Mehr als heiße Luft?
Die EU will bis 2020 die Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent reduzieren
Die Umweltminister trafen kürzlich in Brüssel zusammen und setzten sich ambitionierte Ziele: Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß in den Ländern der Gemeinschaft um mindestens 20 Prozent unter das Niveau von 1990 fallen. Eine verbindliche Einigung über die Details gibt es aber nicht. Und wie erst jüngst das Beispiel der deutschen Autoindustrie aber auch die bisherigen – eher mageren – Resultate der Klimaschutzbemühungen in den EU-Ländern insgesamt zeigen, könnten die engagierten Pläne an diversen nationalstaatlichen Interessen scheitern.
In Sachen Klimawandel beziehungsweise Klimaschutz ist Feuer am Dach. Das predigen Wissenschaftler zwar schon lange, doch erst kürzlich sorgte ein neuer UN-Bericht weltweit für Schlagzeilen. An der Studie Climate Change 2007 des Weltklimarats (IPCC) wirkten über 600 Klimaexperten sowie Vertreter von 113 Staaten mit.
Anderes als in den drei früheren Berichten wird jetzt die Rolle des Menschen am derzeit zu beobachtenden Klimawandel besonders hervorgehoben, was etwa in den USA von offizieller Seite lange Zeit vehement abgestritten worden war. Die Zahlen des IPCC-Reports sprechen jedoch eine eindeutige Sprache. In der sehr empfehlenswerten deutschsprachigen Zusammenfassung des Alfred-Wegener-Institus für Polar-und Meeresforschung heißt es dazu:
- Der Kohlendioxid-Gehalt der Luft hat seit 1750 um 35% von 280 ppm auf 379 ppm im Jahr 2005 zugenommen. Die Zuwachsrate der letzten 10 Jahre ist die größte seit 50 Jahren. Der heutige Wert ist der größte in den letzten 650.000 Jahren. 78% der Erhöhung gehen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zurück und 22% auf Landnutzungsänderungen (z.B. Rodungen). * Andere wichtige Treibhausgase wie z.B. Methan und Lachgas, deren Konzentrationen seit 1750 um 148% bzw. 18 % zugenommen haben, machen zusammen etwa halb soviel aus wie der CO2-Anstieg.
- Die für Klimaänderungen verantwortlichen Änderungen der Strahlungsbilanz werden vorwiegend durch Kohlendioxid verursacht, in kleinerem Umfang durch andere Treibhausgase. Änderungen der solaren Einstrahlung haben dagegen nur einen geringen Einfluss.
Vom dritten – noch unveröffentlichten – Teil des IPCC-Berichts sickerten inzwischen weitere Details durch. Medienberichten zufolge zeichnen die UN-Klimaforscher darin ein düsteres Bild, sollten nicht umgehend effiziente Technologien eingeführt werden. Danach bleibe der Menschheit nur mehr bis 2020 Zeit, um eine unumkehrbare Klimakatastrophe zu verhindern. Angesichts derartiger Berichte ist es ein Gebot der Stunde, dem Ausstoß von Treibhausgasen Einhalt zu gebieten. Darüber waren sich auch die EU-Umweltminister am vergangenen Dienstag in Brüssel einig. Unter deutscher Präsidentschaft wurden Klimaschutzziele bis 2020 und ein Verhandlungspaket der EU für ein Klimaschutzabkommen nach 2012 verabschiedet.
Mit der Verabschiedung der Klimaziele und des Verhandlungspakets hat die EU ihre Führungsrolle im Klimaschutz bekräftigt. Das ist ein Signal an die Weltgemeinschaft, dass die EU im Rahmen eines internationalen Klimaschutzabkommens einen fairen und angemessenen Beitrag leisten will. Das ist ein historischer Schritt nach vorne, um die gegenseitige Blockade auf internationaler Ebene aufzuheben.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der als amtierender Ratsvorsitzende das Ministertreffen geleitet hatte, äußerst zufrieden.
Über konkrete Ziele hat man sich noch nicht geeinigt
Tatsächlich hören sich die Vereinbarungen durchaus ambitioniert an. So will sich die EU im Rahmen eines internationalen Klimaschutzabkommens verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen um 30% bis 2020 (gegenüber 1990) zu senken. Bis ein neues Abkommen vereinbart ist - unabhängig von ihrer Position in den internationalen Verhandlungen -, werde die EU ihre Emissionen um mindestens 20% bis 2020 (gegenüber 1990) mindern, vereinbarten die Minister. "Das ist ein klares Signal an die Wirtschaft, dass der Europäische Emissionshandel nach 2012 weitergeführt wird. Und es ist ein klares Signal an Unternehmen, weiter in energiesparende und effiziente Technologien zu investieren", sagte Gabriel.
Doch über die konkreten Schritte konnte man sich noch nicht verständigen und auch nicht darüber, welches Land wie viel zur Reduzierung der Treibhausgase beitragen soll. Spanien, Dänemark und Finnland wollen eine Lösung durchsetzen, die der wirtschaftlichen Lage in den einzelnen Ländern entspräche. Was das genau bedeutet, ist nicht klar. Nur dass die ehemaligen Ostblockstaaten weniger leisten werden, machte Gabriel klar. Sie hätten einen größeren „wirtschaftlichen Nachholbedarf“. Offen sind auch Regelungen für den Luftverkehr. Die EU-Kommission möchte ihn zwar in den Emissionshandel einbinden. Doch fürchten die Fluggesellschaften dann Wettbewerbsnachteile. In Brüssel konnte man sich darüber hinaus nicht auf ein verbindliches Ziel für den Ausbau erneuerbarer Energien einigen.
Kritik gab es an der deutschen Ratspräsidentschaft und indirekt an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Denn bei der Reduzierung von Auto-Abgasen hätten sich etliche EU-Umweltminister ehrgeizigere Vorgaben gewünscht. Nachdem sich Merkel aber für die deutsche Automobilindustrie stark gemacht hatte, nimmt es ihr jetzt niemand so recht ab, wenn sie in Hinblick auf den EU-Gipfel im März, Europa als „Vorreiter“ in Sachen Klimaschutz etablieren will und auf verbindliche Reduktionsziele pocht.
Immerhin aber hat Deutschland seine Klimaschutzziele nochmals verschärft. Der nationale Aktionsplan wird überarbeitet, die Obergrenze für den CO2-Ausstoß abgesenkt. Damit zeigt Deutschland mehr Biss als etwa das benachbarte Österreich. Obwohl sich die Alpenrepublik nach außen immer gerne als besonders umweltbewusst gibt und der Umweltschutzgedanke in der Bevölkerung auch breit verankert ist, wurden kürzlich die Klimaziele aufgeweicht. Im Inland soll nun weniger CO2 eingespart werden. Im Gegenzug will man mehr Emissions-Zertifikate zukaufen. Auch in anderen EU-Staaten fallen die bisherigen Resultate in Sachen Klimaschutz eher dürftig aus. Der Emissions-Handel selbst ist in der ersten Periode gescheitert (Knockout in der ersten Runde). Beim EU-Gipfel Anfang März wird man also nicht nur über verbindliche Klimaschutzziele diskutieren müssen sondern vor allem auch über effiziente Instrumentarien, um diese durchzusetzen.