Mehr Licht!
Photonische Kristalle für die Chips der Zukunft
US-Forscher haben eine neue und vielversprechende Methode gefunden, um photonische Kristalle auf einem Silizium-Wafer, den Reinst-Silizium-Scheiben, auf denen die Halbleiterhersteller ihre Computerchips produzieren, herzustellen.
Yuril A. Vlasov und David J. Norris vom NEC Research Institute in Princeton, New Jersey, Xiang-Zheng Bo und James C. Sturm von der Princeton University in New Jersey haben die Selbstorganisations-Technik (Englisch: self assembly) genutzt, um aus Quarz-Partikeln eine Präzisions-Form zur Herstellung von photonischen Kristallen zu schaffen. Ihre Entdeckung veröffentlichen sie in der heute erscheinenden Ausgabe des Wissenschaftsjournals Nature.
Licht ist die große Hoffnung für die Informationsübertragung in künftigen Computern, denn es bewegt sich wesentlich schneller und unbeirrbarer als alles andere. Bisher müssen Lichtsignale aber weitgehend an den Netzknoten in elektrische Signale umgewandelt werden, weil es bisher noch kein geeignetes Halbleitermaterial für Licht gibt. Das heißt, eigentlich gibt es eines, aber seine kommerzielle Nutzung war bis dato noch nicht möglich: photonische Kristalle. Photonische Kristalle sind Kristalle für Photonen, nicht aus Photonen. Dieser künstliche Werkstoff wurde 1987 das erste Mal von Eli Yablonovitch und Sajeev John theoretisch beschrieben.
Photonische Kristalle haben einen Brechungsindex, der räumlich und periodisch auf der Skala der Lichtwellenlänge variiert. Das Licht wird durch diese Struktur vielfach gestreut. Die Folge ist, dass sich das Licht bestimmter Wellenlängen nicht ausbreiten kann, es kommt zur Ausbildung einer photonischen Bandstruktur, die für gewisse Frequenzbereiche vollständige photonische Bandlücken aufweist. Ein ähnliches Verhalten zeigen auch elektronische Wellen in einem Halbleiterkristall. Die Optolelektronik mit photonischen Kristallen steckt aber noch in den Kinderschuhen, es ist aufwändig und schwierig, diesen Werkstoff dreidimensional und kontrolliert strukturiert zu produzieren. Was für die Natur kein Problem ist (Schillernde Aphrodite) erwies sich für die menschliche Technik als große Herausforderung.
Dem Licht gehört die Zukunft, manche sprechen schon vom Jahrhundert des Photons. Der Wettlauf um wirtschaftlich effektive Silizium-Leuchtdioden (Vgl. Leuchtendes Silizium) ist in vollem Gange und jetzt scheint der Durchbruch im Bereich der photonischen Kristalle zu kommen. Vlasov und Kollegen stellen ihre natürliche Anordnung eines photonischen Kristalls aus Silizium vor. Diese neue Fabrikationsmethode ist extrem präzise und trotzdem relativ einfach. Die Fortschritte in der Nanotechnologie der vergangenen Jahre hatten zur Entwicklung der Nanolithographie als Herstellungstechnik geführt. Sie wird von der Halbleiterindustrie intensiv genutzt, ist aber teuer und verlangt für ihre hohe Präzision viele kleinteilige Arbeitsschritte. Das Prinzip der Selbstorganisation (Vgl.Nano-Lego) ist der zweite wesentliche Ansatz zur Produktion photonischer Kristalle. Winzige Partikel schwimmen dabei in einer Lösung (Kolloid genannt); wenn die Flüssigkeit z.B. verdampft ist, schließen sie sich dann selbst zu Gittern, bzw. Dreidimensionalen periodischen Strukturen zusammen, also kristallinen Formationen. Nach Entfernung der ursprünglichen Partikel aus den so entstandenen Hohlräumen, haben die Forscher dann eine Vorlage-Form (Template) für die Herstellung photonischer Kristalle. Vlasov und Kolegen ist es mit dieser Methode gelungen, hoch präzise Kristalle herzustellen, wobei auch die Anzahl und Art der Defekte in der Struktur kontrolliert werden kann. Das Wissenschaftler-Team hat die Vorlage-Form direkt auf einem Silizium-Wafer platziert.
In seinem begleitenden News&Views-Artikel in der gleiche Ausgabe von Nature schreibt der Experte John D. Joannopoulos vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge:
Vlasov und Kollegen nutzen dabei eine beinahe natürliche Selbstorganisations-Technik, um eine Form für photonische Kristalle hoher Qualität zu schaffen. Dass sie dabei auch noch die Anzahl der strukturellen Defekte limitieren und kontrollieren können, ist wirklich beeindruckend. (...) Es ist eine aufregende neue Entwicklung in der kolloidalen Selbstorganisation, die die Herstellung von großen (in etwa 1 cm) einzelnen Kristallen einer vorgegebenen photonischen Struktur ermöglicht, wobei die Anzahl der unerwünschten Defekte vernachlässigbar ist.
Die Bandbreite der denkbaren Anwendungen ist groß, das wirtschaftliche Potenzial äußerst interessant. Entsprechend hat die Deutsche Forschungs-Gemeinschaft (DFG) im Sommer diesen Jahres die Einrichtung eines Schwerpunktprogramms "Photonische Kristalle" mit einer geplanten Laufzeit von sechs Jahren beschlossen. Die DFG sieht "Möglichkeiten zu einer Reihe von neuartigen photonischen Bauelementen, wie beispielsweise Laser mit niedriger Schwelle. Eine zusätzliche Attraktion für Forschung und Anwendung besteht darin, gezielte Defekte in die Photonischen Kristalle einzubauen. So können zum Beispiel Kristalle mit neuartigen Eigenschaften geschaffen werden, die als Bauelemente für eine integrierte Optoelektronik im Bereich der Telekommunikation dienen könnten. Auch im Bereich der opto-optischen oder elektro-optischen Schalter könnten manipulierte Kristalle zum Einsatz kommen."
Auch das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 2001 ein Programm zur Förderung dieser Schlüsseltechnologie aufgelegt. Das BMBF dazu:
In ihrer Relevanz für den Standort Deutschland gehört die Optik wesentlich zu diesen kritischen Technologien. Vor diesem Hintergrund stellen "Photonische Kristalle" eine Möglichkeit dar, neue physikalische Prinzipien alternativ, ergänzend und weiterführend zu bisherigen Verfahren der Optik für neue Konzepte für Bauelemente und Strahlquellen mit verbesserten Eigenschaften zu nutzen. Die "Photonischen Kristalle" besitzen ein breites innovatives Anwendungs- und Marktpotenzial. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beabsichtigt daher die Förderung von kooperativen, vorwettbewerblichen Vorhaben im Themengebiet der "Photonischen Kristalle". (...) Mikroresonatoren hoher Güte lassen sich ebenso realisieren wie Strukturen, die eine spektrale Zerlegung des Lichts erlauben. Insbesondere könnten sich auf Basis photonischer Kristalle ultrakompakte, integrierte optische und optoelektronische Bauelemente realisieren lassen.