Merkel macht Graue Wölfe hoffähig
Ein Kommentar
Driftet die deutsche Außenpolitik weiter nach rechts? Die Bundesregierung scheint nun auch den Schulterschluss mit ausländischen nationalistischen Organisationen zu suchen. Vergangene Woche traf Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Nato-Gipfel in Brüssel auf den höchsten Funktionär der türkischen faschistischen Grauen Wölfe in Europa und hatte nichts Besseres zu tun, als ihm die Hand zu schütteln.
Diplomatische Etikette hin oder her, diese Geste hat fatale Folgen. Nicht nur, dass Erdogan nun versucht, seinen kleinen Koalitionspartner, die faschistische MHP, in Europa hoffähig zu machen. Es zeigt einmal mehr, wie sehr Erdogan Politik in Deutschland macht. Cemal Çetin ist der Vorsitzende des Dachverbandes der Grauen Wölfe in Europa, der Avrupa Türk Konfederasyon.
Selbst der Verfassungsschutz, der bekanntermaßen lieber Jagd auf Linke als auf Faschisten macht (Stichwort NSU), stuft diese Organisation als extremistisch ein. Nicht zu Unrecht. Die türkischen Faschisten verfügen in Deutschland über ein engmaschiges Netzwerk nationalistischer Organisationen, vom Boxclub über die mafiöse Rockergruppe Osmanen Germania, über sogenannte Jugend- und Kulturvereine bis hin zu Moscheen.
Rund 170 Vereine besitzt allein die Türk Föderation. Mit mehr als 18.000 Mitgliedern sind die Grauen Wölfe die größte faschistische ausländische Organisation in Deutschland - drei Mal mehr, als die NPD Mitglieder hat.
In Deutschland gibt es auch viele Verbindungen zwischen den Grauen Wölfen und der AKP Erdogans. Erst kürzlich wurde die Rockergruppe Osmanen Germania in Deutschland verboten, deren Chef hatte beste Kontakte zum Erdogan-Clan. All dies ist aktenkundig, Merkel kann sich also kaum mit "Das war mir nicht bekannt" herausreden.
Das Bundespresseamt wollte denn auch lieber keinen Kommentar dazu abgeben. Ein Mitarbeiter einer deutschen Sicherheitsbehörde wird gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit deutlicher: "Wir haben die Grauen Wölfe im Blick. Es ist allerdings zu befürchten, dass unter dem politischen Druck der türkischen Seite auf die deutschen Behörden der Beobachtungsstatus aufgeweicht wird."
Cemal Çetin wurde bei den letzten Wahlen am 24. Juni für die nationalistische MHP ins Parlament gewählt. Die rechten Medien in der Türkei berichteten ausführlich über die gemeinsame Reise an Erdogans Seite und maßen dem große Bedeutung bei.
Politische Morde
Der MHP werden tausende politische Morde in der Türkei zugeschrieben. Ein bekanntes Beispiel ist der Mord an dem türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink 2007 in Istanbul. Morde an Christen 2006 und 2007, an Aleviten und linken Oppositionelle gehen auf ihre Rechnung. Seit Erdogans Säuberungsaktionen im Militär- und Polizeiapparat sind viele türkische Faschisten mittlerweile dort in Lohn und Brot.
Sie werden besonders gerne in den Kurdengebieten eingesetzt, da sich dort ihr Hass auf Andersdenkende ungezügelt und ungestraft entfalten kann. Zahlreiche Fotos von Polizisten und Soldaten mit Wolfsgruß kursieren im Netz, unter anderem auch an der Grenze zu Afrin, als das türkische Militär völkerrechtswidrig in Nordsyrien einrückte und verbündete islamistische Milizen dort plünderten und mordeten.
Faschistische Parolen der MHP zieren mittlerweile die Häuserwände in Diyarbakir, Cizre und in vielen anderen Städten im Südosten. Auch der ehemalige Ministerpräsident Binali Yildirim (AKP) zeigte den Wolfsgruß bei einer Rede im Parlament in Ankara.
Merkel in den Fußstapfen von Franz Joseph Strauß
1978 empfing der damalige CSU-Chef und bayerische Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß den damaligen Vorsitzenden der Faschistenpartei MHP, Alparslan Türkeş. Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Ulla Jelpke, berichtete, dass Strauß damals Türkeş versprach, "sich für ein günstiges Klima für die Grauen Wölfe in der Bundesrepublik einzusetzen".
Nun scheint das Klima wieder günstig zu sein. CDU/CSU schienen bislang den engen Verbindungen von AKP und MHP in Deutschland keine Bedeutung beizumessen. Oder wurde bewusst weggesehen? 2017 warb die MHP in Deutschland für das von der AKP angestrebte Verfassungsreferendum. Im März 2017 trat der damalige türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu (AKP) auf dem Gelände der Residenz des Generalkonsulats in Hamburg auf.
Zahlreiche Teilnehmer der Kundgebung zeigten den Gruß der Grauen Wölfe. Auch Çavuşoğlu formte mit seiner rechten Hand den stilisierten Wolfskopf. Der Hamburger Verfassungsschutzes bestätigte damals, die Geste sei eindeutig zuzuordnen. Ein hochrangiger AKP-Politiker in Deutschland zeigt den faschistischen Wolfsgruß der MHP?
Nach dem Sieg Erdogans als "Sultan" der Türkei ist der Wolfsgruß in Deutschland Alltag geworden, wie auch der Rabbiagruß der Muslimbruderschaft, den Erdogan als Gruß bevorzugt. Junge Türken grüßen sich in Berlin-Kreuzberg offen mit dem Wolfsgruß, fahren mit der MHP-Fahne, drei Monde auf rotem Grund, durch die Straßen, ohne dass die Polizei einschreitet.
Noch 2017 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken zu türkischen Nationalisten: "Insbesondere über das Internet vernetzte Jugendliche propagieren ihren Rassismus teilweise offensiv und fordern zum Beispiel verbal zur Gewalt oder Gegenwehr auf" - Gewalt, die sich gegen Kurden, Eziden, Aleviten und linke Oppositionelle richtet.
Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland und selbst CDU-Mitglied betrachtet diese Hofierung der MHP mit Sorge: "Die Parteikader werden ihre wachsende Macht dazu nutzen, ein friedliches Miteinander verschiedener Ethnien in Deutschland zu verhindern."
In einem empfehlenswerten ZDF-Beitrag warnt der Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam vom LKA Rheinland-Pfalz :
Im Gegensatz zu den Dschihadisten ist die Reichweite der Grauen Wölfe größer, ohne dass sie dabei im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Die Grauen Wölfe - kaum bemerkt unterwandern türkische Ultranationalisten Politik und Gesellschaft in Deutschland.
Marwan Abou-Taam