Meisner und Muslime

Wie der Kardinal in Köln seinen ganz und gar unkatholischen Abschied vom Amt einleitet. Ein Kommentar

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Jetzt wird es zum Ende hin noch ganz unappetitlich, und die böse kirchenfeindliche Presse, etwa der Spiegel, trägt natürlich mal wieder die Schuld. Auf einer vom Bistum Köln filmisch dokumentierten Veranstaltung der geistlichen Bewegung des Neokatechumenats offenbarte Kardinal Joachim Meisner am 24. Januar 2014: "Ich sage immer, eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien." Da ist offenkundig von einem "Mehrwert" die Rede: katholische Neokatechumenale versus Muslime.

Wer sind eigentlich diese Neokatechumenalen, die dem Kardinal mehr wert sind als andere Menschen? Meine letzten eigenen diesbezüglichen Erfahrungen stammen aus der Osternacht 2013. Zur nächtlichen Osterliturgie war ich meiner regulären Ortsgemeinde fremdgegangen und in die sogar näher gelegene Pfarrei St. Josef Düsseldorf-Bilk gepilgert. Das ist die Gemeinde, die Pastor Ansgar Puff geleitet hat, bevor er von Kardinal Meisner als Weihbischof nach Köln geholt worden ist.

Der spanische Geistliche am Altar war - wie auch Ansgar Puff - ein Neokatechumenaler. Es hatte sich eine imponierende eigene Gemeinde zusammengefunden: Die Hauptakteure konnten Gitarre spielen und tatsächlich wunderschön singen. Sie tanzten in der Osternacht, und das fand ich toll. Man staunt nur, wie diese vom Bischof bevorzugte Bewegung in der regulären Liturgie so ziemlich an jeder Stelle ihre eigene Version kreieren darf, während sonst offene Priester des Reformflügels schon denunziert werden, wenn sie ein einzelnes Wort aus den eucharistischen Hochgebeten umformulieren.

Die Neokatechumenalen sind beharrliche Christen

Sechs Stunden oder mehr kann die Osternacht dauern. Danach saßen wir tatsächlich zum Frühstück - und nicht mehr zum Nachtmahl - beisammen. Ich war gottlob bei einem sympathischen Italiener mit Töchtern und zwei herrlichen rheinischen Frauen gelandet - alle keine Neokatechumenalen. Der Rotwein war richtig gut.

Also Osternacht 2013: Soviel Selbstbeweihräucherung von Familien, sprich neokatechumenalen Vätern und Müttern, und so viel Selbstbespiegelung inmitten der christlichen Liturgie habe ich in meinem ganzen Christenleben noch nicht miterlebt. Meine innerlich abgespeicherte Inhaltsangabe der schier endlosen Bekenntnisse: "Ich danke dir Gott, dass ich nicht so bin wie jene anderen, die sich die Risse ihrer Beziehungen von dir nicht so herrlich zukleben lassen von Dir wie wir."

Ich wusste im Einzelfall leider durchaus, was sich hinter einem heilen neokatechumenalen Familienroman mit reichem Kindersegen verbergen kann. Die Beklemmungen kamen bei mir ab dem Lied zur Lesung von der Opferung Isaaks immer wieder. Da wurde wörtlich (!) gesungen: "Akedah, Akedah! Fessele mich Vater, damit ich mich nicht wehren kann!" Das mag angesichts der traurigen Kirchenthemen der letzten Jahre jeder auf seine Weise hören.

Selektiver Blick auf den Islam

So langsam gehen mir einige deutsch-katholische Erscheinungen dermaßen auf den Senkel, dass ich nicht mehr gewillt bin, höflich zu sein. Eine katholische Zeitschrift für Christen in der Gegenwart, die ich wegen hervorragender Impulse und Kulturbeiträge abonniere, beglückt mich seit langem mit penetranter Homophobie und selbstgerechtem Kulturkampf für die christliche Familie. Manchmal denke ich, dass von der vielbeschworenen "Keimzelle" kein weiter Weg mehr liegt zur sogenannten Volksgesundheit des letzten Jahrhunderts. Das gleiche Blatt imponiert immer wieder mal mit Islamophobie und fast durchgehend mit einem selektiven Blick auf den Islam.

Ein Bewusstsein dafür, dass seit drei Jahrzehnten Hunderttausende oder gar drei Millionen Muslime im Rahmen von geostrategisch und rohstoffpolitisch motivierten "Interventionen" und Embargo-Maßnahmen aus dem "christlichen Kulturkreis" ihr Leben lassen mussten? Fehlanzeige! Dass "islamistisches Gotteskriegertum" ein maßgeblich von diesen Verbrechen und von westlichen Geheimdiensten in Kollaboration mit unseren "saudischen Freunden & Co" mitproduziertes Phänomen ist, haben einige Schreiber des Blattes offenbar noch nie gehört. Nein, wir Christen haben einen leidenden Gekreuzigten. Deshalb können wir in Geschichte und Gegenwart nie die Täter sein. Das sind immer nur die anderen!

Auf dem ersten Vatikanum ignorierte man 1870 eine Bischofseingabe aus den USA, den Rassismus - durch Verurteilung - zum vordringlichen Konzilsthema zu machen und erklärte stattdessen den narzisstischen Papst Pius IX. zum unfehlbaren Halbgötzen. Der unselige Pius XII. ließ zur Zeit des Faschismus eine in Rom fast fertiggestellte Enzyklika über die "Einheit des menschlichen Geschlechtes" unter den Tisch fallen, obwohl sie zur Exkommunikation aller Rassisten, speziell auch der deutschen Antisemiten, geführt hätte.

Traditionen des Rechtskatholizismus

Der Rassismus explodiert derzeit in einem wild um sich schlagenden Kapitalismus, auch in Europa. Die Fehler der Geschichte dürfen nicht wiederholt werden. Nicht nur die römische Weltkirche, sondern die gesamte Ökumene unter Einschluss aller Weltreligionen sollte besser heute als morgen die Einheit der ganzen Menschenfamilie auf dem Planeten zum unfehlbaren Dogma erklären. Dies ist das urkatholischste Dogma wider alle nationalkirchlichen und sonstigen Häresien!

Kardinal Meisners jüngste Ausführungen, die manchen an einen erbbiologistischen Bestsellerautor mit SPD-Parteibuch erinnern, passen am ehesten zu verflossenen Traditionen des schlesischen (deutsch-nationalen) Rechtskatholizismus. Katholisch - auf das Ganze schauend - sind sie ganz sicher nicht mehr! Wenn das letzte Rundschreiben des Bischofs von Rom irgend ernst zu nehmen ist, dann muss sich die Glaubenskongregation jetzt mit dem Kölner Kardinal beschäftigen. Aber dieser Kongregation steht freilich wiederum ein deutscher Inquisitor vor.

Diesem frisch kreierten Kardinal aus der alten Ära der pseudo-rechtgläubigen "spirituellen Weltlichkeit" ist es ein besonderes Herzensanliegen, der im Feudalstil deutscher Fürstbischöfe annodunnemals auftretenden Ex-Leitung des Bistums Limburg besondere Fürsorge angedeihen zu lassen. Das sind so die Reichtümer, die Deutsche (München, Berlin, Mainz ausgenommen) derzeit der Weltkirche schenken.