Mehr Frauen an die Macht

Die EU-Kommission hat den Kampf gegen Ungleichbehandlung im Job auf ihre Fahnen geschrieben. Brüssel hat allerdings selbst Nachholbedarf

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Es klang gut, was die EU-Kommission noch kurz vor der Osterpause verkündete: "Mehr Frauen in Führungspositionen" titelte sie ihren Bericht zur Chancengleichheit in der Gemeinschaftszentrale. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es auch in Europas Spitzenbehörde mit der Gleichberechtigung nicht weit her ist. Dabei forciert Brüssel derzeit eine Kampagne gegen die "geschlechterspezifische Diskriminierung".

Offensichtlich war der Kommissionsbericht durch die Hände von PR-Profis gegangen. So wird in der Mitteilung geschickt der erreichte Stand bei der Besetzung von Leitungspositionen durch Frauen mit neuen Zielstellungen verknüpft. Zwar ist die Zahl von Frauen auf Chefsesseln in Brüssel gestiegen. Unterm Strich muss die Kommission jedoch einräumen, dass auch in der EU-Zentrale weibliche Spitzenkräfte eher die Ausnahme sind.

Frauen stellen fast die Hälfte der 22.500 Gemeinschaftsbediensteten. Allerdings sind sie mit 79,6 beziehungsweise 43,1 Prozent vor allem in die schlechter bezahlten Laufbahngruppen C und B eingruppiert. Und gerade einmal 16,3 Prozent hatten Ende 2005 Chefposten in der höheren Führungsebene inne. Auf der mittleren Führungsebene lag der Anteil mit 19,2 Prozent nur unwesentlich höher.

Diese Daten decken sich in etwa mit einer Analyse, die die Kommission Ende Februar vorgelegt hatte. Darin wurde ermittelt, dass in Europa der Frauenanteil im Management lediglich 32 Prozent beträgt. Gerade einmal zehn Prozent der Vorstandsmitglieder und nur drei Prozent der Geschäftsführer größerer Unternehmen in der EU sind weiblich. Damit aber nicht genug: Noch immer verdienen Frauen dramatisch weniger als Männer. Die Lohndifferenz beträgt 15 Prozent, zum Teil auch, weil Frauen vorwiegend geringer bezahlte Berufe ausüben. Mehr als 40 Prozent sind im Bildungs- und Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung anzutreffen, während Männer in diesen Bereichen weniger als ein Fünftel der Beschäftigten stellen. Generell liegt die Beschäftigungsquote von Frauen mit 55,7 Prozent um 15 Punkte niedriger als jene der Männer.

Es war die EU-Kommission selbst, die dieser "geschlechterspezifischen Benachteiligung" den Kampf angesagt hat. Im März hatte sie einen Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010 vorgelegt. Mit insgesamt 21 "spezifischen Aktionen" soll die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zumindest reduziert werden. Allerdings lesen sich die sechs prioritären Aktionsbereiche des "Fahrplans" wie eine Wiedervorlage von Altbekanntem. Die Forderung nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit für Frauen und Männer findet sich darin ebenso wie jene nach besserer Vereinbarkeit von Beruf, Privat- und Familienleben oder der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen. Auch die Bekämpfung geschlechterbezogener Gewalt, den Abbau von Geschlechterstereotypen in der Gesellschaft und die Förderung der Gleichstellung außerhalb der EU hat die Kommission erneut auf die Agenda genommen. Daneben sollen sämtliche derzeit bestehenden EU-Gleichstellungsbestimmungen überprüft und dafür gesorgt werden, dass der Gleichstellungsaspekt in allen Politikbereichen berücksichtigt wird. Ob sich mit diesen Willensbekundungen an der realen Situation etwas ändern wird, darf bezweifelt werden.

Ein zumindest greifbares Element der erneuerten Kommissionsstrategie ist die Einrichtung eines neuen, mit 50 Millionen Euro dotierten Europäischen Institutes für Gleichstellungsfragen. Die Forschungseinrichtung, die am 1. Januar kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen wird, soll ein "Exzellenzzentrum für Gleichstellungsfragen sein, das sein Fachwissen und Können zur Verfügung stellt und die allgemeinen Kenntnisse verbessert". Aufgabe ist es unter anderem, den EU-Bürgern die Gleichstellungspolitik der Gemeinschaft näher zu bringen sowie objektive, zuverlässige, auf EU-Ebene vergleichbare Daten zu erheben und auszuwerten. Einen sofortigen Einfluss auf die Realpolitik wird das Institut damit nicht haben. Aber ohnehin mahlen die Brüsseler Mühlen langsam: Die Idee zur Schaffung eines EU-Instituts für Gleichstellungsfragen wurde bereits vor über zehn Jahren geboren.