Meine Weltanschauung
Das genaue Wissen ist nur eine vereinzelte kleine Insel im riesigen Ozean des Nichtwissens
Was hat meine Weltanschauung mit der Informatik gemeinsam? Ich meine fast alles, und deswegen werde ich hier versuchen, dies zu erklären.
"Die Welt", also "alles was existiert", besteht aus "Dingen", von denen man dank der "Information" erfahren kann. Die Dinge können diese "Information" direkt "versenden" (wie ein sprechender Mann, wie ein gelesenes Buch, wie eine betrachtete Landschaft) oder auch mittelbar durch Ketten "sinnlich-geistiger Gedankengänge". "Gedankengänge" schreibe ich in Anführungszeichen, weil in einem bestimmten Sinn auch eine Ratte, die in einem Labyrinth zu einer Tür läuft, hinter der sie etwas zu fressen findet, für diese Suchbewegung gewissermaßen auch den ("Ratten-")Verstand benutzt.
Weil ich mich ausschließlich damit beschäftigen möchte, was lebendig aufgrund von "Information" ist, werde ich die Grenzen "meiner Weltanschauung" so setzen: Jedes lebendige Geschöpf besitzt eigenes SENSORIUM, das typisch für die Art ist und sich über Millionen von Jahren der darwinistischen natürlichen Evolution entwickelt hat. Dieses Wort finden Sie weder in einem Fremdwörterbuch noch in der Enzyklopädie, und sogar in dem Großen Warschauer Wörterbuch ist es mit einem Ausrufezeichen versehen, was bedeutet, daß man es lieber nicht benutzen sollte. Trotzdem verwende ich es.
Das SENSORIUM ist die Gesamtheit aller Sinne sowie aller (gewöhnlich Nerven-)Wege, durch welche die Informationen, die uns über die "Existenz von etwas" unterrichten, zum zentralen Nervensystem gelangen. Beim Menschen und bei der Ratte ist es das Gehirn. Insekten müssen sich mit viel bescheideneren Zentren zufrieden geben. Die "Welt" eines Insekts, einer Ratte oder eines Menschen sind daher ziemlich verschiedene Welten. Die Evolution hat lebendige Geschöpfe grundsätzlich so sparsam ausgestattet, damit sie die Information wahrnehmen können, die für das individuelle und/oder auch artenspezifische Überleben unentbehrlich ist. Da die Evolution ein über Milliarden Jahre fortwirkender und sehr komplizierter Prozeß ist und weil lebendige Geschöpfe entweder lebendige Geschöpfe fressen oder von ihnen gefressen werden (Pflanzen zu fressen, bedeutet auch, etwas "Lebendiges" zu essen, z.B. Gras), entsteht daraus eine riesige Hierarchie von mehr oder weniger eigentümlichen Konflikten, die uns teilweise vereinfachend die (mathematische) Spieltheorie wiedergeben kann. Das Problem liegt darin, daß die Informationen aufgrund dieses Sachverhalts für die einen zur Verfolgung und für die anderen zur Flucht oder "nur dem Fortbestand" (z.B. Gras) dient.
Das SENSORIUM, mit dem das Lewewesen ausgestattet ist, zeichnet sich im allgemeinen, wie ich sagte, durch Sparsamkeit aus. Vor noch nicht langer Zeit behauptete die Psychologie, daß Hunde keine Farben unterscheiden könnten, daß sie also alles in Schattierungen von weiß und schwarz, wie wir auf den alten Filmen, wahrnehmen. Gegenwärtig wird diese Annahme revidiert: Hunde erkennen doch Farben. Auch eine Spinne, Ratte oder Katze ist wie der Mensch mit dem - ihrer Art eigenen - SENSORIUM ausgestattet. Wir verfügen gegenüber den Tieren in diesem Bereich über einen maximalen Überfluß, außerdem besitzen wir noch, und fast alleine, einen "Verstand", der uns ermöglicht, auch solche Eigenschaften der "Welt" zu erkennen, die wir mit den Sinnen direkt nicht wahrnehmen können.
Was ergibt sich aus den angeführten Banalitäten? Sie weisen darauf hin, daß die Welt (in einem bestimmten Sinne: die "Weltanschauung") sehr stark vom jeweiligen Sensorium abhängig ist. Für den Menschen scheint es eine Ausnahme aufgrund des "Verstandes" zu geben, aber das stimmt nicht ganz. Die wahrnehmbare "Welt" der Menschen besteht aus Dingen "mittlerer Größe", proportional zu der Größe des einzelnen menschlichen Körpers. Wir können weder einzelne Moleküle, Atome oder Photonen wahrnehmen; und auf der gewissermaßen anderen, makroskopischen Ebene können wir weder den Teil des Planeten, auf dem wir leben, als eine Kugel oder als Ganzes betrachten, noch die "faktischen Ausmaße" der Milchstraße, anderer Galaxien, Sterne oder des gesamten Kosmos wahrnehmen. Wir haben verschiedene experimentelle Methoden und mit ihnen verbundenen Hypothesen, Theorien oder Modelle ausgearbeitet, um mit dem Verstand das "wahrzunehmen", was die Sinne nicht wahrnehmen können; und das bedeutet, daß unsere Weltanschauung über das Bild der Welt um mehrere Größenordnungen "hinausragt", das wir der direkten Arbeit unseres Sensoriums verdanken.
Heißt das aber, daß wir das sehen, was wir nicht sehen, daß wir das empfinden können, was wir nicht empfinden, daß wir das hören, was für unseren Hörsinn nicht hörbar ist? Keineswegs. Wir verwenden "Abstraktionen" oder speziell durch "Technik" (also mit Werkzeugen) geschaffene Situationen und Bedingungen, die uns das für unsere Vorfahren Unmögliche ermöglichen, z.B. die Erde von der Satellitenumlaufbahn, den Mond beim Betreten, die Marsoberfläche oder die Oberschicht der Atmosphäre des Jupiters "anzuschauen". Wir verwenden ein Mikroskop, ein Hubble-Teleskop auf der Umlaufbahn, Akzeleratoren, Wilson-Kammern oder einen Operationssaal, in dem man manchmal einem Menschen mit bloßen Auge in das Innere des Körpers oder des Gehirns schauen kann. Wir gewinnen also viel mehr Informationen durch die verschiedenen Arten und Methoden des von uns künstlich geschaffenen "Mediums".
Aber auf den Perzeptionsebenen der Mikro-, Makro- und Megawelt bleiben wir völlig hilflos. Niemand ist in der Lage, ein Atom, die Galaxis, den Evolutionsprozeß oder die Entstehung der Planeten aus den angeblich protoplanetaren Nebelverdichtungen sehen oder sich so etwas vorstellen zu können. Die ethnische Sprache als breitbandiger, polysemantischer Informationsträger sowie die Mathematik als eine aus dieser abgeleitete und sehr präzisierte schmalbandige Sprache stellen unsere "Tentakel", unsere Krücken, unsere "Prothesen" dar. Ähnlich wie ein Blinder, der mit seinem weißen Stock den Steinboden abklopft und so versucht, mit dem Gehör zu erkennen, ob er sich im Zimmer, auf der Straße oder inmitten eines Tempels befindet, so versuchen auch wir mit diesen mathematischen Prothesen das "abzuklopfen", was außerhalb unseres Sensoriums liegt.
Aber ist das "wirklich" so? Sind die Blätter "wirklich" grün oder verdanken sie ihr Grün den photosynthetischen Verbindungen des Chlorophyll? Ist es nicht so, wie Eddington schrieb, daß man an einem gewöhnlichen hölzernen, einigermaßen harten Tisch sitzt - und gleichzeitig an einer Wolke von Elektronen, die "auch" der Tisch und vielleicht ebenso "wirklich" ist? Falls man so denkt, muß man hinzufügen, daß es sich gleichzeitig um viele Tische handelt. Es gibt einen Tisch unseres normalen Sensoriums, einen molekularen Tisch (denn woraus besteht Holz?) und einen atomaren Tisch. Aber der Tisch ist auch ein Teil der "Materie", ein mikroskopisches Teil, das einen Bestandteil der Gesamtheit der Erde darstellt und so einen (minimalen) Einfluß auf ihre Gravitation hat. Überdies ist er ein Nano-Bruchstück des Planeten, der um die Sonne kreist und auch das Weltall "beeinflußt", wenn man die vollständige Geringfügigkeit der vorhandenen Disproportionen außer Acht läßt. Alle diese "Tische" gleichzeitig wahrzunehmen, kann weder unser Sensorium noch unser "Verstand", ohne die Aufteilung in Kategorien und Klassen zu verschmelzen.
Wenn ein Mensch stirbt, kann dies eine emotionale Bedeutung für einen Menschen haben. Wenn zehn Menschen sterben, wird die Bedeutung eine andere sein. Aber wir sind dazu nicht imstande, einen Unterschied zwischen der Nachricht, daß eine Million Menschen gestorben sind, und der, daß es dreißig Millionen waren, "wahrzunehmen". Wer behauptet, daß er, abgesehen von der Angabe der Anzahl, den Unterschied empfindet, lügt bewußt oder unbewußt.
Damit will ich sagen, daß ebenso wie "verschiedene Tische" auch "verschiedene Welten" der Katzen, der Ratten, der Insekten, der Krokodile und der Menschen koexistieren. Sie unterscheiden sich sehr stark und mehrdimensional, aber alle diese Welten - egal ob einzeln oder gemeinsam - geben keinen Grund für die Annahme, daß es sich stets um "ein und dasselbe" Welt handelt, die nur auf "unterschiedliche Weise" und aus "unterschiedlichen Perspektive" wahrgenommen wird.
Selbstverständlich neigen wir Menschen zu der Annahme, daß die Welt "wirklich" existiert, die wir mittelbar und unmittelbar perzipieren können: "andere Welten" stellen dagegen Ausschnitte, kleine und sogar sehr unvollkommene, verkrüppelte Ausschnitte "unserer Welt" dar. Mit dieser Ansicht, die ich den humanistischen weltanschaulichen Chauvinismus nenne, setze ich mich gerne auseinander. Die Mayas hatten ein anderes Kodierungssystem der Arithmetik als wir. Es war ein System von Menschen, deren Kultur anders als die mediterrane Kultur entstanden ist, gleichwohl war dies eine Kultur der Menschen und ihre Sprache eine menschliche Sprache. Wie können wir wissen, ob extraterrestrische "Vernunftwesen" - falls es sie gibt - durch andere Evolutionsabläufe und unterschiedliche physikochemische Bedingungen ("Kontigenzen") der anderen Planeten und Sonnen mit anderen Sensorien ausgestattet sein würden? Aus solchen Sensorien entstünden wiederum als deren Derivate andere "quasi-formale Systeme", andere Logiken, andere Mathematiken, andere Makro- und Mikrowelten, die von unseren menschlichen Standards abweichen.
Aus dem bislang Geschriebenen könnte sich eine "allgemeine epistemische und ontische Theorie" für die gesamte Menge aller Psychozoiker des Universums ergeben. Es ist möglich, daß wir auf der Kurve der kosmischen Distribution der Psychozoiker, die keine Glockenkurve der "normalen" Gausschen-Verteilung oder der Poisson-Clusterkurve sein muß, die Gott allein kennt, irgendwo oberhalb der Ratte, des Schimpansen und des Buschmanns plaziert sind, aber unterhalb beispielsweise der Eridaner. Höchstwahrscheinlich gibt es keine Eridaner, aber das ist auch nicht ganz sicher in der Epoche am Ende des 20. Jahrhunderts, an dem sich die Entdeckungen der außerirdischen planetarischen Systeme anderer Sterne mehren.
ne solche unterschiedliche Größe der Welten, die sich durch unterschiedliche, gesellschaftlich funktionierende Verstandarten ergeben, scheint ganz und gar möglich und sogar ziemlich wahrscheinlich zu sein. Der Mensch wäre einfach einer von den Tausenden oder Milliarden der teleologischen Triebe der Evolution, die ihn mit einem nicht schlecht entwickelten Sensorium ausstatten können.
Jawohl, das ist möglich! Könnten andere Lebewesen unterschiedliche Materieformen konzipiert haben? Der Nuklide! Könnten sie nicht an die inneren Sternenzyklen von Bethe glauben? Hier muß man sehr genau und äußerst vorsichtig ein sogenanntes "Distinguo" durchführen. Es gibt sicher Bereiche, bei denen wir uns epistemisch und empirisch, vielleicht sogar asymptotisch oder tangential (?) an die Wahrheit annähern können oder dies nicht können. Die Wahrscheinlichkeit der Wahrheitsfunktionen, um hier nur einmal eine ein wenig kohärentere, logisch und semantisch genauere Sprache zu verwenden, ist zumindest und grob gesagt, da wir zu wenig darüber wissen, von den quasifinalen Auswirkungen der Milliarden langen Arbeit der Evolution abhängig.
Unser menschliche Nichtwissen ist ein Weltozean, das sichere Wissen stellt dagegen nur vereinzelte kleine Insel auf diesem Ozean dar. Noch vorsichtiger ausgedrückt: Nach meiner Ansicht befinden sich die Resultate der Erkenntnis - das exakte Wissen - auf einer Kurve oder, eher, auf einem Kurvenbündel, und es ist keineswegs ein gesichertes Axiom, daß diese Kurve wie eine Hyperbel oder Parabel oder wenigstens wie eine logistische Kurve (Verhulst-Pearl-Kurve) aufsteigt. Vielleicht gibt es bereits tangentiale Punkte mit dem wirklichen Stand der Dinge und vielleicht - ziemlich sicher - auch solche, an denen wir den asymptotischen Weg verlassen haben.
Ich habe, um an einem konkreten Beispiel zu zeigen, worum es mir im Vorhergehenden ging, beispielsweise das sehr interessant geschriebene Buch "Theorie für Alles" von John D. Barrow , das Buch von Steven Weinberg über die Theorie für Alles und viele andere, auch in letzter Zeit und auch im allgemeinen von Physiknobelpreisträgern geschriebene Bücher gelesen. Trotz dieses wissenschaftlichen Chors, der mich sicher im Hinsicht auf die intellektuelle Stärke übertrifft, zugunsten der Existenz einer "Allgemeinen Theorie des Ganzen" (GUT, also Grand Unified Theory), spreche ich mich für die Ansicht des Kosmologen Bondi aus, daß es eine Einzige Allgemeine Theorie des Ganzen gar nicht geben muß, daß sie "nutzlos" sei und "keine wissenschaftliche Bedeutung" habe.
Wieso aber sollte, um es wieder mit eigenen Worten zu sagen, der bedingungslose Reduktionismus eine einzige Theorie hervorbringen? Man kann dies und wird es weiter verfolgen, aber in den nächsten 100 oder 200 Jahren wird sich herausstellen, daß andere Wissenschaftler eine Menge von inkongruenten Modellen ausgearbeitet oder sogar bewiesen haben, daß die "GUT" für unser Universum nicht hergestellt werden kann. Vielleicht stellt sich heraus, daß die Galaxien, die heute älter als das bereits mehrmals berechnete Alter unseres Kosmos zu sein scheinen, aus einem "benachbarten" Kosmos eingedrungen sind? Damit will ich sagen, daß das, was wir beispielsweise in der Physik und theoretischen Astrophysik erkennen, stets das Ergebnis von auf verschiedener Weise miteinander verbundenen und zusammenhängenden physikalisch-mathematischen und gleichzeitig experimentell-theoretischen Mutmaßungen sind, die entweder bewiesen, also experimentell nicht widerlegt wurden, oder in den höchsten Regionen der exakten Wissenschaft gegenwärtig noch in Mode sind, weil auch hier Moden herrschen und, wie in der Kosmologie, vergehen.
Der Mensch ist, um das Gesagte zusammenzufassen, eine kleine Wissensinsel, die teilweise aus dem Ozean des außersinnlichen Unwissens herausragt und teilweise in der Unermeßlichkeit des Unwissens eingetaucht ist. Wir wissen nichts darüber, ob dieser Ozean einen Grund hat und ob man ihn ausloten kann. Gegenwärtig herrscht die Mode der globalen Kommunikation, die sich wie ein Buschfeuer verbreitet. Ich kann ihre Vorteile gut nachvollziehen, aber fürchte gleichzeitig ihre Nebenwirkungen, Havarien oder Mißbräuche, die für die Menschen und sogar für den Planeten zerstörerisch sein können. Es kündigt momentan nichts an, daß sich diese Computernetze durch die Zusammenkoppelung von Millionen von Computern mit Millionen anderen in ein "Elektroenzephalon" verbinden werden. Das wäre so etwas wie ein "planetares Gehirn" mit Computern als Neuronen, das allerdings, da eigene Sinne fehlen, der sensorischen Deprivation unterliegen würde. Wenn es sich dabei nicht um Science Fiction handelt, kann es sich als ein Schritt hin zu einer "Abschließung" des Planeten gegenüber dem Kosmos erweisen. Das planetare Gehirn würde nämlich dann in Kategorien des Netzinneren denken - und die Menschheit durch das Netz ordentlich für dumm verkauft...
Ich möchte aber, um die Wahrheit zu sagen, an diese Vision nicht glauben, sondern nur zeigen, wie bescheiden mir die Erkenntniskraft des Menschen im Kosmos erscheint, für wie gewaltsam ich das anthropische Prinzip betrachte und wieviel wir riskieren, wenn wir unser gesamtes Wissen den informationsverarbeitenden Maschinen anvertrauen. Wenn man übrigens die entsprechenden Halb-Fachzeitschriften liest, dann sieht man, daß die Börsen, die Produzenten von Fahrzeugen oder von Lebensmittel, mit einem Wort: die Schöpfer und Verehrer des Kapitals sowie die Kapitalsüchtigen sich des Netzes bedienen, während sie der ganze Rest, mitsamt dem ganzen Kosmos, teuflisch wenig interessiert. Wir haben uns vorzeitig gekrönt, aber uns steht die Krone der Schöpfung nicht zu. Es gebührt sich zu warten, auch wenn dies 100 Jahre dauern sollte, um sich zu überzeugen, ob wir wirklich schon etwas außer dem wissen, daß man im Cyberspace vom Pol zum Pol surfen kann und ob das Netz nicht die Märkte zerstört.
Was ich geschrieben habe, läßt sich auch ein wenig anders ausdrücken. Der Mensch ist mit seinem Wahrnehmungssensorium an die ökologische Nische des Überlebens ungefähr in der mit seiner Körperlichkeit vergleichbaren Skala (z.B. mit seinen Körpermaßen) angepaßt. Er kann jedoch mit seinen Vermutungen, Konzepten und Hypothesen, die mit der Zeit zur wissenschaftlichen Sicherheit "gerinnen", über die Grenzen dieser Nische, die ihn zusammen mit den Strömen des genetischen Codes mitgestaltet hat, hinausgehen. Dabei gibt es eine stark verbreitete Regelmäßigkeit: Je größer oder je kleiner die Skala (Kosmos - Atom) ist, desto weniger sicher, weniger eindeutig und gewissermaßen "flexibler" und "elastischer" erweisen sich die Theorien. Niemand außer den Solipsisten - aber wer kennt solche Menschen? - zweifelt an der Gestalt, der Härte oder dem Verhalten eines Steins. Eine solche Sicherheit können wir in Bezug auf die Menge von Galaxien oder von Teilchen, wie den Neutrinos, nicht besitzen.
Dabei verwundert es die Menschen am meisten, daß die festen Regeln seiner Logik, die die Sicherheit seines Verstehens mit begründen - beispielsweise "wenn A, dann B" (Kausalität), A=A (Identität der Dinge mit sich) oder die Regeln der Konjunktion bzw. Disjunktion - die universelle Gültigkeit in der Mikrowelt zu verlieren scheinen. Auch in der Makrowelt zeigen sich solche Unsicherheiten in der Erkenntnis. Selbst in der Mathematik, z.B. bei Gödel, erscheint ihre Unzuverlässigkeit. Gell-Mann beharrt darauf, daß die Antinomie Welle/Teilchen beim Elektron, der Kollaps der Welle und das Prinzip der Komplementarität, die von der Kopenhagener Schule stammt, für unseren Verstand unlösbare Rätsel sind. Andere Physiker glauben an "Rätsel", wohingegen die jüngsten Experimente zu zeigen scheinen, daß ein Elektron gleichzeitig "hier und anderswo" sein kann. Kurz, mit der Überschreitung der Grenzen unseren Sensoriums wird auch der "gesunde Menschenverstand" verletzt.
Was in unseren Kopf einfach nicht hineinpaßt, erweist sich in Experimenten als Tatsache. Man kennt beispielsweise die Halbwertzeit der sich selbständig spaltenden Atome, etwa der radioaktiven Isotope, und man weiß, daß man in diesem Bereich nur statistische Informationen kennt. Über eine Gesamtmenge von Atomen werden wir wissen, daß eine bestimmte Anzahl von ihnen nach einer bestimmten Zeit zerfallen sein wird und daß es für eine bestimmte "Art von Atomen" diese Zahl (und Zeit) eine konstante Größe darstellt, aber wir wissen, daß man keine Ursachen entdecken kann, die den Zerfall dieses Atoms und nicht die eines anderen verursachen. Mit einem Wort: Wir müssen von den "Selbstverständlichkeiten" außerhalb der Grenze unserer ökologischen Nische Abschied nehmen. Die Mathematik erlaubt uns zwar, sie zu überschreiten, aber die Interpretationen der Ergebnisse der mathematischen Physik und, was vielleicht schlimmer ist, deren "Übersetzungen" in die gewöhnliche Sprache, die wir innerhalb unserer Nische benutzen, müssen nicht identisch sein und können einander bis zur Kontradiktion widersprechen.
Ontologisch befinden wir uns zwischen der Makro- und Mikrowelt. Es läßt sich nichts dagegen unternehmen, daß wir mit dem Wissen - und sogar mit einem sicheren Wissen wie dem, daß Uran, wenn es eine kritischen Masse erreicht, mit Sicherheit explodieren wird - nicht weiter reichen, als mit dem Verstehen im Sinne des "gesunden Menschenverstandes". Man kann sich wie die Experten der Wissenschaft an diesen Stand der Dinge gewöhnen und letztlich glauben, daß man genauso gut "versteht", wie man "weiß". Aber das ist eine Frage des Trainings, das die Gewohnheiten prägt, der Neigung und last but not least der "Vertrautheit" des Objekts.
Wir sind übrigens immer unzuverlässig, und deswegen müssen wir mit der unabänderlichen epistemischen Unsicherheit leben. Andererseits sind das nur die Probleme einer winzigen Minderheit der Menschen, die ihnen gleichzeitig als Stoff für ihre intellektuelle Arbeit von der Mathematik über die Physik der Galaxien bis hin zur Hermeneutik dienen. Diese Bereiche der "Exaktheit" begrenzen die Nebelschleier der Vorurteile und der Mutmaßungen, die sich in der Geschichte von Gruppen oder Gesellschaften zu Glaubensaxiomen versteinert haben.
Aus dem Polnischen übersetzt von Richard Krolicki