Messerattacken: Sprunghafter Anstieg oder erhöhte Aufmerksamkeit?

Junger Mann droht mit Messer

Messerattacken haben zugenommen. Im letzten Jahr auf jeden Fall. Ist die Häufung in den letzten Tagen atypisch? Symbolbild: Shutterstock.com

Seit dem EM-Auftaktspiel am Freitagabend gab es mindestens zwei Tote und mehrere Verletzte. Nehmen Messerattacken weiter zu? Ein Blick in die Statistik.

Seit der für den Polizisten Rouven L. tödlichen Messerattacke auf den Polit-Aktivisten Michael Stürzenberger am 31. Mai in Mannheim hat es weitere Angriffe mit Stichwaffen im öffentlichen Raum gegeben, die für die Opfer zum Teil tödlich endeten. Die Hintergründe sind in diesen Fällen noch unklar.

Zwei Tote durch Messerattacken am ersten EM-Abend

Allein seit dem EM-Auftaktspiel am Freitagabend gab es mindestens zwei Tote und mehrere Verletzte durch Messerangriffe in deutschen Städten.

Bei einer Messerattacke am Freitagabend verletzte laut Polizei ein 27-jähriger Angreifer in Wolmirstedt / Sachsen-Anhalt zwei Menschen auf einer privaten EM-Gartenparty. Zuvor soll er bereits einen 23-Jährigen in einer Plattenbausiedlung erstochen haben – sowohl dieses Opfer als auch der später von der Polizei erschossene Tatverdächtige stammten den Berichten zufolge aus Afghanistan.

Ebenfalls am Freitagabend kam es auf dem Sportplatz des VfB Unterliederbach bei einem "Aufeinandertreffen zweier Personengruppen" zu einem Streit, bei dem ein 31-jähriger Mann aus Frankfurt mit einem Messer tödlich verletzt wurde. Am Tag darauf soll sich der mutmaßliche Täter (30) aus Friedberg gestellt haben.

24 Messerattacken mit Körperverletzung pro Tag 2023

Auf dem Schweriner Marienplatz griff laut Polizei am Freitagabend ein 45-jähriger Deutscher einen 33-jährigen Algerier mit einem Messer an und verletzte ihn unvermittelt im Gesicht. Der Geschädigte musste demnach ins Krankenhaus, die Verletzungen seien aber nicht lebensbedrohlich, hieß es.

Am Samstag soll während eines Streits im bayerischen Ingolstadt ein 17-jähriger Afghane einen 24 Jahre alten Mann mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt haben.

Die Berichte erwecken den Eindruck, dass es einen erneuten Anstieg geben könnte. Allerdings gab es laut Statistik bereits im vergangenen Jahr pro Tag durchschnittlich 24 Messerangriffe mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung in Deutschland.

Deutlich mehr Messerangriffe als im Vorjahr sind somit 2023 festgestellt worden. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) wurden im vergangenen Jahr 8.951 Messerangriffe mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung registriert – durchschnittlich 24 entsprechende Attacken mit mindestens einer verletzten Person pro Tag und insgesamt 791 mehr als im Jahr 2022.

Auch Bedrohungen als Messerangriffe erfasst

Als Messerangriffe zählen aber in der Statistik darüber hinaus Bedrohungen mit Messern, bei denen körperlich niemand verletzt wird: "‘Messerangriffe’ im Sinne der Erfassung von Straftaten in der PKS sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus", wird in der PKS klargestellt.

Einheitliche Standards zur Qualitätssicherung bei der Erfassung gelten allerdings erst seit dem 1. Januar dieses Jahres. Erst seit 2021 erfasst das BKA "Messerangriffe" als Phänomen – damals wurde bundesweit die Zahl für die "Messerangriffe" insgesamt mit 10.917 Fälle angegeben – darunter allerdings auch Bedrohungen ohne Körperverletzung.

Im Fokus: Verdächtige mit anderer Staatsangehörigkeit

Diskussionen gibt es immer wieder um den Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger. Das Bundeskriminalamt (BKA) kann allerdings einen Migrationshintergrund von Tatverdächtigen mit deutschem Pass nicht erfassen.

Für eine solche Abfrage gebe es keine Rechtsgrundlage - Angaben von Tatverdächtigen zur Staatsangehörigkeit der Eltern oder Großeltern wären "nur auf freiwilliger Basis zu erheben", teilte das BKA im vergangenen Jahr dem BR-"Faktenfuchs" mit. Auch die Bundespolizei erfasst demnach nur die Staatsangehörigkeit.

Die PKS handelt aber zudem nicht von rechtskräftig verurteilten Straftätern, sondern von Tatverdächtigen. Hier ist allerdings der Anteil mit ausländischer Staatsangehörigkeit überproportional.

In Berlin hatten von 2.575 Verdächtigen zu Straftaten mit Einsatz eines Messers im vergangenen Jahr rund 1.000 nur die deutsche Staatsangehörigkeit, rund 1.370 Menschen eine andere. Hinzu kamen rund 200 "Doppelstaatler", die neben dem deutschen Pass noch einen weiteren hatten.