Mieterschutz passé: "Da bleibt als Alternative nur die Vergesellschaftung"
Der Mieterschutz ist durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht geschwächt. Aber da war ja noch dieser Berliner Volksentscheid. Interview mit einer Aktivistin
Durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurde vergangene Woche das kommunale Vorkaufsrecht weitgehend ausgehöhlt, was die Immobilienlobby nur freuen kann. Bei aktiven Mieterorganisationen sorgt es für Wut, aber auch für Kampfbereitschaft. Die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen nannte das Urteil einen "herben Rückschlag für die Mieterschutz" und pries die Vergesellschaftung der profitorientierten Immobilienkonzerne als Alternative. Theresa Walter ist Aktivistin der Initiative.
Ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorkaufsrecht aus Ihrer Sicht auch Ausdruck von Politikversagen?
Theresa Walter: Ja. Bei der Novellierung des Baugesetzbuchs durch die Große Koalition hat der Bundesrat gemahnt, dass die Formulierung des kommunalen Vorkaufsrechts in Milieuschutzgebieten geändert werden müsste, um den Wortlaut der Vorschrift in Übereinstimmung mit ihren Zielen und Zwecken zu bringen. Diese Mahnung wurde ignoriert. Das zeugt von mangelndem politischem Willen seitens der Großen Koalition, ein rechtssicheres Gesetz für Mieterinnen und Mietern zu erlassen.
Befürchten Sie, dass solche Urteile bei Mieterinnen und Mietern zur Resignation führen - nach dem Motto, wir können eh nichts machen?
Theresa Walter: Mit dem Urteil zum Vorkaufsrecht wird Mieterinnen und Mietern das einzige direkte juristische Mittel genommen, das ihnen zur Verfügung stand, um sich mithilfe des Bezirks gegen den Verkauf an Investoren zu wehren. Betroffene Individuen und Hausgemeinschaften verlieren so die juristische Grundlage, auf deren Basis sie überhaupt Druck auf den Bezirk zu sofortigem politischem Handeln ausüben konnten.
Das Urteil ist daher ein weiterer Schlag ins Gesicht der Berliner Mieterinnen und Mieter. Die Berliner Mieterbewegung hat aber schon oft bewiesen, dass sie sich von solchen Urteilen nicht klein kriegen lässt. Neben der Wut der Mieter bestärkt das Urteil nur das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines kollektiven, solidarischen Kampfes aller Berliner Mieter für ein Ende der Spekulation mit unseren Wohnungen.
"Die Mehrheit in Berlin hat das verstanden"
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Umsetzung Ihrer Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen?
Theresa Walter: Das Urteil zeigt einmal mehr die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung des Berliner Wohnungsmarktes. Keine der Maßnahmen, die der Senat bis jetzt gegen den Mietenwahnsinn ergriffen hat, hat eine nachhaltige Veränderung bewirken können. Nur die Vergesellschaftung profitorientierter Immobilienkonzerne kann unsere Wohnungen der Spekulation entziehen und langfristig für bezahlbare Mieten sorgen.
Die Mehrheit in Berlin hat das verstanden und deswegen haben mehr als eine Million Menschen mit Ja für den Volksentscheid gestimmt. Das ist ein politisch bindender Auftrag des demokratischen Souveräns an den Senat, weshalb dieser den Volksentscheid nun so schnell wie möglich umsetzen muss. Das Urteil offenbart, welche Zukunft uns Berliner Mieterinnen und Mieter erwartet, wenn die Umsetzung durch ewige Prüfaufträge verschleppt wird. Berlin braucht die Vergesellschaftung - jetzt!
Sie propagieren Vergesellschaftung als Lösung. Aber könnte es da nicht ebenso ein Urteil geben, dass solche Bestimmungen kippt?
Theresa Walter: Es gibt mehrere unabhängige juristische Gutachten, die die Rechtszulässigkeit des Volksentscheides bestätigen, unter anderem von den Wissenschaftlichen Diensten des Abgeordnetenhauses und des Bundestages. Dieselben Institutionen, die von Anfang an Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Senats in Bezug auf den Mietendeckel geäußert haben, taten das beim Volksentscheid nicht.
Der Berliner Senat muss nun den politischen Willen beweisen, den demokratisch gefassten Beschluss der Berlinerinnen und Berliner zur Vergesellschaftung umzusetzen, indem er ein entsprechend rechtssicheres Gesetz erarbeitet.