Merkels Regierungserklärung: Abgrenzungs- statt Willkommenskultur

Seite 2: Kampf um den EU-türkischen Ansatz

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Nun will sich die Bundesregierung darauf konzentrieren, die EU-Außengrenzen zusammen mit der Türkei zu sichern. Merkel sprach davon, dass es auf dem EU-Gipfel, der morgen beginnt, darum gehen soll. Sie stellte die beiden alternativen Wege zur Flüchtlingsbegrenzung deutlich heraus und machte damit, anders als manche linke Merkel-Versteher, erfreulich deutlich, dass es nicht um Flüchtlingsrechte geht.

Merkel stellte den mazedonisch-griechischen Weg dem europäisch-türkischen Weg gegenüber. Für letzteren wolle sie auf dem EU-Gipfel kämpfen. Der Unterschied besteht darin, dass beim ersten Weg die Grenze innerhalb, beim anderen jedoch außerhalb des Schengenraums aufgebaut würde. Für die betroffenen Migranten sind beide Alternativen schlecht. Nur bietet eine Grenze innerhalb des Schengenraums mehr Druckmöglichkeiten. Schließlich könnten Geflüchtete, die in Griechenland stranden, auf die Unterstützung einer dort sehr ausgeprägten Zivilgesellschaft setzen.

Es gab und gibt in mehreren griechischen Landesteilen, an denen Migranten ankommen, europäische Netzwerke, die Geflüchtete unterstützen. So könnte der Druck auf das restliche Europa schnell wachsen, die Grenzen wieder aufzumachen. Werden die Sperren aber an die türkische Grenze verlegt, ist eine solche Unterstützung aus geografischen und politischen Gründen viel schwieriger. Wichtig ist, dass die Geflüchteten außerhalb des Schengenraums blieben und die türkische Herrschaft schon mittels Polizei und Justiz mögliche Gegenaktivitäten kleinhalten würde.

Aufwertung der "personifizierte Fluchtursache" Erdogan

Vor allem Redner der Opposition haben darauf hingewiesen, dass ausgerechnet die Türkei eine Schlüsselrolle bei der Flüchtlingsabwehr einnehmen soll. Es ist dasselbe Land, das gerade in Kurdistan mit Militär gegen eine widerständige Bevölkerung vorgeht und in Syrien gegen den Willen von Russland und den USA Stellungen der gegen den IS kämpfenden kurdischen Nationalbewegung bombardiert.

Die Rednerin der Linkspartei Sahra Wagenknecht nannte den türkischen Präsidenten eine "personifizierte Fluchtursache". Ähnliche Formulierungen haben in den letzten Monaten bereits Politiker der Grünen verwendet.

Merkels Plan zur Flüchtlingsabwehr ist auf Zeitgewinn ausgelegt. Eine politisch durchdachte Strategie ist nicht zu erkennen und wahrscheinlich auch gar nicht möglich. Es ist schon ein Widerspruch, einerseits die Bekämpfung der Fluchtursachen als Ziel zu fordern, um dann mit der türkischen Regierung zu kooperieren, die in Kurdistan und Syrien massiv Menschen in die Flucht treibt.

Erstaunlich ist, wie in manchen Medien Merkels Auftritt kommentiert wird. So titelt der Focus "Merkel erteilt Flüchtlingskontingenten vorerst Absage". Damit wird suggeriert, dass die Regierung eine von außen herangetragene Forderung ablehnen würde. Dabei wäre die richtige Überschrift: "Merkel ist mit Forderung nach Flüchtlingskontingenten gescheitert."

Derweil schafft Österreich, das immer noch zur ominösen Koalition der Willigen gehören soll, die Merkels Politik unterstützen, vor dem EU-Gipfel Fakten. Es sollen Tageskontingente eingeführt werden, 3.200 Menschen sollen täglich einreisen dürfen und 80 Asylanträge angenommen werden.