Mem_brane - Labor für mediale Strategien

Keimzelle für technowissenschaftliche Kunstexperimente

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mem_brane, Labor für mediale Strategien, wurde vor nicht ganz einem Jahr in Köln eröffnet. Einige der interessantesten im High-End Bereich technowissenschaftlicher Experimente arbeitenden Künstler haben sich zusammengetan, um einen Ort für Auseinandersetzung zu schaffen, Auseinandersetzung im Ideenraum, aber auch Auseinandersetzung zwischen dem virtuellen Raum der Netze und einem realen öffentlichen Ort. Eine Mem_brane Veranstaltung am 5.Juli wirft die Frage nach der Zukunft einer kritischen Medienkunst auf.

Vorbemerkung

Das Büro von Mem_brane ist ein kleiner Raum, im Erdgeschoß eines der postmodernen Bürohäuser des Medienpark Köln untergebracht. Es ist nur zu hoffen, daß das Schicksal von Mem_brane in keiner Weise mit dem des Medienpark Köln verknüpft ist. Dieses im Zentrum der Stadt gelegene Areal - ein ehemaliger Güterbahnhof - war in den achtziger Jahren der Ansiedlung von Medienunternehmen geweiht worden und wurde von der Propagandabegleitmusik als Großtat der Stadt- und Landesväter für die Entwicklung Kölns zum internationalen Medienzentrum gefeiert. RTL, CLT, die Hochschule für Kunst und Medien und andere Institutionen sollten hier einziehen. Doch als einer der Großinvestoren Pleite ging und einige der wichtigsten zukünftigen Mieter bekundeten, doch lieber in ihren Stammquartieren zu bleiben, brach der Investorentraum in sich zusammen. Ein Hochhaus von Jean Novell, an zentraler Stelle gebaut, blieb als Rohbauruine stehen, an anderer Stelle wurde mit dem Bauen erst gar nicht begonnen, so daß sich hier nun eine tiefe sandige Baugrube öffnet. Im Kölner Volksmund wird der Medienpark deshalb Wüste Gobi genannt und das einzige, was hier floriert, ist das Cinedom, ein Multiplex-Kino, das seine Besucher parallel in X-Säulen berauscht. Soviel zur Gründungsvätermentalität im Medienzeitalter.

Die Wüste Gobi, Mediapark Köln

Mem_brane wurde maßgeblich von den Gruppen Knowbotic Research und Westbank Industries, sowie vom norwegischen Künstler Stahl Stenslie initiiert. Die Namensgebung drückt die Absicht aus, eine Verbindungsstelle zwischen Netz- und Realraum zu sein. Im Büro von Mem_brane finden Vorträge und Diskussionsveranstaltungen statt. Diese Ereignisse werden ins Netz übertragen, Netzereignisse werden im Realraum gespiegelt. Doch es steckt noch mehr hinter dieser Idee von der Membran. Die beteiligten Künstler haben sich auf unterschiedliche Art intensiv mit der Frage der Schnittstellen zwischen Usern und telematischen Kommunikationsräumen beschäftigt. Dabei beanspruchen sie für sich, mit einem gewissen Innovationsvorschub zu arbeiten, d.h. heutige User-Schnittstellen, wie z.B. konventionelle Net-Browser liegen nicht im Zentrum des Interesses von Mem_brane, sondern das Experimentieren mit multimodalen Bedienformen, die vielleicht erst in zehn Jahren für eine größere Zahl von Nutzern von Bedeutung sein werden, wie z.B. taktile und Sprach-Interfaces. Diese Konzentration auf den High-end-Bereich macht Mem_brane so spannend, aber auch angreifbar. Die Beteiligten versuchen, Fragestellungen, die sie in ihrer eigenen Arbeit gefunden haben, durch den Diskussionsprozeß mit einer (spezialisierten) Öffentlichkeit zu erweitern. Man möchte nicht in das nur zu bekannte Hurrageschrei um die Neuen Medien einstimmen und die breitgetretene Begrifflichkeit noch weiter zementieren. Zugleich will man aber mit neuester Technologie arbeiten, mit dem Ehrgeiz, vorgegebene Software-Strategien der Industrie nicht einfach zu übernehmen, sondern eigene Entwicklungsarbeit zu leisten, da, wo es für nötig erachtet wird. Das bedeutet, daß sich Mem_brane sehr eng mit den Begriffen des Netzmediums auseinandersetzt. Begriffe wie "prozeßhaft", "systemtheoretisch" oder "Komplexität" tauchen denn auch im Gespräch mit Mem_brane immer wieder auf und es entsteht der Eindruck, daß sie es ernst meinen. Mem_brane sucht nach Möglichkeiten, Forschung und Kunst in einem neuen "bottom-up"-Ansatz zu integrieren und vermeidet es, die Ziele der Arbeit von vorneherein festzulegen. Damit kommt Mem_brane jedoch, aus der Sicht eines kleinen poltischen Teils der Internetszene, in den Geruch, zu elitistisch, wenn nicht gar esoterisch zu sein, der größere Teil der Menschheit versteht wahrscheinlich nur Bahnhof (Güterbahnhof?) und potentielle Sponsoren oder Auftraggeber fragen vergeblich nach einem kurzfristigen praktischen Wert der Arbeit. Oder, um es noch prekärer auszudrücken, Mem_brane wurde nicht gegründet, um Webseitengestaltung als Auftragsarbeit für Unternehmen zu machen, die nach High-Tech Gadgets suchen, um damit ihre Websites aufzupeppen und als innovativ dazustehen. Doch wie überleben, wenn die staatlichen Fördergelder nur spärlich und auch nur veranstaltungsbezogen fließen? Es scheint, daß Mem_brane für die Beteiligten ein idealistischer Pool ist, in den sie investieren, indem sie privat das Geld verdienen, um sich die Arbeit mit Mem_brane leisten zu können.

Yvonne Wilhelm u. Christian Hübler

Während es mit dem eigenen Internetserver leitungsbedingt lange Zeit nicht geklappt hat (erst vor einigen Tagen ging Mem_brane ans Netz), hat Mem_brane im Herbst/Winter 95/96 bereits einige Veranstaltungen durchgeführt. Ingo Guenthers Projekt "Refugee Republic" wurde vorgestellt. Bei "DJ-Networking - Maschinendenken" im November 95 wurde einen Abend lang die "Wüste Gobi" des Medienparks zur futuristischen Sound- und Lichtlandschaft, bespielt von drei miteinander verschalteten DJ-Systemen. Am folgenden Tag präsentierte Nicolas Anatol Baginsky seine verschiedenen Maschinenkunstprojekte, deren Robotik-Steuerung meist auf neuronale Netze und genetische Algorhitmen aufgebaut ist. Im Januar schließlich wurde bei einem Minisymposium unter dem Titel "Das tätige Subjekt" die Frage nach der Autorenschaft in digitalen Kommunikationssystemen gestellt. Bei solchen Events kann es schon vorkommen, daß nicht nur ein Siegfried Zielinski, Direktor der Kölner Hochschule für Kunst und Medien anwesend ist, sondern auch Derrick de Kerckhove, Leiter des McLuhans Institut für Culture and Technology, Toronto, "zufällig" vorbeischaut.