Mehr Trockenheit und Überschwemmungen in Europa

Klimaänderungen gibt es nicht nur auf dem amerikanischen Kontinent

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In Südflorida stehen die Menschen für Trinkwasser und Nahrungsmittel in langen Schlangen an. Die Schäden, die der Hurrikan Wilma angerichtet hat, sind noch nicht beseitigt. Derweilen beschert uns der ehemalige Tropensturm als Tiefdruckgebiet zwischen Island und Großbritannien spätsommerliches Wetter in Deutschland.

Die Wirbelsturmsaison 2005 war so heftig wie noch nie, Experten sehen die Monsterstürme als Folge der globalen Erwärmung. Aber nicht nur für die Karibik und die Südstaaten der USA führt der globale Klimawandel zu Katastrophen. Eine neue Studie zeigt auf, was ein weitere Anstieg der Temperatur in Europa für Folgen hätte: Dürren, Wasserknappheit und immer mehr extreme Wettereignisse. Besonders betroffen sind die Mittelmeerregion und die Gebirge.

Der Nationale Wetterdienst der USA hat Recht behalten, als er eine besonders turbulente Saison vorhersagte (Immer heftigere Wirbelstürme türmen Riesenwellen auf), tatsächlich wurde die Prognose der Experten mit bislang 22 Wirbelstürmen, davon zwölf Hurrikanen, von der Realität bereits überholt. Und gerade zieht schon wieder ein neuer Tropensturm namens Beta heran.

Theoretische Modelle und Computermodelle hatten immer heftigere Stürme als Folge des Treibhauseffekts vorausgesagt, neue Studien von US-Wissenschaftlern belegen diese Hypothese jetzt mit den harten Fakten der Wetteraufzeichnungen der letzten 30-35 Jahre (Increasing destructiveness of tropical cyclones over the past 30 years und Changes in Tropical Cyclone Number, Duration, and Intensity in a Warming Environment).

Mediterrane Gebiete sind vom Klimawandel besonders betroffen (Bild: Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung)

Die meisten Klima-Experten sehen einen klaren Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und immer mehr extremen Wetterereignissen (Link auf 20866). Vor kurzem präsentierten Hamburger Klimaforscher vom Max-Planck-Institut für Meteorologie ihre Modellrechnungen zur weiteren Entwicklung des Klimas und ihre Ergebnisse verdeutlichen, dass sich das Klima in den kommenden hundert Jahren so schnell ändern wird, wie noch nie zuvor in der jüngeren Erdgeschichte:

Die globale Temperatur könnte demnach bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad ansteigen. Der Meeresspiegel würde sich durch die Erwärmung durchschnittlich um bis zu 30 Zentimeter erhöhen. Im Sommer rechnen die Wissenschaftler unter bestimmten Bedingungen mit dem vollständigen Abschmelzen des Meereises in der Arktis. Für Europa wird eine Zunahme von trockeneren und wärmeren Sommern erwartet, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Winter werden dagegen wärmer und feuchter. Extremereignisse wie Starkniederschläge mit Hochwasser sind eine weitere Folge der erwärmten Atmosphäre.

Klimaänderungsszenarien für IPCC AR4

Dürre am Mittelmeer und schwindende Gletscher in den Alpen

Im Wissenschaftsmagazin Science legt jetzt eine Gruppe von mehr als 30 Wissenschaftlern um Dagmar Schröter vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung eine Studie vor, die von der Europäischen Kommission gefördert und von 16 europäischen Forschungsinstituten durchgeführt wurde.

Die Forscher entwickelten zunächst verschiedene Szenarien von sozioökonomischen Faktoren, Klima und Landnutzung für ganz Europa bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Anschließend folgte eine Phase intensiver Diskussionen mit Fachleuten aus der Privatwirtschaft und von öffentlichen Institutionen. "Es war uns besonders wichtig, Experten aus der Praxis von Anfang an in das Projekt mit einzubeziehen. Wir wollten sicherstellen, dass die Nutzer unsere Methoden mitentwickeln können, damit unser Verständnis des Mensch-Umwelt Systems, die untersuchten Problemfelder, und die Ergebnispräsentation ihre Adressaten erreichen können", erklärt Dagmar Schröter, die wissenschaftliche Koordinatorin des Projekts.

In der europäischen Bergwelt ändert sich vieles: die Schneedecke und die Gletscher schmelzen, neue Pflanzenarten siedeln sich an, im Winter fällt eher Regen als Schnee (Bild: Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung)

Dieses Jahr litten einigen mediterranen Ländern unter katastrophalen Dürreperioden (Extreme Dürre in Spanien und Ein Drittel Spaniens droht zur Wüste zu werden), ähnlich war es im Jahrhundertsommer 2003 (Der Jahrhundertsommer und seine Folgen). Aber das war wahrscheinlich nur der Vorgeschmack. Die Klimaforscher sagen in ihrer neuen Untersuchung künftig häufigere und schwerere Trockenperioden in Europa voraus.

Der Klimawandel allein könnte beispielsweise dazu führen, dass bis zum Jahr 2080 zusätzliche 14 bis 38% der Bevölkerung des Mittelmeerraums in Gebieten mit verstärktem Wassermangel leben. Zusätzlich ist bis dahin mit einem steigenden Wasserbedarf für Tourismus und Landwirtschaft zu rechnen. Wasser wird dann auch in Europa ein knappes Gut (Schlechtes Geschäft für die Hopi- und Diné-Indianer und Wasser - künstlich verteuertes Markenprodukt oder Allgemeingut?).

Anhaltende Trockenheit erhöht außerdem die Waldbrandgefahr, besonders in den Ländern rund ums Mittelmeer. Heißeres Wetter führt in den Bergen zu einem Rückgang der Schneedecke. Flüsse werden wahrscheinlich im Sommer wenig oder gar kein Wasser führen, im Winter dagegen große Wassermassen, weil es eher regnet als schneit. Insgesamt bedeutet das ein erhöhtes Risiko von Überschwemmungen und Probleme bei der Energiegewinnung durch Wasserkraft. Leiden werden konkret auch der Wintersport-Tourismus und die Binnenschifffahrt. Die Forscher fassen ihre Ergebnisse in einem Fazit zusammen:

Der globale Wandel verändert die Versorgung mit Ökosystemfunktionen, die für das menschliche Wohlergehen unabdingbar sind. In einer europaweiten Studie haben wir mithilfe einer Reihe von Ökosystemmodellen und Szenarien die Versorgung mit Ökosystemfunktionen im Laufe des 21. Jahrhunderts untersucht. Große Veränderungen in Klima und Landnutzung führten typischerweise zu großen Veränderungen in der Versorgung mit Ökosystemfunktionen. Manche dieser Trends sind möglicherweise positiv (z.B. die Zunahme der Waldfläche und der Waldproduktivität), oder bieten Handlungsmöglichkeiten (z.B. der landwirtschaftliche Flächenüberschuss, der zur Extensivierung oder für die Bioenergieproduktion nutzbar wäre). Aber viele Veränderungen erhöhen das Schadenspotenzial durch verringerte Versorgung mit Ökosystemfunktionen (z.B. abnehmende Bodenfruchtbarkeit, abnehmende Wasserverfügbarkeit, zunehmende Waldbrandgefahr), besonders in mediterranen Regionen und Gebirgen.

Mit zunehmender Temperatur gibt es häufiger Trockenperioden und die Gefahr von Waldbränden steigt (Bild: Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung)

Mehr Wärme bedeutet auch eine sich ändernde Vegetation, was wiederum besonders für die mediterranen und bergigen Gebiete gilt. Dagmar Schröter erläutert:

Die Verantwortlichen für den Naturschutz werden mit erheblichen Veränderungen in der Häufigkeit und Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten rechnen müssen, besonders die Tiere und Pflanzen der Gebirge und des Mittelmeergebietes sind empfindlich; schon heute sind Veränderungen unübersehbar.

Dass die alpine Flora sich bereits stark verändert, belegt die brandneue Untersuchung eines Forscherteams des Instituts für Geobotanik der Universität Hannover und des Geografischen Instituts der Universität Zürich. Unter die Lupe genommen haben die Wissenschaftler die Pflanzenwelt des Berninagebiets im Osten der Schweizer Alpen auf einer Höhe zwischen 2959 bis 3262 Metern.

Der Temperaturanstieg der letzten drei Jahrzehnte im Alpenraum betrug ein halbes Grad Celsius und liegt damit deutlich über dem globalen Durchschnitt (0,1 bis 0,2 °C / Jahrzehnt). Die Wissenschaftler nahmen die Dokumentationen zur alpinen Flora zur Hand, die seit 1900 immer wieder aktualisiert wurden und verglichen die Daten aus drei unterschiedlichen Zeitabschnitten: Aus dem frühen 20. Jahrhundert, den 80er Jahren und heute. Dabei stellten sie fest, dass die Artenzusammensetzung der Gipfelflora sich immer schneller wandelt. Selbst im Vergleich zu den 80er Jahren stellte das Forscherteam eine Artenzunahme um 30 bis 50 Prozent fest. Die Änderungsrate, mit der sich die dortige Pflanzenwelt in den letzten 20 Jahren gewandelt hat, ist damit fast dreimal höher als die der ersten acht Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts.

Die Pflanzen reagierten offensichtlich auf die veränderten Klimabedingungen der 90er Jahre – dem wärmsten Jahrzehnt seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen. Gian-Reto Walther von der Universität Hannover erklärt:

Während des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Artenvielfalt mehr als verdoppelt, auf einzelnen Gipfeln sogar verdreifacht. Erstaunlich ist auch wie sehr und wie schnell sich die Gipfelflora gewandelt hat: In nur 20 Jahren war die Änderungsrate der Flora fast dreimal höher als in den ersten 80 Jahren des 20. Jahrhunderts. Anfang des 20. Jahrhunderts waren zwischen zehn und 30 Arten in der alpinen Region heimisch. Heute sind es zwischen 30 und 50.

Journal of Vegetation Science: Trends in the upward shift of alpine plants