Mehr Pixel und weitere Winkel

Die Digitalkameras entwickeln sich kontinuierlich weiter – der Vollformat-Bildsensor mit 24 x 36 mm ist nun da. Manche Wünsche bleiben allerdings unerfüllt

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Canon ist bei analogen Spiegelreflexkameras seit einiger Zeit marktbestimmend, auch wenn andere Marken wie Nikon und Minolta dicht folgen. Doch wie schaut es bei der Digitaltechnik aus? Telepolis konnte die Canon-Photokina-Neuigkeiten auf der HPC-Preview bereits vorab in Augenschein nehmen.

"Wo ist denn der Film?" Blick in die EOS 20D (Bild: Canon)

Vor 10 Jahren war die Canon EOS 100 ein guter Kompromiss, um eine Spiegelreflexkamera mit allen Schikanen zu dennoch erträglichem Preis zu erhalten. Besonders positiv fiel der schnelle Autofocus und die Infrarot-Fernbedienung auf, die endlich den immer vergessenen Drahtauslöser für Aufnahmen mit Stativ überflüssig machte. Ein Feature, das heutige vollektronische Digitalkameras merkwürdigerweise nicht kennen und auch bei Canon nur die Spiegelreflexmodelle.

Besonders negativ fiel dagegen auf, dass die Kamera immer abgeschaltet werden musste, um nicht die teuren Lithium-Batterien zu leeren und selbst dann dies innerhalb einiger Wochen tat, wenn man nicht immer erst die Batterien aus der Kamera entnahm, bevor man sie im Schrank verstaute. Heutige Kameras – insbesondere digitale Modelle – sind natürlich noch weit strom-gefräßiger geworden, benutzen dafür aber wiederaufladbare Batterien und lassen sich auch "richtig" ausschalten.

Hier ist der Film: Sensor der EOS 20D (Bild: Canon)

Für den täglichen Gebrauch ist eine Spiegelreflexkamera allerdings jedem außer Profifotografen, die nun mal keine andere Wahl haben, zu schwer. Die normale Sucherkamera ist zwar kleiner, hat aber technische Nachteile: Bei Nahaufnahmen stimmt der Bildausschnitt nicht und beim Zoomen ebenso wenig. Ebenso kann man nicht mal eben ein Weitwinkel- oder Teleobjektiv anschrauben. Und für "immer dabei" war auch sie meist zu schwer.

Im Digitalzeitalter ist dies nicht mehr so: Digitalkameras verwenden kleinere Chips, die nicht 24 x 36 mm belegen wie der klassische Kleinbildfilm und können damit kleiner gebaut werden. Dank Digitalsucher sieht man außerdem auch bei der einfacheren Sucherkamera wie bei der Spiegelreflex genau den Ausschnitt, den man später auch fotografiert. Und man muss mit dem Auge zum Fotografieren nicht mehr am Sucher kleben, was besonders Brillenträger freut. Allerdings neigt man "freihändig" fotografierend auch mehr zum Verwackeln des Bilds.

Die Entfernungseinstellung ist bei solch starken Weitwinkelobjektiven fast hinfällig: EF-S-Zoomobjektiv mit 10 bis 22 mm Brennweite (effektiv 16 bis 35 mm) (Bild: Canon)

Woran es der Digitalik bislang fehlte, waren jedoch Weitwinkelobjektive: Bei den Sucherkameras gibt es keine Wechselobjektive, weil dies im Analogzeitalter keinen Sinn ergeben hätte und die Spiegelreflexmodelle waren wiederum durchweg umkonstruierte Analog-Spiegelreflexkameras mit dafür bestimmten Objektiven. Setzt man diesen statt eines Films den kleineren Chip ein, so zeichnet dieser nur einen Bildausschnitt auf, was einer virtuellen Brennweitenverlängerung entspricht: Die Normallinse wird zum Tele und der Weitwinkel zum Normalobjektiv. Wer also gerne mit Weitwinkeln fotografiert, musste zwangsweise beim Film bleiben oder mit optisch immer zweifelhaften Vorsatzlinsen arbeiten.

Der Weg zum digitalen weiten Winkel: Spezialobjektive oder...

Neue, auf die kleineren Chips zugeschnittene Objektive setzen diesem Problem nun bei Canon ein Ende: Aus dem neuen, gerade erschienenen 17 bis 85 mm-Objektiv für 730 Euro werden so mit einem Verlängerungsfaktor effektive 27 bis 136 mm, also ein guter Bereich vom deutlichen Weitwinkel bis zum Tele und das im November erwartete 10 bis 22 mm-Modell für 900 Euro wird effektiv zu 16 bis 35 mm, also ein starkes Weitwinkel.

Das "Normalzoom" für EOS 20 D und EOS 300 D mit 17 bis 85 mm (effektiv 27 bis 136 mm) hat bereits einen elektronischen Verwackelschutz (Bild: Canon)

Allerdings passen diese Objektive dann auch wirklich nur auf Spiegelreflex-Digitalkameras. Momentan sind dies die EOS 300 D und die neue EOS 20 D, die für 1600 Euro 8,2 Megapixel (effektiv allerdings nur noch 6,5 Megapixel) und analogtypische schnelle Reaktionszeiten bietet. Mit der lästigen Auslöseverzögerung digitaler Kameras ist es also langsam vorbei. Auch Schwarzweißfilter soll die neue Kamera simulieren können und sogar die geschossenen Fotos in Sepia antik einfärben – eine Funktion, die schon bei Videokameras niemand gebraucht hat. Ob "Isaps" – die Motivanalyse vor der Aufnahme – den weniger talentierten Fotografen die dringend gesuchte "Motivklingel" bietet, ist ebenso fraglich. Dafür ist der Bildsensor mit Mikrolinsen ausgerüstet, was der Kamera höhere Empfindlichkeit bei geringerem Rauschen beschert.

...Vollformat-Bildsensor!

Alternativ gibt es auf der Photokina auch die verbesserte Version der ersten Canon-Spiegelreflexkamera mit Vollformat-Bildsensor zu bewundern, die EOS-1Ds Mark II als Nachfolgerin der EOS-1Ds und Pendant zur erst im Februar vorgestellten EOS-1D Mark II, die wiederum als Nachfolgerin der EOS-1D gilt. Bei Digitalkameras ist solch ein schneller Modellwechsel – oder sollte man es "Hardwareupdate" nennen? – mittlerweile gang und gäbe (ähnliches Beispiel: Minolta Dimage 7, Dimage 7i und 7Hi) und entwertet natürlich schlagartig das Vormodell: Wo die EOS-1D Mark II noch 8,2 Megapixel hatte und 4600 Euro kostete und die EOS1Ds 11,1 Megapixel bei dann schon 8000 Euro, bietet die EOS-1Ds Mark II nun 16,7 Megapixel (4992 x 3328 Pixel) bei vollen 24 x 36 mm Chipgröße.

Wem die digitale Spiegelreflex immer noch zu klein, leicht und handlich ist, der kann auch noch diesen Batteriehalter für normale Mignonzellen darunterschrauben, der wie die Motorwinder für Analogkameras aussieht und so einen Profi vermuten lässt – auch wenn der nur mal wieder das Akkuladen vergessen hatte…(Bild: Canon)

Damit ist das leidige Thema "Verlängerungsfaktor", der Weitwinkel zu Teleobjektiven werden läßt, vom Tisch: Der Bildwinkel ist identisch zu dem bei filmbestückten Spiegelreflexkameras. Das Gewicht allerdings auch. Zudem hat sich mit der Sensorfläche der Preis ebenfalls fast verdoppelt: 8000 Euro sind nun angesagt! Dafür bietet Canon dem Profi, der sich das leisten kann oder muss, zusätzliche Leckerbissen wie ein eingebautes WLAN: Die Kamera muss nun nicht mehr am Computer angestöpselt oder der Speicherchip entnommen werden, um ihr die Bilder zu entlocken.

Mit eingebautem WLAN...

Doch wer sich solch ein aufwendiges Gerät zulegt, muss auf eine Funktion billigerer Digitalkameras definitiv verzichten: Es ist nicht mehr möglich, den Bildausschnitt auf dem Bildschirm anzusehen und einzustellen! Was analog gerade die Stärke der Spiegelreflex war – ihr Spiegel, mit dem man das Bild vor dem Abdrücken so sieht, wie es später auch auf den Film kommt – ist digital nun ihr Schwachpunkt: Der Spiegel sitzt vor dem Sensor und damit kann dieser und so auch der Monitor kein Bild bekommen. Aus demselben Grund haben digitale Spiegelreflexkameras auch keine Videofunktion wie ihre einfacheren Sucherpendants.

Die kleine Schwarze mit dem weiten Blickwinkel: Powershot S 70 (Bild: Canon)

Zwar wäre es möglich, den Spiegel hochzuklappen, um ein Bild auf dem Monitor zu erhalten, doch wird dies kein Digitalkamerahersteller tun, weil die Profis das qualitativ überlegene Bild auf der Spiegelreflex-Mattscheibe immer dem gepixelten Digitalsucherbild vorziehen werden. Und die andere dank Digitaltechnik nun denkbare Alternative – Wechselobjektive an der Sucherkamera – wird es ebenfalls nicht geben, so ein Canon-Mitarbeiter. Dafür bleiben dem Digital-Spiegelreflexfotografen die trotz Automatik oft unbemerkt unscharfen Bilder des Digital-Sucherfotografen erspart.

...aber ohne Monitorbild bei der Aufnahme!

Wer sich über diese Einschränkungen ärgert und sowieso keine so große Kamera mit sich herumtragen will, bekommt nun allerdings mit der Powershot S 70 auch im durch die Sony DSC-P1 wiederbelebten Pocket-Formfaktor ein Gerät mit 7,1 Megapixeln und mit immerhin 28 bis 100 mm effektiver Brennweite im ordentlichen Weitwinkelbereich beginnender Optik für allerdings 630 Euro. Wer es dagegen billig möchte, muss sich für 180 Euro mit der Powershot A 400 mit 45 bis 100 mm und 3,2 Megapixeln beschränken. Für beide Modelle gibt es auch Unterwassergehäuse.

Gibt es auch in Mädchenfarben: Die kompakte Powershot A 400 für Einsteiger und Hobby-Digitalknipser (Bild: Canon)

Allgemein scheinen sich bei den digitalen Fotokameras, die sich ja im Design nicht mehr so sehr wie ihre analogen Kollegen nach technischen Notwendigkeiten richten müssen (der Film muss in die Kamera passen…), inzwischen verschiedene Gestaltungsformen herauszubilden, die alle ihre eigenen Liebhaber haben: Neben kompakt und klein oder futuristisch-beeindruckend ist hier bei Canon die besonders flache Ixus zu erwähnen, die Kamera der Hemden- und Anzugträger, die Fotografieren auch in Manager- und Schicki-Micki-Kreisen wieder salonfähig gemacht hat und zu der es auf der Photokina ebenfalls neue Modelle geben wird. 10 Millionen der Digital-Ixus sind bald in Umlauf, so der Hersteller. Der Coolness-Faktor ist damit allerdings hinüber.