierte Kliniken wie das Herzzentrum in Bad Krozingen, das inzwischen zum Freiburger Universitätsklinikum gehört, gelten bei solchen Eingriffen heute als führend in Deutschland.
Zur extrem schnellen Rekonvaleszenz des Infarktpatienten tragen letztlich alle Beteiligten bei, insbesondere eine engagierte Stationsärztin, deren tägliche Visiten mit freudiger Spannung erwartet wurden, sowie eine ordentliche Portion Glück bereits zu Beginn des Vorfalls.
Halbherzige Digitalisierung: Daten für den Notfall
Eine konsequente Digitalisierung der vorhandenen medizinischen Informationen, die im Notfall schnell und sicher von Rettungsdiensten und behandelnden Ärzten abgerufen werden können, würde sicherlich die Prognose vieler Notfallpatienten verbessern.
Die langwierige Diskussion um Datenschutzfragen darf diese Transformation nicht weiter so stark behindern, dass die Umsetzung nicht in Gang kommt.
Die Notfalldaten können beispielsweise auf der Gesundheitskarte gespeichert werden. Das Bundesgesundheitsministerium äußert sich dazu wie folgt:
Versicherte können persönliche Gesundheitsdaten wie Informationen über Arzneimittelunverträglichkeiten, Allergien und chronische Erkrankungen, deren Kenntnis im Notfall für die Behandlung wichtig sein kann, als Notfalldaten digital auf ihrer eGK speichern lassen.
Darüber hinaus können in den Notfalldaten weitere medizinische Informationen, z. B. über eine bestehende Schwangerschaft oder Implantate, sowie Kontaktdaten von behandelnden Ärzten und Personen, z. B. Angehörige, die im Notfall benachrichtigt werden sollen, hinterlegt werden.
Im medizinischen Ernstfall können diese Daten dann von Ärztinnen und Ärzten auf der eGK ausgelesen werden. Versicherte können diese Notfalldaten ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten auch im Rahmen der Regelversorgung, außerhalb der akuten Notfallversorgung, zur Verfügung stellen. Sie haben diesen gegenüber auch einen Anspruch auf Erstellung und Aktualisierung der elektronischen Notfalldaten.
Die Nutzung der Notfalldaten ist für die Versicherten freiwillig. Für den Zugriff auf die Notfalldaten ist keine Eingabe einer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) der Versicherten erforderlich. So wird sichergestellt, dass Ärztinnen und Ärzte in medizinischen Akutfällen, in denen der Versicherte situationsbedingt nicht in der Lage ist, den Zugriff auf die Notfalldaten durch eine PIN-Eingabe freizugeben, dennoch auf die für diese Situation hinterlegten Notfalldaten zugreifen können.
Ein Zugriff auf die Notfalldaten ist für Ärztinnen und Ärzte unter Einsatz ihres elektronischen Heilberufsausweises (eHBA) möglich.
Bundesgesundheitsministerium
Der Notfalldatensatz ist für Patienten freiwillig. Nur Ärzte, die einen vollständigen Überblick über die Befunde, Diagnosen und Therapiemaßnahmen ihres Patienten haben, können den Notfalldatensatz anlegen. Für das Anlegen und die Pflege des Notfalldatensatzes erhalten die Ärzte eine Vergütung.
"Da sie möglichst bei jeder Behandlung prüfen sollten, ob sich daraus die Notwendigkeit eines Notfalldatensatzes oder einer Änderung der Notfalldaten ergibt, erhalten sie einen Zuschlag auf alle Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt″ – Details dazu finden sich auf der Seite der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Die umstrittene elektronische Patientenakte
Der Notfalldatensatz kann auf Wunsch auch in der neu eingeführten elektronischen Patientenakte (ePA) gespeichert werden, die zur elektronischen Patientenkurzakte (ePKA) weiterentwickelt wurde. Die ePKA soll von den Versicherten auch im EU-Ausland genutzt werden können.
Die in der Bevölkerung durchaus umstrittene elektronische Patientenakte ist ein Kernelement des Digitalisierungsgesetzes und soll ab 2025 allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen. Sie soll den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorantreiben und die Versorgung gezielt unterstützen.
Wer die ePA nicht nutzen möchte, kann der sogenannten Opt-out-Lösung widersprechen. Es liegt auf der Hand, dass eine Digitalisierung mit Augenmaß der Gesundheit der Patientinnen und Patienten im Notfall mehr hilft, als sich dann auf eine gehörige Portion Glück verlassen zu müssen.