Droht das Ende der einheitlichen Krankenversorgung?
Konrad-Adenauer-Stiftung plant radikalen Umbau des Gesundheitssystems. Patienten sollen Ärzte künftig nach Preisen auswählen. Was das für ärmere Menschen bedeutet.
Das marode deutsche Gesundheitssystem soll sich nach dem Willen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung künftig einem Preiswettbewerb zwischen den Ärzten öffnen. Damit soll einer weiteren Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung eine weitere Tür geöffnet werden.
Präsentiert haben diese Vorstellung Hermann Gröhe, der von Dezember 2013 bis März 2018 Bundesminister für Gesundheit war und jetzt stellvertretender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung ist, und der Sozialexperte Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen ″Institut der deutschen Wirtschaft″.
Mehr Markt und mehr technische Lösungen scheint die Devise, wenn man auch die Veranstaltung Mitte des Monats berücksichtigt. Unter dem Titel ″Digital Health and AI Solutions as Instruments for Improving Global Health″ fand am 13. Oktober 2024 in Berlin im Rahmen des World Health Summit eine Diskussionsveranstaltung statt, die gemeinsam vom World Health Summit und der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert wurde, um die Potenziale und Herausforderungen von digitalen Gesundheitslösungen und Künstlicher Intelligenz für die globale Gesundheit zu diskutieren.
Arztauswahl nach Preis: Neuer Vorschlag im Gesundheitssystem
Patienten sollen nach dem Vorschlag von Gröhe und Pimpertz ihren Arzt künftig auch nach unterschiedlichen Preisen auswählen können. Man müsse, so der CDU-Gesundheitsexperte Gröhe in einem neuen Papier der Konrad-Adenauer-Stiftung, ″ernsthafter als in der Vergangenheit″ darüber nachdenken, durch ″Preissignale″ das Kostenbewusstsein aller Beteiligten zu stärken. Bislang bekommen die GKV-Patienten keine Information darüber, mit welchen Kosten ihre Behandlung verbunden ist, weil die behandelnden Mediziner direkt mit den Kassen abrechnen.
Sozialexperte Pimpertz macht sich in dem Papier dafür stark, dass die gesetzlich Versicherten künftig zwischen Tarifen mit unterschiedlichen Versorgungsmodellen wählen sollten, die dann auch mit unterschiedlichen Beitragshöhen verknüpft sind. Derzeit gelten einheitliche Honorarregeln für Ärzte sowie bei den Krankenkassen in der Regel die gleichen Beiträge für jeweils alle Mitglieder. Künftig soll auch in den Gesetzlichen Krankenkassen die Klassengesellschaft fröhliche Urständ feiern.
Es werde immer deutlicher, dass der demografische Wandel in eine schwierige Phase hineinsteuere, sagte Pimpertz der Deutschen Presse-Agentur. Zu glauben, man könne weitermachen wie bisher oder allein nach zusätzlichen Finanzierungsquellen suchen, um das heutige Gesundheitssystem länger am Leben zu erhalten, werde nicht funktionieren. Alle Versuche, die Behandlungskosten für die in den GKV Versicherten offenzulegen, sind in der Vergangenheit krachend gescheitert.
Kostenrisiko auf Patienten abwälzen: Kritik an der aktuellen Gesundheitsversorgung
Statt einer verbesserten Beratung und Unterstützung von Risikopatienten hinsichtlich Lebensstils und Prävention will man die Folgen über steigende Kassenbeiträge mit speziellen Tarifen und Zusatzversicherungen regulieren. Für die freie Arztwahl sollen Patienten beispielsweise extra bezahlen. Es soll künftig ernsthafter als in der Vergangenheit darüber nachgedacht werden, durch Preissignale das Kostenbewusstsein aller Beteiligten zu stärken.
Ob eine medizinisch angezeigte Behandlung im Notfall verweigert werden soll, weil der dafür benötigte Tarif nicht gebucht wurde, wird in den aktuellen Papieren nicht angesprochen.
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Werden alle möglicherweise später einmal erforderlichen medizinischen Leistungen gebucht, könnten die Kosten für die Krankenversicherungen jedes zumutbare Maß übersteigen und die Gesundheitsversorgung entsolidarisieren und nur noch den Versicherten zukommen lassen, die über die benötigte finanzielle Leistungskraft verfügen.
Ärzte-Hopping und Doppeluntersuchungen: Probleme in der aktuellen Gesundheitsversorgung
Jochen Pimpertz kritisierte hinsichtlich der aktuellen Gesundheitsversorgung, dass bei manchen Patientinnen und Patienten ein "Ärzte-Hopping" zu beobachten sei, bei denen Doppel- und Dreifachuntersuchungen stattfänden, weil seiner Meinung nach "in der heutigen Versorgung unnötige Patienten-Arzt-Kontakte" stattfänden.
Der CDU-Politiker Josef Hecken, der den Gemeinsamen Bundesausschuss des deutschen Gesundheitswesens leitet, kritisierte zudem das bestehende Hausarzt-Modell, bei welchem Patienten zuerst zu ihrem Hausarzt gehen müssen, um dann an die jeweiligen Fachärzte überwiesen zu werden.
Konkret schlägt Pimpertz auch vor, dass die Kassen ihren Versicherten günstigere Tarife anbieten, welche zum Besuch bestimmter Haus- und Fachärzte verpflichten, welche mit den jeweiligen Kassen Rabatte vereinbart haben. Zugleich will Pimpertz den Kassen erlauben, mit jenen niedergelassenen Ärzten, die durch dieses System bevorzugt Patienten zugeführt bekommen, individuelle Verträge abzuschließen. Ob diese Verträge dann auch der Geheimhaltung unterliegen wie die Medikamentenrabatte der Kassen, ist bislang noch nicht offengelegt.
Bei den aktuellen Rabattverträgen der einzelnen Kassen mit den Pharmaanbietern sind weder die jeweiligen Konditionen öffentlich zugänglich, noch wird dokumentiert, auf welchem Wege diese zustande gekommen sind und ob es persönliche Zuwendungen an die Verhandler auf Kassenseite von den Pharmaunternehmen im Zusammenhang mit den Rabattverträgen gab. Da die Rabattkonditionen der einzelnen Kassen den Apotheken nicht bekannt sind, führen diese zudem den vollen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf den Listenpreis der jeweiligen Medikamente ab.