Microsoft übt sich in Selbstironie
Der Software-Gigant, der in den letzten Jahren in der Branche immer wieder unfreiwillig zur Lachnummer geriet, setzt auf eine Gegenstrategie
Die Werbekampagne für die neueste Office-XP-Version macht sich gleichzeitig über ihr beworbenes Produkt lustig. Was dabei zunächst tatsächlich wie ein Witz klingt, ist allerdings ernst gemeint: Geworben wird nämlich mit dem Fehlen eines bisherigen Features.
In der Fachwelt schon lange dafür angegriffen, dass den Softwareprogrammen regelmäßig zu viele Features beigefügt sind, die kein Mensch braucht, reagiert Microsoft jetzt, indem es in seiner Werbekampagne für das neue Office XP seinen berüchtigten Office-Helfer selbst denunziert und "feuert". In der neuesten Version, die einfacher zu bedienen sein soll, wird die Hilfe stattdessen angeblich auf eine weniger aufdringliche Weise angeboten.
Bei der Markteinführung des neuen Programms konzentriert sich die Werbung auf das Ableben der Büroklammer (Paperclip) Clippy, dem nervigen kleinen "Helfer", der von so manchem MS-Office-Benutzer schon verwünscht wird, seit er 97 zum ersten Mal in den Textverarbeitungsprogrammen auftauchte.
Dieser unbeliebte Helfer (auch als Cartoon-Hund, Einstein oder andere Figuren anwählbar) hat die irritierende Angewohnheit, immer zu den falschesten Zeiten aufzutauchen und ungefragt seine Hilfe anzubieten, nur um einen dann mit der vergeblichen Suche danach, wie man ihn wieder loswerden kann, vollends in den Wahnsinn zu treiben.
Jetzt wurden die gepeinigten Nutzer endlich erhört: Microsoft hat Clippy auf eine eigene Website verbannt, wo der drahtige Kerl zwar verspricht, von nun an vor sich hin zu rosten und in Aussicht stellt, demnächst malträtiert werden zu können, aber offensichtlich trotzdem auf Mitleid hofft:
Office XP wird mich ganz schön ins Schwitzen und zum Rosten bringen. Warum? Weil Office XP so einfach zu bedienen ist, dass es Assistenten wie mich überflüssig macht, und, so wurde mir gesagt, geradezu scheußlich unattraktiv. Sie haben mir sogar mein Gehalt gekürzt, und das, obwohl ich sowieso umsonst arbeite! Ich bin hierher gekommen, um meine armselige Geschichte mit Euch zu teilen, und um meine Fähigkeiten als Web-Designer anzubieten. Wisst Ihr vielleicht jemanden, der noch Leute sucht?
Clippy
Ob derartiges Gejammere dazu geeignet ist, sich beliebter zu machen, oder was daran jetzt lustig sein soll, ist nicht die Frage. Vielmehr, ob dieser sich selbst denunzierende Werbeauftritt zweckmäßig ist, die Nutzer davon zu überzeugen, erneut Geld für ein Produkt hinzulegen, dessen zu viele Extras sie auch bisher nicht gebraucht haben.
Die vermenschlichte Büroklammer war ursprünglich dazu gedacht, Sympathie zu verbreiten und die Anwendung leichter und angenehmer zu gestalten. Die mangelnde Akzeptanz bei den Konsumenten hat die Computerexperten zu dem Schluss kommen lassen, ihr anvisiertes Ziel hier wohl verfehlt haben. Das ist noch relativ neu in der Werbung, dass mit der Abwesenheit eines bisher unverzichtbaren Merkmals geworben wird. Nach "Garantiert ohne Rindfleisch" jetzt also "Garantiert ohne Clippy". Das ist ausbaufähig, wer wartet nicht schon längst auf etwa ein Hollywood-Drama, das garantiert Tom-Hanks-frei wäre.
Erdacht wurde das Ganze von Shepardson Stern & Kaminsky zusammen mit der interaktiven Agentur KPE und Modern Humorist die auch endlich die Erklärung dafür nachliefern, wofür XP eigentlich steht: für Ex-Paperclip.
Diese Kampagne soll laut Microsoft die Konsumenten auf wesentlich zurückhaltendere Weise ansprechen als ein traditioneller Werbeauftritt, der allerdings folgen wird, sobald Office XP Ende Mai auf den Markt kommt. Für Clippy werden dabei nicht nur auf allen Microsoft-Seiten, sondern auch auf vielen anderen Medien-Seiten Banner geschaltet. Rund 25 Millionen Menschen sollen so auf Clippy aufmerksam gemacht werden. Diskretion á la Bill Gates. Die Clippy-Kampagne macht circa eine halbe der insgesamt rund 30 Millionen Dollar teuren Werbung für Office XP aus.
Auf der Clippy-Site werden die User endlich ihren Zorn an der nervigen Büroklammer in einem Spiel abreagieren können, in dem das Ex-Helferlein mit virtuellen Heftklammern, Reißzwecken und Gummibändern beschossen werden kann.
Da in guter alter Microsoft-Tradition aber nicht nur das Programm noch lange nicht zu haben ist, sondern auch das versprochene Spiel für alle Clippy-Hasser noch auf sich warten lässt, kann inzwischen zum Abreagieren, oder vielleicht um wirklich was zum Lachen zu haben, Kick Him While He's Down Passendes bietet: "Kill Bill" etwa oder auch "Punch Bill Gates" ("If killing Bill seems a bit harsh to you, why not just punch and slap him around a bit?") Weitere der "Gates to Hell" (Tore zur Hölle) machen zum Beispiel mit der Bill Of Borg-Theorie vertraut, die auf die unheimlichen Ähnlichkeiten zwischen Bill Gates und den Borg hinweist, aber auch auf den großen Unterschied zwischen den beiden Zivilisationsparasiten: Während die Borg durch jedes weitere Assimilieren fremder Spezies und Techniken immer versierter und ausgereifter erscheinen, wirkt jede neuere Version von Gates' Programmen eher noch schwer- und fehleranfälliger.